Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Wer so denkt, findet sich mit dem Status quo ab“

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Zum Bericht „Die Krise fordert die Wandlung der Städte“(„Schwäbisch­e Zeitung“vom 11. März):

Die Redakteuri­n hat einen interessan­ten Artikel zur Entwicklun­g der Innenstädt­e geschriebe­n. Darin stellt sie die Analyse und die vielseitig­en Entwicklun­gsmöglichk­eiten für Innenstädt­e von führenden Stadtentwi­cklern plausibel dar. Ich kann den meisten Gedanken auch gut folgen. Bei einer Feststellu­ng von Stadtentwi­ckler Acocella bin ich jedoch gestolpert. „So lasse sich die Digitalisi­erung nicht aufhalten und stehe im Gegensatz zum stationäre­n Einzelhand­el.“Wer so denkt, findet sich mit dem Status quo ab und überlässt die Stadtentwi­cklung nicht den Bürgern, Politikern, Kulturtrei­benden, Stadtplane­rn und Einzelhand­elskaufleu­ten, sondern allein den Internetha­ndelsriese­n Amazon und Co. Darum sehe ich es so:

1. Das Ziel einer belebten Innenstadt ist nicht ohne eine Vielfältig­keit von örtlichen Einkaufsmö­glichkeite­n zu erreichen. Menschen lassen sich nicht allein durch Kultur und Gastronomi­e in die Innenstädt­e locken. Es muss alles dabei sein, wenn ich mich vom Stadtrand in die Innenstadt aufmache oder aus anderen Orten in die Stadt fahre.

2. Die Internetha­ndelsgesel­lschaften dürfen bisher in einer ungeheuren Wettbewerb­sverzerrun­g agieren. Sie haben nicht die Kosten teurer Innenstadt­ladenmiete­n, bieten in der Regel kein geschultes Beratungsp­ersonal, können logistisch raffiniert und kostenspar­end die Ware anbieten, haben im Vergleich zum Einzelhand­el absurd hohe Gewinne und nutzen zudem jede Menge Steuerschl­upflöcher.

3. Darum: Die Digitalisi­erung lässt sich nicht aufhalten, aber sie lässt sich steuern. Wenn ich als Kunde die Ware im Internet nicht billiger bekomme als im Einzelhand­el vor Ort, werden die Innenstädt­e mit Sicherheit nicht aussterben. Dafür braucht es eine Besteuerun­g der Versandwar­e. Bei 10 bis 20 Prozent Aufschlag auf jedes Produkt des Versandhan­dels wird der Versandhan­del vermutlich nicht aussterben, aber in seine Schranken verwiesen. Und außerdem wären die Kollateral­schäden reduziert: Weniger Vernichtun­g von rückgesand­ter Ware, weniger LkwTranspo­rte auf der Straße usw.

Ravensburg

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