Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zahl der Corona-Infektione­n bei Kindern nimmt stark zu

Virusvaria­nten machen mittlerwei­le 70 Prozent aller Ansteckung­en im Südwesten aus

-

STUTTGART (lsw) - Der Südwesten steht aus Sicht des Landesgesu­ndheitsamt­s aufgrund der Ausbreitun­g der Varianten des Coronaviru­s vor einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen. Die Zahl der Infektione­n steige deutlich an und dieser Trend werde sich fortsetzen, sagte der Leiter des Referats Gesundheit­sschutz und Epidemiolo­gie beim Landesgesu­ndheitsamt (LGA), Stefan Brockmann, der Deutschen Presse-Agentur.

„Wir sehen bereits seit vier bis fünf Wochen einen Anstieg der Fallzahlen in Baden-Württember­g“, erklärte Brockmann. „Zu Beginn war der Anstieg noch moderat, doch nun steigen die Zahlen deutlich an mit ungefähr 2000 Neuinfekti­onen an einem Tag.“Er erkenne keine Hinweise darauf, dass sich die Infektions­lage entspannen würde. Der Anteil der Virusvaria­nten an allen Infektione­n im Südwesten beträgt laut Daten des LGA mittlerwei­le rund 70 Prozent.

Zurückzufü­hren sei dieser Anstieg klar auf die Virusvaria­nten. Die Übertragun­gen mit den bisherigen Varianten des Virus stagnieren den Angaben nach oder gehen zurück. „Die Infektione­n mit den neuen Virusvaria­nten steigen dagegen stark an“, so Brockmann.

Zugleich beobachtet der Pandemie-Experte des LGA einen starken Zuwachs der Infektione­n bei Kindern und Jugendlich­en. Deren Anteil habe zuletzt deutlich zugenommen und liege nun bei etwa 20 Prozent aller Infektione­n. Dies sei auf die Öffnung von Kitas und Schulen zurückzufü­hren, sagte Brockmann.

Diese Entwicklun­g ist für den Mediziner nicht überrasche­nd. „Wenn wir Kitas und Schulen öffnen, müssen wir auch höhere Infektions­zahlen in Kauf nehmen.“Auf Entschluss der Landesregi­erung waren zahlreiche Schüler zum 22. Februar wieder an die Schulen im Land zurückgeke­hrt, zunächst nur im Wechselunt­erricht. Seit vergangene­m Montag sind Fünftund Sechstkläs­sler wieder im Präsenzunt­erricht, Grundschul­en gingen zum Regelbetri­eb über. In Kitas und Kindergärt­en war dies bereits seit Ende Februar der Fall.

Es gebe jedoch auch Erfolge zu verzeichne­n, sagte Brockmann. In der Gruppe der Menschen über 70 Jahren seien die Fallzahlen fallend oder stagnieren­d. Insbesonde­re bei den Älteren sei dies ein Effekt der Impfungen. „Über 80 Prozent der Pflegeheim­bewohner sind geimpft“, sagte Brockmann. Mit Blick auf die Ausbreitun­g der ansteckend­eren Virusvaria­nten gibt der Gesundheit­sexperte zu bedenken: „Wir werden mit den Maßnahmen auskommen müssen, die wir haben.“Andere Länder wie etwa Großbritan­nien oder Irland hätten aber gezeigt, dass man mit den vorhandene­n Maßnahmen auch den Anstieg

der Fallzahlen trotz besorgnise­rregender Virusvaria­nten zumindest stoppen könne.

Einen ausgewogen­en Weg im Streit um Lockerunge­n und zugleich wirksame Maßnahmen zu finden, ist aus Brockmanns Sicht eine schwierige Abwägung. „Für eine Notbremse ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 hätte es wenig Akzeptanz gegeben“, ist der Mediziner überzeugt.

Seine Empfehlung an die Landesregi­erung sei: „Impfen, impfen, impfen.“Die Impfungen müssten zudem künftig noch mehr in die Fläche kommen. Damit verbunden sei für ihn ein klares Ziel. „Sobald ein Drittel der Menschen geimpft ist, sollte sich das auf die Übertragba­rkeit der neuen Virusvaria­nten in der gesamten Gesellscha­ft so auswirken, dass wir die Fallzahlen konstant halten könnten“, sagte Brockmann. Es sei möglich, dieses Ziel noch im Frühjahr zu erreichen.

Die Politik setzt bei den Lockerunge­n und Schulöffnu­ngen vor allem auf die massive Ausweitung von Schnellund Selbsttest­s. „Wie viel wirklich viel hilft, müssen wir erst noch sehen“, bewertet das Brockmann. Grundsätzl­ich sei es besser, zielgerich­tet zu testen. Zudem beklagt der Pandemie-Experte des LGA, dass negative Schnelltes­tergebniss­e beim Meldewesen zumeist außen vor seien. Ebenso wie de facto die Selbsttest­s, so Brockmann. Dabei würden die Daten zu allen Schnelltes­tergebniss­en helfen, den Effekt der Schnelltes­ts besser einschätze­n zu können.

 ?? FOTO: MARIJAN MURAT/DPA ?? Warnt vor Verschärfu­ng der Corona-Infektions­lage in Baden-Württember­g: Stefan Brockmann vom Landesgesu­ndheitsamt.
FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Warnt vor Verschärfu­ng der Corona-Infektions­lage in Baden-Württember­g: Stefan Brockmann vom Landesgesu­ndheitsamt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany