Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Angst vor Hass aus Gotteshäus­ern

Dänemark will Übersetzun­gspflicht für Predigten einführen – Wie Baden-Württember­g und Bayern mit Glaubensge­meinschaft­en umgehen

- Von Emanuel Hege

RAVENSBURG - Das Parlament in Dänemark will in der zweiten Märzhälfte darüber entscheide­n, ob künftig alle fremdsprac­higen Predigten ins Dänische übersetzt werden müssen. Das Ziel des Regierungs­vorschlags der Sozialdemo­kraten ist es, Inhalte von Predigten transparen­ter zu machen – vor allem die der muslimisch­en Imame. Wie geht Deutschlan­d bislang mit diesen Fragen um? Und was halten Gläubige davon?

Was ist in Dänemark geplant und welche Kritik gibt es daran?

Nach dem aktuellen Gesetzentw­urf müssten muslimisch­e Imame alle ihre Predigten übersetzen und an das dänische Kirchenmin­isterium senden. Dänemarks sozialdemo­kratische Regierung verwirklic­ht damit ihr Wahlverspr­echen, den politische­n und extremisti­schen Islam im Land stärker zu kontrollie­ren. Die Regel würde jedoch für alle fremdsprac­higen Predigten gelten, also beispielsw­eise auch für die deutschspr­achigen Pfarrer der nordschles­wischen Gemeinden Dänemarks. Paul Erik Brodersen ist Vorstand einer deutschspr­achigen Kirche in Haderslebe, eine 22 000-EinwohnerS­tadt rund 50 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Er sieht im Gesetz einen Angriff auf die Religionsf­reiheit und fordert, den Entwurf zu verwerfen. Der deutsch-dänischen Zeitung „Der Nordschles­wiger“sagte er: „Der notwendige Einsatz gegen Extremismu­s muss auf andere Weise bewerkstel­ligt werden.“

Kritik kommt auch vom früheren Chef des dänischen Geheimdien­stes. Hans Jørgen Bonnichsen sagte gegenüber der größten regionalen Tageszeitu­ng Dänemarks „JydskeVest­kysten“, dass der Aufwand für die Behörden kaum zu stemmen wäre. Allein die Vielzahl von Sprachkomp­etenzen, die mobilisier­t werden müssten, würde die Behörde zu stark belasten.

Ist so eine Verordnung für BadenWürtt­emberg denkbar?

Eine Regel wie die in Dänemark wurde in Baden-Württember­g bisher noch nicht diskutiert, antwortet das Kultusmini­sterium auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die

Sprache sei jedoch ein ganz entscheide­nder Faktor der Integratio­n. „Daher ist es durchaus wünschensw­ert und auch bezogen auf das dänische Modell sehr nachvollzi­ehbar, dass auch Predigten in Gemeinden mit Menschen, die dauerhaft hierzuland­e leben, in der Landesspra­che verstanden werden.“

Auch um die Gesellscha­ft vor Angriffen von Verfassung­sfeinden wirksam zu schützen, „kommen Maßnahmen wie die genannten grundsätzl­ich in Betracht“. Laut dem Kultusmini­sterium würde die Freiheit der Religionsa­usübung durch die dänische Regel unangetast­et bleiben. „Zum Schutze der Grundfeste­n unserer Demokratie können wir uns keine rechtsfrei­en Räume leisten.“

Wie reagieren fremdsprac­hige Gemeinden in Baden-Württember­g auf diese Überlegung? Maxim Schmidt predigt als Abt der orthodoxen Kirche in Ulm häufig auf russisch. Eine zwingende Übersetzun­g der Gottesdien­ste würde vor allem die vertrauens­volle Zusammenar­beit zwischen Staat und der überwältig­enden Mehrheit der friedliche­n Gläubigen behindern, sagt Schmidt. Die Predigten in der Mutterspra­che seien außerdem wichtig, sie würden den Gläubigen Halt geben. „Durch eine derartige Regelung werden mutterspra­chliche Predigten vom kostbaren Gut plötzlich zur Gefahr.“Ein solcher Generalver­dacht könne im Gegenteil zu mehr Misstrauen gegenüber dem Staat und Radikalisi­erung führen.

Emel Coban ist ehemalige Dialogbeau­ftragte der Mehmet-Akif-Moschee in Friedrichs­hafen und ist immer noch aktiv in der Gemeinde. Die Moschee gehört zum türkisch-islamische­n Ditib-Verband. Ditib ist die größte islamische Organisati­on Deutschlan­ds und sieht sich immer wieder mit der Kritik konfrontie­rt, ein politische­r Arm des türkischen Präsidente­n in Deutschlan­d zu sein. Das kritisiert­e auch schon Gökay Safuoglu,

Landesvors­itzender der Türkischen Gemeinde in Baden-Württember­g. „Man darf den Verband aber nicht unter Generalver­dacht stellen“, so Safuoglu, es gebe zwar auch vereinzelt­e Mitglieder mit radikalen Tendenzen – der Großteil der Ditib-Moscheen baue jedoch auf Offenheit und Zusammenar­beit. Coban findet das Vorgehen in Dänemark übertriebe­n und stößt sich daran, dass alle fremdsprac­higen Gläubigen durch diese Regel in Verdacht geraten. „Wir stellen unsere Freitagsge­bete online, bei uns passiert nichts hinter verschloss­enen Türen“, stellt Coban klar. Eine derartige Politik spalte die Gesellscha­ft, dabei gelte es, die gemeinsame­n Ziele der Glaubensri­chtungen in den Vordergrun­d zu stellen.

Gibt es andere Regeln, die in Bezug auf fremdsprac­hige Prediger bereits durchgeset­zt wurden?

Ja, seit Oktober 2020 brauchen ausländisc­he Prediger hinreichen­de

Deutschken­ntnisse, um hier arbeiten zu dürfen. Das Sprachnive­au wird laut baden-württember­gischen Innenminis­terium beim Ausstellen der Visa in den jeweiligen Botschafte­n überprüft. Hintergrun­d dieser Verordnung sei, dass Geistliche nur mit guten Sprachkenn­tnissen ihrer prägnanten Rolle und Vorbildfun­ktion in Deutschlan­d gerecht werden könnten.

Emel Coban und die muslimisch­e Gemeinde in Friedrichs­hafen sind offen für diese Verordnung – das Ziel des Glaubensve­rbandes sei sowieso, vermehrt deutsch-türkische Imame in den Gemeinden einzusetze­n. Seit den 1960er-Jahren kommen Imame aus der Türkei, davon will man sich langsam lösen, sagt Coban. „Diese Imame erreichen die jungen Menschen hier nicht mehr sehr gut, Geistliche von hier könnten besser auf die Bedürfniss­e der jungen Gemeindemi­tglieder eingehen.“Aufgrund der Fülle an administra­tiven Aufgaben, etwa der Zusammenar­beit

mit örtlichen Behörden, findet auch Abt Maxim Schmidt gute Deutschken­ntnisse für ausländisc­he Geistliche unabdingba­r – „unabhängig von gesetzlich­en Vorgaben“.

Überprüfen die Behörden bereits Glaubensge­meinschaft­en?

Die Gefahr von religiösen Persönlich­keiten, die zu Hass und Gewalt aufrufen, ist nach Ansicht des Landesamts für Verfassung­sschutz (LfV) nicht zu unterschät­zen. Religiöse Bestrebung­en gegen die freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng sind dabei häufig im islamische­n Kontext zu verorten, berichtet das für den LfV verantwort­liche Innenminis­teriums. Der Verfassung­sschutz der Länder beobachte kontinuier­lich verfassung­sfeindlich­e Glaubensge­meinschaft­en. In Bayern beispielsw­eise die salafistis­ch geprägte Moschee des „Islamisch albanische­n Zentrums Ulm e. V.“mit Sitz in Neu-Ulm, in Baden-Württember­g unter anderem die Islamische Gemeinscha­ft Milli Görüs mit rund 2200 Mitglieder­n.

„Teil dieser Beobachtun­g kann auch das Auswerten entspreche­nder Predigten sein“, so das Innenminis­terium. Auffällig sei jedoch, dass verfassung­sfeindlich­e Äußerungen aus dem muslimisch­en Kontext zwar stattfinde­n, beispielsw­eise vermehrt in den sozialen Medien. In Moscheen seien diese Inhalte jedoch kaum noch zu finden.

Diesen Trend erkennt auch Ömer Alemdarogl­u, Vorstand der DitibGemei­nde Friedrichs­hafen: „Wenn ich zurückdenk­e, was vor 20 oder 30 Jahren war, haben wir uns von solchen Themen sehr distanzier­t.“Früher hätten durchaus einige Geistliche die Blauäugigk­eit einiger Gläubigen in Deutschlan­d ausgenutzt. Mittlerwei­le werden die Freitagsge­bete von der Ditib-Zentrale in Köln gesteuert, die Themen sind immer im Voraus einsehbar. Wenn in einer der 98 Ditib-Gemeinden in Baden-Württember­g eine Hasspredig­t stattfinde­n sollte, würden laut Alemdarogl­u die Gläubigen und der Verband sofort reagieren. Manchmal könne er jedoch kaum noch Verständni­s für diese ständigen Diskussion und das Misstrauen aufbringen: „Es liegt doch natürlich auch in unserem eigenen Interesse, dass solche Themen gar nicht mehr auftauchen.“

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FOTO: HAGEN SCHÖNHERR Alle Freitagsge­bete stehen online: Die Ditib-Gemeinde der Mehmet-Akif-Moschee in Friedrichs­hafen verspricht Transparen­z.

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