Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Nachhaltige Anlagen stehen hoch im Kurs
Immer mehr Anleger setzen auf ethisch vertretbare Investitionsformen – Rückenwind soll es nun vom Staat geben
BERLIN - Solarparks, Elektromobilität oder auch faire Arbeitsbedingungen in den fernöstlichen Zulieferbetrieben stehen bei immer mehr Kleinanlegern hoch im Kurs. Sie investieren in nachhaltige Geldanlagen, zum Beispiel über darauf spezialisierte Fonds. So können sie auch auf Nummer sicher gehen, dass mit ihrem Geld keine Waffengeschäfte finanziert oder die Umwelt in großem Maße geschädigt wird. Fast 220 Milliarden Euro steckten Anleger 2019 nach Angaben des Forums Nachhaltige Geldanlagen in derlei Angebote. Das ist im Verhältnis zum Gesamtmarkt nicht viel. Entscheidend ist jedoch das Wachstum von deutlich mehr als 20 Prozent im Jahr.
Das Interesse bestätigt auch eine Umfrage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Mehr als jeder zweite Befragte zeigte sich bereit, sein Erspartes mit ethischen oder ökologischen Anlagen zu vermehren. Auf eine gute Verzinsung würde dafür aber nur eine kleine Minderheit verzichten. Das ist glücklicherweise auch nicht zwangsläufig der Fall. Im Gegenteil. In Krisenzeiten hat sich der nachhaltige Weltaktienindex (MSCI World Socially Responsible) besser entwickelt als der für konventionelle Unternehmen. Das hat Gründe. Nachhaltige Unternehmen sind zum Beispiel weniger krisenanfällig und eher in Zukunftstechnologien aktiv.
Deutschland und die EU wollen einen nachhaltigen Finanzmarkt fördern. Längst gehören zum Beispiel grüne Staatsanleihen zum öffentlichen Finanzierungsrepertoire. Die erste grüne Anleihe aus Deutschland kam im vergangenen Herbst auf den Markt und fand reißenden Absatz. Mit den Erlösen finanziert die Bundesregierung klimafreundliche Ausgaben. Die EU arbeitet wiederum an einem Standard für nachhaltige Anlagen. Den gibt es bisher nicht.
Nun hat auch ein Beirat der Bundesregierung seinen Bericht vorgelegt. Die Fachleute weisen dem Staat eine Schlüsselrolle bei der Veränderung der Finanzströme zu. So soll der Bund beispielsweise seine Beschaffung oder auch die Förderung der Riester-Rente an Nachhaltigkeitskriterien knüpfen. Ebenso sollen Landesbanken und Sparkassen auch zu ethisch-ökologischen Zielen verpflichtet werden.
Insgesamt 31 Empfehlungen hat der Beirat zusammengestellt. Sie betreffen die Staatsfinanzierung ebenso wie Hilfen für Kleinanleger. So sollen Sparer etwa auf einer einfachen Skala von eins bis fünf die Nachhaltigkeit einzelner Angebote erkennen können. Auch ein steuerlicher Anreiz für diese Geldanlagen schwebt dem Beirat vor. Doch noch handelt es sich nur um Ratschläge. Welche davon tatsächlich umgesetzt werden, ist offen. Schon im Beirat haben Lobbyverbände einige schärfere Vorschläge verhindert, kritisiert der Chef der Organisation Finanzwende, Gerhard Schick.
Doch einen für alle gültigen Standard für nachhaltige Geldanlagen kann es kaum geben. Es gibt sehr viele verschiedene Kriterien. Die Palette reicht vom Klimaschutz über faire Arbeitsbedingungen, die Ächtung von Waffen oder Korruption bis hin zur Einhaltung von Menschenrechten. Die Vielfalt erschwert eine Bewertung des Verhaltens von Unternehmen. So kann eine Firma beispielsweise vorbildlich im Klimaschutz sein, aber bei den Arbeitsbedingungen ihrer Zulieferer ein Auge zudrücken. Oder ein Unternehmen arbeitet besonders energieeffizient, hält aber noch eine Beteiligung an einem Kohlekraftwerk. Perfekt nachhaltig ist die Wirtschaftswelt nicht und Experten bezweifeln, dass sich solche Perfektion überhaupt in einem Standard darstellen ließe.