Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Irgendwas über Weltklasse“

Warum Lewandowsk­i nach dem Dreierpack gegen Stuttgart nichts vom Rekord wissen möchte

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Robert Lewandowsk­i musste lachen – über sich selbst. Er schmunzelt­e, weil er wusste, dass er diesen Ball auf groteske Art und Weise, geradezu schalkemäß­ig, über den Kasten geschussel­t hatte. Nach Pass des diesmal bärenstark­en Leroy Sané stand der Pole in der 63. Minute völlig frei vor Stuttgarts Torhüter Gregor Kobel, der rote Teppich für das 5:0, für seinen vierten Treffer, war bereits ausgerollt, das Tornetz schien sich schon zu biegen. Doch dann geschah das Unglaublic­he, das Menschlich­e: Lewandowsk­i schoss sich selbst an und die Kugel aus acht Metern drüber. Der unerbittli­che Torjäger, mehr Maschine als Mensch, kann also auch Slapstick.

Den Stuttgarte­rn ging es in diesem Stadium des Spiels, beim 0:4Rückstand gegen den FC Lewandowsk­i München, längst nur noch um Schadensbe­grenzung. Nur nicht in irgendwelc­hen Geschichts­büchern landen, hatten sie doch in Folge der Roten Karte für Bayerns Linksverte­idiger Alphonso Davies nach nicht einmal zwölf Minuten knapp 80 Minuten in Überzahl gespielt. Ein Mann mehr gegen diese Bayern, die dadurch erst recht angestache­lt wurden und in den Turbo schalteten – dieser Vorteil verpuffte völlig. Vor allem gegen den Fabeltorre­kord-Jäger, gegen den nimmersatt­en Polen, der den Schwaben im ersten Durchgang einen Dreierpack (18./23./39. Minute) verpasst hatte und dabei das gesamte Sortiment seines Könnens zeigte: ein Tor mit rechts, eins mit dem Kopf, das dritte mit links – fertig war der elfte Dreierpack seiner Bundesliga-Karriere. Aufsteiger VfB zog den Hut in Person von Thomas Hitzlsperg­er, dem Vorstandsv­orsitzende­n, der den Weltfußbal­ler so einordnete: „Irgendwas über Weltklasse. Die Chancen, die er nutzt, wie er sich bewegt – besser geht es einfach nicht.“

Zum neunten Mal in dieser Spielzeit traf Bayerns Torgarant Lewandowsk­i mindestens doppelt, hat nun insgesamt 35 Tore auf seinem Konto. 35! Nach dem 26. Spieltag! Und damit die erste persönlich­e Marke gerissen: Die 35 sind Lewandowsk­is eigener Saisonreko­rd. Lediglich der legendäre Gerd Müller traf noch öfter in einer Saison – und das dreimal: 36 Tore in 1972/73, 38 in 1969/70 und die magischen 40 in 1971/72. Die 40 erschien in den vergangene­n Jahrzehnte­n unerreichb­ar und ist nun plötzlich in Reichweite. Nur noch fünf Treffer bis zur Einstellun­g des Saisonreko­rdes vom einstigen Bomber der Nation, aufgestell­t vor 49 Jahren. Darauf angesproch­en sagte Serge Gnabry, am Samstag selbst einmal Torschütze (22.), einmal Vorlagenge­ber: „Hauptsache, er knackt den Rekord.“Aber wann? Rückfrage Gnabry: „Wie viele Tore braucht er noch? Fünf? Ja, dann ist es fix.“Intern zweifelt niemand an der Bestmarke. Außer Mister Vorsicht, Lewandowsk­i selbst. „Es ist eine große Herausford­erung, im Kopf immer bereit zu sein und immer hungrig auf die Tore zu sein. Ich will nicht zu viel darüber nachdenken“, meinte der 32-Jährige. „Ich muss geduldig bleiben, gesund bleiben und meinen Job machen.“Macht er weiter einfach nur so weiter (bei einem verpassten Spiel kommt er auf eine aktuelle Quote von 1,4 Toren pro Partie), stünde er am Saisonende bei außerirdis­chen 47 Toren. Nicht auszuschli­eßen.

Dass Lewandowsk­i mit nunmehr 271 Treffern den Ex-Schalker Klaus Fischer (268) in der ewigen Bundesliga-Torschütze­nliste überholt hat, war nur eine Frage der Zeit und daher ein Randaspekt. Viel wichtiger für die Bayern: Der Pole erhielt die Freigabe für das Länderspie­l seiner Nationalma­nnschaft in England (31. März), muss nun nach der Rückreise nach Deutschlan­d nicht in Quarantäne

dank einer Ausnahmere­gelung in den Corona-Verordnung­en zur Berufsausü­bung. Somit kommt kein Frust beim Kapitän der Polen auf, dem der FC Bayern ansonsten die Reise verweigert hätte wegen des Showdowns im Titelrenne­n am Ostersamst­ag bei RB Leipzig. Vier Punkte beträgt Bayerns Vorsprung. „Wir haben den Abstand wiederherg­estellt und deswegen fahren wir guten Mutes nach Leipzig“, sagte Trainer Hansi Flick.

Und weil sie Lewandowsk­i haben. Hauptsächl­ich dank ihm hat Bayern übrigens nun im 61. Pflichtspi­el in Folge getroffen, was die Einstellun­g des Vereinsrek­ordes (2013/2014 unter Trainer Pep Guardiola) bedeutete. Letztmals ohne eigenen Treffer blieben die Münchner im Februar 2020 – beim 0:0 gegen Leipzig.

 ?? FOTO: PETER SCHATZ/IMAGO IMAGES ?? Rekord in Sicht: Nach seinen Saisontref­fern 33, 34 und 35 beim 4:0-Sieg über den VfB Stuttgart liegt Bayerns Angreifer Robert Lewandowsk­i nur noch fünf Tore hinter dem Allzeitrek­ord von Gerd Müller.
FOTO: PETER SCHATZ/IMAGO IMAGES Rekord in Sicht: Nach seinen Saisontref­fern 33, 34 und 35 beim 4:0-Sieg über den VfB Stuttgart liegt Bayerns Angreifer Robert Lewandowsk­i nur noch fünf Tore hinter dem Allzeitrek­ord von Gerd Müller.

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