Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Härtere Corona-Maßnahmen bis Mitte April
Die Lage auf den Intensivstationen spitzt sich zu – Schulöffnungen könnten zurückgenommen werden
Wer stirbt?
Das Robert-Koch-Institut gewinnt offenbar zunehmend Erkenntnisse darüber, bei welcher Gruppe die Erkrankung mit Corona des ursprünglichen Typs einen tödlichen Verlauf nimmt. So waren unter den 42 000 Menschen, die nach Meldungen der Gesundheitsämter im Dezember und Januar an und mit Corona verstarben, rund 90 Prozent älter als 70 Jahre. Allerdings lassen sich hier nach Anmerkung des Instituts deutliche Unterschiede je nach Wohlstandsniveau des betroffenen Kreises feststellen. „Der Anstieg der Covid-19-Todesfälle fiel in sozial benachteiligten Regionen Deutschlands am stärksten aus – sowohl bei Männern als auch bei Frauen“, schreiben die Experten des Instituts. So habe die Sterblichkeit in solchen Gegenden um rund 50 bis 70 Prozent höher gelegen als in Regionen, die deutlich wohlhabender seien.
Wer ist geimpft?
Nach Worten von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wurden bisher neun Prozent aller Deutschen mindestens einmal geimpft. „Das sind mehr als 7,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger.“Um das Ergebnis zu erreichen, seien 8,5 Millionen Impfdosen von dem Hersteller Biontech, 410 000 von Moderna und 1,9 Millionen von Astra-Zeneca verwendet worden. Vier Prozent der Menschen haben mit der zweiten Impfung bereits die volle Immunisierung erhalten.
Dass vor allem ältere Menschen geimpft wurden, entspannt die Lage auf den Intensivstationen allerdings nicht merklich, heißt es bei der
Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Auch das RobertKoch-Institut hatte zuvor argumentiert, durch die zunehmende Impfung würden die Patienten auf den Intensivstationen jünger, sie blieben aber auch länger. Am Montag meldete das DIVI mehr als 3000 Fälle auf den Intensivstationen, was etwa dem Spitzenwert entspricht, der in der ersten Welle erreicht wurde. Auf dem Höhepunkt der zweiten Welle im Januar lag diese Zahl bei etwa 5000. Das DIVI verweist allerdings auf Simulationen, die im schlimmsten Fall im April einen Anstieg auf 6000 befürchten lassen. DIVI-Präsident Gernot Max warnt: „Wir erwarten in den nächsten Wochen einen rasanten Anstieg der Patienten, da die Welle der Intensivpatienten immer zwei bis drei Wochen der Infektionswelle nachrollt.“
Was hilft?
Nach Ansicht von Kanzleramt und Ministerpräsidenten sind bis mindestens Mitte April härtere Maßnahmen notwendig, um die Gefahr durch die hochansteckenden Virusvarianten zu bannen und die Zeit bis zur Vollversorgung mit Impfstoff zu überbrücken. „Richtig Tempo aufnehmen wird das Impfen erst Mitte/ Ende April“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der „Welt“. Es sei unvertretbar, bis dahin noch einmal den Tod von bis zu 10000 Menschen in Kauf zu nehmen, indem man nichts tue. „So lange sollten wir im Lockdown bleiben.“
Wie geht es weiter?
Wie diese härteren Maßnahmen ausgestaltet werden, darüber wurde bereits vor der Bund-Länder-Runde am Montag heftig diskutiert. Im Entwurf des Kanzleramtes war davon die Rede, von einer Uhrzeit X bis früh 5 Uhr Ausgangsbeschränkungen zu erlassen. In einigen Bundesländern gelten solche Regelungen bereits ab einer bestimmten Inzidenz. Schon vor der Diskussion regte sich Protest. Die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus kritisierte: „Nächtliche Ausgangsbeschränkungen greifen unverhältnismäßig in den Lebensalltag der Menschen ein und sind auch nicht zielführend in der Pandemiebekämpfung.“Ein Abendspaziergang oder das Gassi gehen mit dem Hund seien keine
Pandemietreiber. Auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich laut „Bild“„skeptisch“zu Ausgangssperren. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) bezeichnete sie gegenüber der „Bild“als „ultima ratio“, als letztes Mittel. „Von Fall zu Fall, in einer Notsituation kann dies notwendig sein.“
Wie wird Ostern?
Ausnahmen für Familientreffen zu ermöglichen. Im Gespräch war ein Vorschlag, vom 2. bis zum 5. April Treffen mit bis zu fünf über den eigenen Hausstand hinausgehenden Personen aus dem engsten Familienkreis sowie deren Kindern unter 14 Jahren zu ermöglichen.
Machen die Schulen wieder zu? Mit Hygienekonzepten und im Wechselunterricht waren deutschlandweit viele Schulen vor wenigen Wochen wieder in den Präsenzunterricht im Klassenraum gestartet. Angesichts der hohen Infektionsraten sind einige Länder davon jedoch schon wieder abgewichen, zuletzt Brandenburg am Montag. Ein Festhalten am Unterricht bei Inzidenzen von mehr als 100 nannte Lehrerverbands-Präsident Heinz-Peter Meidinger „nicht verantwortbar“. Gleichwohl wies die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Britta Ernst (SPD) darauf hin, dass viele Kinder und Jugendliche unter der Pandemiesituation litten. Die Priorität der Kultusminister liege darauf, „die Schulen so lange wie möglich offen zu halten“. Südwest-Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte bereits angekündigt, es sei mit Verschärfungen zu rechnen. Angesichts vieler Ansteckungen in Kitas und Schulen könne es sein, „dass wir da auch was ändern müssen“. Heftig umstritten war ein Vorschlag des Kanzleramtes, Schulen zu schließen, wenn eine Inzidenz von 200 erreicht wird oder keine zwei Schnelltests pro Woche möglich sind.
Was wird aus der „Notbremse“? Das werden die nächsten Tage zeigen – und ob die Länder den Beschluss umsetzen, ab einer Inzidenz von 100 Infizierten auf 100 000 Einwohner Lockerungen zurückzunehmen, etwa das Einkaufen nur mit gebuchtem Termin. Ein Technikmarkt in Nordrhein-Westfalen hatte am Montag erfolgreich dagegen geklagt.
Was wird mit den Schnelltests? Den Bundesländern stehen nach Angaben der Bundesregierung ausreichend Corona-Tests für die kommenden Wochen zur Verfügung. So vermittelte die Taskforce Testlogistik den Ländern abrufbare Kontingente von über 130 Millionen Selbsttests für März und April.