Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Medizin aus dem Bienenstock
Hochschule Albstadt-Sigmaringen findet heraus, dass Kittharz antibakteriell ist
SIGMARINGEN - Wer an Bienen denkt, denkt an Honig. Doch die kleinen, fliegenden Insekten können wesentlich mehr und sind dabei auch noch nützlich für die Menschen. Eines ihrer Produkte, das bisher kaum jemand kennt, ist Propolis, das Kittharz, das sie zum Abdichten ihrer Stöcke verwenden. Aber das ist nicht sein einziger Zweck: Eine Forschungsgruppe der Hochschule Albstadt-Sigmaringen um Prof. Dr. David Drissner hat herausgefunden, dass das Harz antibakteriell ist – und zwar auch bei antibiotikaresistenten Bakterien.
Angefangen hat die Forschung im Sommer vor zwei Jahren. Hobbyimker Drissner, Professor im Bereich Lebensmittel, Ernährung und Hygiene, hat sich damals schon in seinen Seminaren mit Propolis beschäftigt. Gemeinsam mit Studentin Julia Balke startete er ein Forschungsprojekt, um den medizinischen Nutzen von Propolis zu überprüfen. Dabei kooperierten Drissner und Balke mit dem Bezirksimkerverband BalingenGeislingen-Rosenfeld. 20 Bienenvölker dienten zum Abgleich: Zehn befanden sich nahe Balingen an einer Streuobstwiese, die anderen zehn bei Oberschmeien zwischen Rapsfeld und Wald.
Inzwischen hat sich die eigentliche These bestätigt: Propolis ist tatsächlich antibakteriell. Selbst wenn kleinste Mengen Cremes beigemischt werden, wirke das Kittharz. Einfluss auf den Wirkungsgrad habe unter anderem die Vegetation, sagt Drissner. Das Kittharz, das von den Bienen an der Streuobstwiese stammt, sei wirksamer. „Den Zusammenhang erforschen wir noch“, so der Professor. Fest steht auch, dass es im Propolis keine Rückstände von Pflanzenschutzmitteln gibt, die auf den Rapsfeldern angewandt wurden. Nicht zuletzt wirkte sich die Jahreszeit aus. Das Propolis, das im Frühsommer den speziell in den Bienenstock eingesetzten Gittern entnommen wurde, ist stärker als das im
Herbst entnomme Kittharz. Drissners Erklärung nach hängt das zum einen mit der Mehrzahl an Sonnenstunden im Frühsommer zusammen, zum anderen mit den Temperaturunterschieden. „Aber der Standort hat einen größeren Einfluss“, sagt er. Woran das liegt, sei noch offen, das werde weiter untersucht. Obwohl das Projekt von Balke abgeschlossen ist, forscht die Hochschule weiter am Kittharz der Bienen.
Dieses ist inzwischen auch in Drogeriemärkten zu finden, sei es in Kosmetik oder Nahrungsergänzungsmitteln. „Natürliche Produkte sind immer mehr im Trend“, sagt Drissner. Doch das Kittharz stamme überwiegend aus dem Ausland: „Die Nachfrage nach Propolis ist größer als es der deutsche Markt zur Verfügung stellen kann.“Darin liegt ein weiteres Problem, dem Drissner nachgehen möchte. Sein Ziel sei es, mehr regionale Imker von der Propolisgewinnung zu überzeugen. Aus diesem Grund kann er sich auch vorstellen, die Ergebnisse der Forschung, in die zwischenzeitlich sechs Studierende involviert waren, in entsprechenden Magazinen zu veröffentlichen, um mehr Imker zu erreichen.
Im nächsten Schritt gehe es Drissner um die Reproduzierbarkeit – das stellt sich als schwieriger heraus als so mancher erwartet. Als Naturprodukt sei Propolis nicht standardisiert produzierbar, weil sich der Wirkungsgrad je nach Bienenvolk und Standort immer wieder unterscheidet. Was sich Drissner aber vorstellen kann ist, die Einzelsubstanzen aus dem Bienenkittharz in reiner Form zu gewinnen und auf ihre antibakterielle Wirksamkeit zu testen.
Auch die Wirkung gegen multiresistente Krankheitserreger möchte er noch untersuchen. Die Forschung geht also weiter.