Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Zwischen testen und bremsen
Wie zu befürchten war, hat es nicht allzu lange gedauert, bis sich auch im Kreis Ravensburg die Frage nach einer Notbremsung angesichts stark steigender Corona-Neuinfektionen stellt. Am Donnerstag lag die Sieben-Tage-Inzidenz erstmals wieder über dem kritischen Wert von 100. Bleibt das drei Tage in Folge bei diffuser Ansteckungslage so, droht die Rücknahme der Lockerungen im Lockdown. Das bedeutet: Kein Termin-Shopping mehr, weniger private Kontakte, möglicherweise Ausgangssperren. Eine frustrierende Aussicht kurz vor Ostern und mitten hinein in die konfuse Diskussion um verlängerte Ruhetage, Verzicht auf Gottesdienste und Entschuldigungen von der Kanzlerin.
Was tun in dieser Situation, die inzwischen auch die Geduldigsten auf eine harte Probe stellt? Viele Kommunen setzen jetzt auf umfangreiche Teststrategien und wollen das Tübinger Modell übernehmen, das weitgehend freie Bewegung durch einen Tagespass ermöglicht, der ein aktuelles negatives Testergebnis bescheinigt. Ravensburg ist unter den Antragstellern, eine dreistellige Zahl anderer Städte in Baden-Württemberg allerdings auch. Ob sich das Modell ohne Weiteres in die Fläche übertragen lässt, ist fraglich. Ob Ravensburg zum Zuge kommt, noch fraglicher – zumal die Inzidenz in der Stadt selbst inzwischen auch deutlich über 100 liegt. Das sind keine idealen Voraussetzungen. In Ravensburg waren es zuletzt Geschäftsleute, die vorangegangen sind und die Dinge mit der Einrichtung von kostenlosen Testmöglichkeiten selbst in die Hand genommen haben. Da kann die Stadt gerne konkret noch unterstützen. Denn die Nachfrage ist enorm: Eine Kollegin hat für den gesamten Samstag keinen freien Termin mehr bekommen.
Flächendeckende kostenlose Tests sind richtig und wichtig, wenn auch mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Am Zentrum der Berufsschulen fielen am Dienstag elf Schnelltests zunächst positiv aus.
Der PCR-Test ergab dann in mindestens acht Fällen ein negatives Ergebnis. Diese Falschmeldung ist zwar lästig, weil ein paar Dutzend Menschen erst einmal in Quarantäne gewandert sind, aber nicht gefährlich. Andersherum wäre es bitter, wenn von elf negativen Tests acht fehlerhaft und in Wirklichkeit positiv wären. Der Sicherheit dieser Schnellchecks kommt also eine erhebliche Bedeutung zu, denn Menschen werden sich auf das Resultat verlassen und unter Umständen leichtsinnig werden. Laut Robert-Koch-Institut kann man folgendes Rechenbeispiel aufmachen: Geht man davon aus, dass von 10 000 Getesteten 1000 das Coronavirus tragen, dann könnten mindestens 50 dieser Infizierten im Selbsttest fälschlicherweise ein negatives Ergebnis bekommen. Auch bei korrekter Durchführung des Tests sei es also „lediglich weniger wahrscheinlich“, ansteckend zu sein, so das RKI. Zudem sei die Aussagekraft zeitlich begrenzt. Ein negatives Ergebnis ist daher kein Freifahrtschein, die Corona-Regeln zu missachten.
Der Streit um die Corona-Regeln im weiteren Sinne hat in Ravensburg dazu geführt, dass das Klima im Gemeinderat vergiftet ist: In der Causa Dieter Graf liegen sich die Grünen und SPD auf der einen sowie die Bürger für Ravensburg auf der anderen Seite in den Haaren. War die Kassenprüfung bei der Rutenfestkommission nur ein Vorwand, um den umstrittenen RFK-Chef weiter unter Druck zu setzen? Oder umgekehrt: Gilt jetzt grundsätzlich Schwamm drüber, nachdem die Kasse des Vereins sauber geführt ist? Die Diskussion um den Vorsitzenden wird spätestens bei der Mitgliederversammlung wieder geführt werden. Es droht eine Spaltung. In dem viel kritisierten Video, das Graf mit Bodo Schiffmann und Daniel Langhans, führenden Mitgliedern der „Querdenker“zeigt, sagt Schiffmann mit Bezug auf Ravensburg und die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen: „Diese Stadt muss auseinanderbrechen.“Dieter Graf nickt dazu. Einen Bruch hat es nicht gegeben, sehr wohl aber Risse an mehreren Stellen.