Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
In Baindt gestrandete Zirkusfamilie plagt die Ungewissheit
Es ist völlig unklar, wie es für die Familie Sperlich weitergeht
BAINDT - Der Circus Sperlich hat seit Anfang November sein Lager in Baindt aufgeschlagen, da der Lockdown Ende vergangenen Jahres die Familie am Weiterziehen hinderte. Nachdem die Sperlichs kurzfristig auf einer privaten landwirtschaftlichen Wiese unterkamen, stellt nun die Gemeinde seit Anfang Dezember der Familie den Festplatz als Stellplatz kostenlos zur Verfügung.
„Wir sind dankbar, dass uns die Gemeinde den Festplatz angeboten hat. Wir hätten ansonsten nicht gewusst, wohin“, erzählt Jan Sperlich, der gemeinsam mit seiner Frau Tanjela sowie den fünf gemeinsamen Kindern im Alter zwischen 13 und 29 Jahren den Familienzirkus führt. Da sie nach wie vor keine Vorstellungen abhalten dürfen, seien sie immer noch auf Spenden der Bevölkerung angewiesen.
Eine Corona-Hilfe habe der Zirkus nämlich nicht erhalten. „Wir haben uns bei anderen Zirkusfamilien und Betrieben ähnlicher Art umgehört. Diese meinten, dass die Hilfe, wenn überhaupt, nur zum Teil und sehr spät ankomme. Wir haben abwägen müssen. Zum einen haben wir kein Geld für einen Steuerberater, über den der Antrag hätte laufen können, zum anderen brauchen wir das Geld unmittelbar“, erklärt Jan Sperlich.
Die Gemeinde richtete deshalb für die Zirkusfamilie ein Spendenkonto ein. „Für uns war es selbstverständlich, dass wir helfen“, sagt Bürgermeisterin Simone Rürup. Sie sei über die Spendenbereitschaft der Bürger begeistert. „Das Miteinander mit dem Zirkus funktioniert sehr gut“, so Rürup. Sie hoffe für die Familie, dass sie bald wieder ihrer Arbeit nachgehen darf. Bis es so weit sei, dürfe die Familie in Baindt bleiben.
„Ohne die Unterstützung der Bürger und der Gemeinde hätten wir uns nicht über Wasser halten können. Wir sind unendlich dankbar und hoffen, dass wir auch weiterhin Unterstützung
erfahren werden“, sagt Sperlich. Ein anonymer Spender habe sogar 1000 Euro gespendet. Die Löffelmühle bei Bergatreute, die Mönchmühle in Ravensburg und BayWa habe den Zirkus mit Kraftfutterspenden unterstützt. „Ohne diese Hilfen würden wir es nicht schaffen. Neben Futtermittel und Einstreu für die Tiere, Lebensmittel, Strom und Wasser fallen gerade
Anfang des Jahres noch weitere Kosten an wie Versicherungen oder der TÜV für das Zelt. Wir wissen zum Teil noch nicht, wie wir manche Rechnungen begleichen sollen. Unser größtes Anliegen ist aber, dass unsere Tiere gut versorgt sind“, so Sperlich. Diese seien übrigens gut durch die kalte Jahreszeit gekommen, da Kamele und Lamas relativ kälteunempfindlich seien.
Neben den finanziellen Sorgen beschäftige die Familie aber auch die zunehmende psychische Belastung. „Das Schlimmste für uns ist das Ungewisse. Wir haben derzeit noch keine Informationen darüber, wann und in welcher Form wir wieder Vorstellungen geben dürfen. Das Hygienekonzept steht, Abstand kann eingehalten werden, wenn das Wetter mitmacht, könnten wir auch im Freien unsere Show improvisieren“, so Sperlich. Die Familie sei es nicht gewohnt, so lange an einem Ort zu bleiben. „Wir ziehen schon unser ganzes Leben lang von Ort zu Ort. Wir Zirkusmenschen brauchen das“, erklärt Sperlich. Die Perspektivlosigkeit sei hart, die Familie könne derzeit nichts planen. „Man kann leicht den Mut verlieren, aber wir klammern uns an alle positiven Neuigkeiten. Ein Lichtblick ist, dass nun Friseure, Bau- und Gartenmärkte wieder öffnen durften. Wir hoffen, dass vielleicht auch wir in absehbarer Zeit wieder loslegen dürfen“, so Sperlich optimistisch.