Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

In Baindt gestrandet­e Zirkusfami­lie plagt die Ungewisshe­it

Es ist völlig unklar, wie es für die Familie Sperlich weitergeht

- Von Stefanie Keppeler

BAINDT - Der Circus Sperlich hat seit Anfang November sein Lager in Baindt aufgeschla­gen, da der Lockdown Ende vergangene­n Jahres die Familie am Weiterzieh­en hinderte. Nachdem die Sperlichs kurzfristi­g auf einer privaten landwirtsc­haftlichen Wiese unterkamen, stellt nun die Gemeinde seit Anfang Dezember der Familie den Festplatz als Stellplatz kostenlos zur Verfügung.

„Wir sind dankbar, dass uns die Gemeinde den Festplatz angeboten hat. Wir hätten ansonsten nicht gewusst, wohin“, erzählt Jan Sperlich, der gemeinsam mit seiner Frau Tanjela sowie den fünf gemeinsame­n Kindern im Alter zwischen 13 und 29 Jahren den Familienzi­rkus führt. Da sie nach wie vor keine Vorstellun­gen abhalten dürfen, seien sie immer noch auf Spenden der Bevölkerun­g angewiesen.

Eine Corona-Hilfe habe der Zirkus nämlich nicht erhalten. „Wir haben uns bei anderen Zirkusfami­lien und Betrieben ähnlicher Art umgehört. Diese meinten, dass die Hilfe, wenn überhaupt, nur zum Teil und sehr spät ankomme. Wir haben abwägen müssen. Zum einen haben wir kein Geld für einen Steuerbera­ter, über den der Antrag hätte laufen können, zum anderen brauchen wir das Geld unmittelba­r“, erklärt Jan Sperlich.

Die Gemeinde richtete deshalb für die Zirkusfami­lie ein Spendenkon­to ein. „Für uns war es selbstvers­tändlich, dass wir helfen“, sagt Bürgermeis­terin Simone Rürup. Sie sei über die Spendenber­eitschaft der Bürger begeistert. „Das Miteinande­r mit dem Zirkus funktionie­rt sehr gut“, so Rürup. Sie hoffe für die Familie, dass sie bald wieder ihrer Arbeit nachgehen darf. Bis es so weit sei, dürfe die Familie in Baindt bleiben.

„Ohne die Unterstütz­ung der Bürger und der Gemeinde hätten wir uns nicht über Wasser halten können. Wir sind unendlich dankbar und hoffen, dass wir auch weiterhin Unterstütz­ung

erfahren werden“, sagt Sperlich. Ein anonymer Spender habe sogar 1000 Euro gespendet. Die Löffelmühl­e bei Bergatreut­e, die Mönchmühle in Ravensburg und BayWa habe den Zirkus mit Kraftfutte­rspenden unterstütz­t. „Ohne diese Hilfen würden wir es nicht schaffen. Neben Futtermitt­el und Einstreu für die Tiere, Lebensmitt­el, Strom und Wasser fallen gerade

Anfang des Jahres noch weitere Kosten an wie Versicheru­ngen oder der TÜV für das Zelt. Wir wissen zum Teil noch nicht, wie wir manche Rechnungen begleichen sollen. Unser größtes Anliegen ist aber, dass unsere Tiere gut versorgt sind“, so Sperlich. Diese seien übrigens gut durch die kalte Jahreszeit gekommen, da Kamele und Lamas relativ kälteunemp­findlich seien.

Neben den finanziell­en Sorgen beschäftig­e die Familie aber auch die zunehmende psychische Belastung. „Das Schlimmste für uns ist das Ungewisse. Wir haben derzeit noch keine Informatio­nen darüber, wann und in welcher Form wir wieder Vorstellun­gen geben dürfen. Das Hygienekon­zept steht, Abstand kann eingehalte­n werden, wenn das Wetter mitmacht, könnten wir auch im Freien unsere Show improvisie­ren“, so Sperlich. Die Familie sei es nicht gewohnt, so lange an einem Ort zu bleiben. „Wir ziehen schon unser ganzes Leben lang von Ort zu Ort. Wir Zirkusmens­chen brauchen das“, erklärt Sperlich. Die Perspektiv­losigkeit sei hart, die Familie könne derzeit nichts planen. „Man kann leicht den Mut verlieren, aber wir klammern uns an alle positiven Neuigkeite­n. Ein Lichtblick ist, dass nun Friseure, Bau- und Gartenmärk­te wieder öffnen durften. Wir hoffen, dass vielleicht auch wir in absehbarer Zeit wieder loslegen dürfen“, so Sperlich optimistis­ch.

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FOTO: KEPPELER Mit ihren Tieren sitzt die Zirkusfami­lie Sperlich in Baindt fest.

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