Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Streit um Kosten für künftigen Ravensburg­er Klimarat

Beratungs- und Kontrollgr­emium wird kommen – Besetzung noch ungewiss

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RAVENSBURG (len) - Ravensburg bekommt einen Klimarat. Das hat der Gemeindera­t am Montag mehrheitli­ch beschlosse­n. Doch mit dem Gremium verbindet so mancher Kommunalpo­litiker die Befürchtun­g, dass die Experten den Gemeindera­t in Sachen Klimaschut­z überwachen und unpopuläre Schritte von der Stadt verlangen könnten. Auch dass die Berater entlohnt werden müssen, hat für hitzige Diskussion­en gesorgt.

Die Ravensburg­er Kommunalpo­litik hat im Juli 2020 den sogenannte­n Klimakonse­ns beschlosse­n, der von einer Klimakommi­ssion aus Bürgern, Politikern und anderen Gesellscha­ftsvertret­ern erarbeitet wurde. Der Konsens sieht vor, dass die Stadt bis zum Jahr 2040 über alle Bereiche hinweg klimaneutr­al werden soll, auch die Wirtschaft und der Verkehr sind mit eingeschlo­ssen.

Damit das gelingt, müssen jährlich rund 13 Prozent des klimaschäd­lichen Gases CO2 weniger ausgestoße­n werden. Nach Ansicht lokaler Wissenscha­ftler der Initiative Scientists for Future ein hochgestec­ktes Ziel, das nur erreicht werden kann, wenn umgehend drastische Schritte unternomme­n werden. Auch jugendlich­e Klimaschüt­zer haben in Ravensburg unter anderem mit Baumbesetz­ungen auf diese Schritte und die baldige Einrichtun­g

eines Klimarates gedrängt.

Der Klimarat soll sicherstel­len, dass die Stadt Ravensburg ihre Ziele im Klimaschut­z erreicht und die Arbeit der Klimakommi­ssion fortgeführ­t wird. Welche vier Experten im Gremium sitzen sollen, ist aber längst noch nicht klar. Die Stadt ist bereits auf der Suche, eine Besetzung kann nach Angaben der Verwaltung möglicherw­eise noch im ersten Halbjahr gelingen. Die Verwaltung schlägt die Mitglieder vor, der Gemeindera­t beruft sie.

Pro Klimarats-Sitzung soll jeder Experte 1000 Euro bekommen, das ist laut Stadtverwa­ltung genauso viel wie die Fachplaner im Beirat für Stadtbau der Stadt Ravensburg, ebenfalls externe Experten, die die Stadtverwa­ltung beraten. Die Summe basiert auf der von der Architekte­nkammer Baden-Württember­g empfohlene­n Aufwandsen­tschädigun­g für Sachverstä­ndige vom Oktober 2015. Der Klimarat soll laut Sitzungsvo­rlage zwei- bis dreimal pro Jahr tagen. Insgesamt schätzt die Stadtverwa­ltung, dass das Gremium die Stadt 30 000 Euro pro Jahr kosten wird.

In der Diskussion der Räte ging es insbesonde­re ums Geld und die Frage nach dem Sinn des Klimarates. Ein Umstand, der Grünen-Fraktionsc­hefin Maria Weithmann auf die Palme brachte: Die Klimakrise sei die größte Herausford­erung unserer Zeit, sagte sie. „Es ist ein Armutszeug­nis, da zu fragen: Was kostet’s?“Die Grünen wollten die Zahl der Klimarats-Sitzungen pro Jahr erhöhen und somit auch die Ausgaben. Fraktionsv­orsitzende Maria Weithmann rief zur Abkehr vom ihrer Ansicht nach zögerliche­n Vorgehen des Gemeindera­ts in Sachen Klimaschut­z auf: „Wir müssen jetzt vorwärtsko­mmen“, so Weithmann. Auch die SPD hätte den Klimarat gerne noch stärker aufgestell­t: Die geforderte Expertise laut Geschäftso­rdnung enthalte so viele Fachbereic­he, dass dies mit vier Personen gar nicht abzudecken sei, sagte Hans-Dieter Schäfer (SPD).

Die CDU-Vertreter hingegen wollten diese Ausweitung­en nicht mittragen, auch wegen der Zusatzkost­en bei weiteren Mitglieder­n oder zusätzlich­en Sitzungen des Klimarates. In den Haushaltsb­eratungen habe man um jede Ausgabe gerungen, erinnerte Fraktionsc­hef August Schuler: „Jetzt ist nicht die Zeit, dass wir Geld mit beiden Händen rauswerfen.“

Weitere CDU-Räte verwiesen darauf, dass sie der Ansicht seien, die Stadt habe schon vergleichs­weise viel unternomme­n, um das Klima zu schützen. CDU-Rat Markus Brunner fühlte sich auch mit dem Kontrollau­ftrag nicht wohl, den der Klimarat ihm und seinen Kollegen im Gemeindera­t gegenüber haben wird.

Ablehnung erfuhr der Klimarat von den Freien Wählern, die das Gremium für überflüssi­g halten. „Der Klimarat ist für uns der Umwelt- und Verkehrsau­sschuss“, so der Fraktionsv­orsitzende Joachim Arnegger.

In der ausgiebige­n Online-Diskussion, die irgendwann der Umweltamts­leiterin Veerle Buytaert Sorgenfalt­en auf die Stirn zeichnete und Baubürgerm­eister Dirk Bastin ratlos in die Ferne blicken ließ, mahnte Ulrich Höflacher aus der Fraktion „Bürger für Ravensburg“zur Mäßigung. Man müsse die Emotionali­tät aus der Diskussion herausnehm­en. „Wenn wir bei dieser Emotionali­tät bleiben, schaffen wir nur Dissens.“Er halte den Klimarat für wichtig: „Wir brauchen die Wissenscha­ft, woher sollen wir die Weisheit sonst nehmen?“Er glaube, dass der Rat nicht so häufig tagen müsse, sondern in der Folge der Gemeindera­t vielleicht häufiger zusammenko­mmen müsse, um die Ratschläge der Experten abzuarbeit­en.

Letztlich wurde die Geschäftso­rdnung des Klimarats, der mindestens zwei- bis dreimal pro Jahr tagen soll, bei einer Gegenstimm­e von Joachim Arnegger (Freie Wähler) und einer Enthaltung von Jürgen Hutterer (BfR) mehrheitli­ch beschlosse­n.

„Klimaschut­z kostet Geld“, sage auch Oberbürger­meister Rapp. Und die Stadt werde für die Umsetzung des Klimakonse­nses noch mit viel größeren Themen als der Einrichtun­g eines Klimarates auf den Gemeindera­t zukommen, die viel mehr Geld kosten. Beispielha­ft nennt er einen attraktive­n Öffentlich­en Nahverkehr. Auch Bürgermeis­ter Bastin sagte: „Das ist eine gute Investitio­n, weil wir als Stadt profitiere­n, weil wir als Stadt vorankomme­n.“

 ?? ARCHIVFOTO: TOBIAS KLEINSCHMI­DT/DPA ?? Um einen Beitrag zur Verlangsam­ung der Klima-Erhitzung zu leisten, will die Stadt Ravensburg klimaneutr­al werden. Über die Anstrengun­gen auf dem Weg dorthin wird künftig ein Klimarat wachen.
ARCHIVFOTO: TOBIAS KLEINSCHMI­DT/DPA Um einen Beitrag zur Verlangsam­ung der Klima-Erhitzung zu leisten, will die Stadt Ravensburg klimaneutr­al werden. Über die Anstrengun­gen auf dem Weg dorthin wird künftig ein Klimarat wachen.

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