Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wenn Kinder zu Nacktfotos verleitet werden
Fälle von Kinderpornografie nehmen auch in Memmingen und dem Unterallgäu zu
MEMMINGEN/UNTERALLGÄU - Neben Kindesmissbrauch hat der Bundestag in der vergangenen Woche auch Kinderpornografie als Verbrechen eingestuft. Damit liegt das Strafmaß stets bei mindestens einem Jahr – egal, ob es um den Besitz, die Verbreitung oder die Herstellung geht. Auch in Memmingen und dem Unterallgäu nehmen die Fälle zu.
So durchsuchten Memminger Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft insgesamt acht Wohnungen in der Region wegen des Verdachts des Besitzes und der Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie. Bei den Tatverdächtigen handelt es sich um Männer zwischen 15 und 52 Jahren. Die Beamten beschlagnahmten Mobiltelefone, Laptops, Computer und andere Datenträger, die nun ausgewertet werden.
„Dieser Problematik sind sich Kinder und Jugendliche oft nicht bewusst“, sagt Memmingens Kripo-Chef Thorsten Ritter. Gerade in Chatgruppen mit vielen Mitgliedern, die sich untereinander nicht kennen, bestehe die Gefahr, auch unbeabsichtigt solche Dateien zu erhalten, die man eigentlich nicht bekommen möchte. Die vermeintliche Anonymität verleitet in Teilen dazu, Inhalte ohne eine überlegte Bewertung an Dritte weiterzuleiten – nach dem Motto: „Hauptsache, ich bin der Erste“. Doch schon der Besitz von Kinderpornografie oder rechtsradikalen Inhalten ist strafbar.
Zwar werden Kinder unter 14 Jahren strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen, doch auch hier werden Handys, Computer oder auch internettaugliche Spielkonsolen von der Polizei sichergestellt und in aller Regel einbehalten, sodass die Betroffenen diese
Geräte nicht mehr zurückerhalten. Durch die Auswertung einzelner Geräte gelangen die Fahnder oft zu Hunderten weiteren Betroffenen. Das sind mutmaßliche Täter, aber auch die oft Opfer, die hinter jedem Bild und jedem Video stehen. Die Opfer stellt KripoChef Ritter besonders in den Fokus: „Sie sind oft naiv und vertrauensselig und lassen sich vor Kameras zu Handlungen verleiten, die dann für immer und weltweit durchs Netz schwirren“, sagt der Polizist. Diese Unbefangenheit würden die männlichen, meist erwachsenen pädophilen Täter schamlos ausnutzen, indem sie sich in OnlinePortalen als Kinder oder Jugendliche – oft auch Mädchen – ausgeben und sich so das Vertrauen ihrer Opfer soweit erschleichen, dass diese sich sogar ausziehen und sexuelle Handlungen an sich vornehmen. „Der sorglose Umgang vor allem mit dem Smartphone ist ein großes Problem“, betont Ritter.
Er sieht auch die Schulen, aber besonders die Eltern in der Verantwortung und will sie mehr in die Pflicht nehmen. „Sobald Eltern ihren Kindern Zugang zur digitalen Welt ermöglichen, ist die Vorbereitung auf den Umgang damit eine Erziehungsaufgabe, die Konsequenz und Beharrlichkeit erfordert.“Wichtig sei, Interesse zu zeigen, aber die Gefahren zu thematisieren. Und den Kindern klarzumachen, dass sie Fremden keine Bilder von sich schicken. „Sorgen Sie dafür, dass problematische Bilder und Videos sofort gelöscht werden, und informieren Sie beim Erhalt strafbarer Inhalte die Polizei“, bittet Ritter die Eltern. Sein Tipp: Bestimmte thematische Bereiche können die Eltern auf den Handys ihrer Kinder mit speziellen JugendschutzApps sperren. Die Polizei bietet bei der Prävention gerne ihre Hilfe an.