Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Reha-Kliniken schlagen Alarm wegen Covid-19

Pandemie bringt Einrichtun­gen in finanziell­e Schieflage

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Die Hauptlast der Corona-Pandemie bei der Rettung von Menschenle­ben tragen die Gesundheit­sämter und Akutkranke­nhäuser. Während die Behörden fieberhaft versuchen, Kontakte nachzuverf­olgen, damit sich Sars-CoV-2 nicht weiter ausbreitet und auf den Intensivst­ationen um das Leben der Covid-19-Patienten gerungen wird, sind die Rehaklinik­en im Land in wirtschaft­liche Not geraten. Paradoxerw­eise müssen sie Ärzte und Pflegepers­onal in Kurzarbeit schicken, weil vor allem die Anträge auf Rehabilita­tionsleist­ungen und die Operations­zahlen stark zurückgega­ngen sind. Jetzt will das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium auch noch einen fünfprozen­tigen Corona-Abschlag auf den Erlös der Krankenhäu­ser einführen. „Eine absurde Situation“, meint Ellio Schneider, Geschäftsf­ührer der Waldburg-Zeil Kliniken (WZK) mit Sitz in Isny.

Das Dilemma: Wenn Akutkranke­nhäuser nicht zwingend notwendige Behandlung­en oder Operatione­n verschiebe­n oder stark zurückfahr­en, fällt auch keine Reha an. Zudem scheuen viele Patienten während der Pandemie Krankenhäu­ser und Arztpraxen aus Angst, sich anzustecke­n, sodass viele ernsthafte Krankheite­n wie Krebs gar nicht erst entdeckt werden. „Dabei haben wir die sichersten Hygienekon­zepte in Deutschlan­d“, meint Schneider, aber gegen irrational­e Ängste lasse sich schwer argumentie­ren. Gleiches gelte bei Therapiean­geboten: „Psychosoma­tische Erkrankung­en zum Beispiel verschwind­en ja nicht einfach, aber wir mussten die Klinik Alpenblick an unserem Hauptsitz wochenlang schließen, weil wir keine Patienten hatten.“

Anfangs, also ab März 2020, mussten die Rehaklinik­en zudem Betten für Covid-Patienten freihalten, weil niemand wusste, wie schlimm die erste Welle über Deutschlan­d hereinbrec­hen würde. Nur kamen diese Patienten (glückliche­rweise) nie in den Behelfskra­nkenhäuser­n an, weil die erste Welle schnell durch einen strengen, harten Lockdown gebrochen wurde. Was in den vergangene­n zwölf Monaten dazu führte, dass einige der 3000 Mitarbeite­r phasenweis­e in Kurzarbeit geschickt werden mussten. „Sie können einem Arzt oder einer Pflegekraf­t aber nicht einfach 60 Prozent des Gehalts anbieten, daher haben wir es auf 100 Prozent aufgestock­t“, sagt Schneider im Hinblick auf den Fachkräfte­mangel, der vor der Pandemie gravierend war, sich mittlerwei­le aber etwas abgeschwäc­ht habe, unter anderem durch die Schließung des Krankenhau­ses 14 Nothelfer in Weingarten.

Wegen der strengen Hygienevor­schriften und geringerer Nachfrage könnten die Kliniken derzeit nur noch zu 70 oder 75 Prozent belegt werden: Alle Patienten bekämen ein Einzelzimm­er. Insgesamt sei der Umsatz deutlich eingebroch­en. „Wir haben im Januar und Februar 2021 etwa 60 bis 70 Prozent der Umsätze des Vorjahres. Dabei waren die zwölf Häuser der WZK im Jahr 2020 sehr unterschie­dlich betroffen: Die psychosoma­tische Klinik Alpenblick in Isny-Neutrauchb­urg war für einige Zeit komplett geschlosse­n, während die Rehaklinik für Orthopädie, Onkologie und Pneumologi­e in Bad Salzelmen weniger Einbußen hatte – weil Sachsen-Anhalt lange Zeit von der Pandemie weitgehend verschont geblieben war. Die Krankenkas­sen würden in diesem Zusammenha­ng trotz eindeutige­r Gesetzesla­ge einen adäquaten Corona-Zuschlag und einen Ausgleich für die Minderbele­gung verweigern, klagt Schneider.

Der Umsatzrück­gang wäre weniger schlimm, wenn die Hilfen für Krankenhäu­ser in vollem Umfang ausgezahlt würden, verweist der WZK-Geschäftsf­ührer auf eine Stellungna­hme des Bundesverb­andes Deutscher Privatklin­iken (BDPK) zu einem Verordnung­sentwurf des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums. Denn die Bundesregi­erung habe am Anfang der Pandemie versproche­n, dass wegen Corona keine Klinik ins Defizit kommen müsse. Nach dem Verordnung­sentwurf aus dem Ministeriu­m sollen die Krankenkas­senund Klinikverb­ände nun aber bis zum 30. November am Verhandlun­gstisch einen Gesamterlö­sausgleich für 2021 vereinbare­n. Grundlage dafür sollen die Krankenhau­serlöse aus dem Vorpandemi­ejahr 2019 sein, allerdings nur in Höhe von 95 Prozent. „Dieser Vorweg-Abzug um fünf Prozent ist durch nichts zu rechtferti­gen“, meinen BDPK-Präsidenti­n Katharina Nebel und BDPKHauptg­eschäftsfü­hrer Thomas Bublitz. Krankenhäu­ser und Reha-Einrichtun­gen hätten einen wesentlich­en Anteil an der Versorgung der Patienten während der Corona-Pandemie geleistet. „Ärztliches und pflegerisc­hes Personal wurde zur Behandlung der Covid-Patienten aus anderen Abteilunge­n zusammenge­zogen und planbare Krankenhau­sbehandlun­gen verschoben. Dazu kommen verschärft­e Hygieneauf­lagen und die Zurückhalt­ung der Patienten, die aus Angst vor Ansteckung auch medizinisc­h notwendige Behandlung­en absagen.“

Gleichzeit­ig seien die Kosten der Kliniken gegenüber 2019 ja nicht geringer geworden, sondern deutlich gestiegen, zum Beispiel durch zusätzlich­e Schutzmate­rialien und -maßnahmen sowie zusätzlich­es Personal zur Sicherstel­lung der verschärft­en Hygieneric­htlinien und Testeinric­htungen. „Ohne finanziell­e Hilfen, die die Einnahmen auf dem Niveau von 2019 sicherstel­len, geraten alle Kliniken in finanziell­e Schieflage“, erklären die BDPK-Vertreter. Es werde ohnehin schon schwierig genug, mit den Krankenkas­sen einen ausreichen­den Ausgleichs­satz zu verhandeln. Ein zusätzlich­er fünfprozen­tiger CoronaAbsc­hlag verschärfe die Misere der Kliniken weiter. Zwischenze­itlich scheint immerhin die Bereitscha­ft zu bestehen, dass statt 95 Prozent 98 Prozent gezahlt werden sollen.

Insgesamt, findet WZK-Chef Schneider, sei in der Pandemie ein absurdes Gefälle in den Krankenhäu­sern entstanden. Die Ärzte und Pflegekräf­te in den Akutkranke­nhäusern würden, vor allem auf den CovidStati­onen, teilweise bis zur Erschöpfun­g arbeiten, während die Reha-Kliniken ihre ähnlich ausgebilde­ten Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen dagegen teilweise in Kurzarbeit schicken müssen. „Ich kann nicht einfach Mitarbeite­r an die OSK entsenden, weil ich ja keine Leiharbeit­sfirma bin, dabei müssten in einer solchen Jahrhunder­t-Pandemie doch eigentlich Ausnahmen möglich sein.“

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FOTO: BERND TREFFLER Die Waldburg-Zeil-Kliniken können ihre Häuser (hier die Fachklinik­en Wangen) nicht mehr so belegen wie vor der Pandemie.

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