Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Hausärzte bekommen vorerst nur wenig Impfstoff
Warum dennoch Grund zum Optimismus besteht
RAVENSBURG - Die Hausärzte im Kreis Ravensburg haben damit begonnen, ihre Patienten gegen Covid-19 zu impfen. Die ersten Lieferungen seien am Mittwoch eingetroffen, sagt der Vorsitzende der Kreisärzteschaft Ravensburg, Hans Bürger. Doch wer ist zuerst an der Reihe?
Bei Bürger, der mit seiner Frau eine Landarztpraxis in Vogt betreibt, sind es die bettlägerigen Menschen: also Hochbetagte, die zuhause leben, aber nicht mehr mobil genug seien, um ins Kreisimpfzentrum nach Ravensburg zu fahren. „Ich mache am Donnerstag einen Hausbesuchstag bei den Impflingen“, sagt Bürger auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Es seien viele Menschen mit über 80 Jahren im Landkreis immer noch nicht geimpft. Bürger und seine Frau haben am Mittwoch nur drei Ampullen mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer geliefert bekommen, daraus lassen sich 18 Dosen gewinnen. Bestellt hatten sie fürs erste eigentlich hundert. „Wenn’s bei den drei Fläschle bleibt, brauchen wir sehr lange“, meint der Kreisärztechef. „Aber die nächste Charge ist schon angekündigt.“
Es sei bei den meisten Hausarztpraxen zwecklos und auch kontraproduktiv, wenn dort nun jeder Patient anrufen würde, um zu erklären, warum er oder sie eigentlich jetzt schon geimpft werden müsste. „Wir haben eine Liste erstellt, nicht nach Alphabet, sondern strikt nach Alter, und melden und selbst bei den Patienten“, erklärt Bürger die Vorgehensweise. Die Ärzte dürften dabei im Einzelfall entscheiden, auch jüngere Menschen mit schweren Vorerkrankungen zu impfen. „Aber natürlich nicht meinen besten Freund.“
Bürger hält die strenge Priorisierung in Deutschland nach Alter für richtig. So seien die Todeszahlen in den Altersheimen deutlich zurückgegangen, und erst wenn die Über-80-Jährigen alle geimpft seien, kämen bei ihm die jüngeren Patienten dran. Falls dann im April/Mai tatsächlich sehr viel mehr Dosen geliefert würden als bislang, könnte sich die angespannte Situation schnell verbessern, glaubt er an ein rasches Ende der Pandemie, wenn erst genug Impfstoff fließt. Da nach wie vor nicht geklärt sei, ob Geimpfte das Virus übertragen können, hält er es aber noch für einige Zeit für notwendig, dass die Menschen weiter Masken tragen und Abstände einhalten.
Wie in den Häusern der Oberschwabenklinik beobachten die Hausärzte, dass die britische Mutante, die mittlerweile 90 Prozent aller Infektionen mit Sars-CoV-2 ausmache, auch jüngere Menschen schwer erwischen kann. Bürger, der selbst vor einem Jahr schwer an Corona erkrankte und mittlerweile geimpft ist, macht nun häufiger Hausbesuche bei Erkrankten. Fälle von „Long Covid“, also Langzeitfolgen nach überstandener Infektion, seien hingegen noch selten in seiner Praxis. „Aber es gibt sie. Leute, die ständig müde sind oder immer noch Luftnot haben und nur ganz langsam wieder ins Arbeitsleben eingegliedert werden können.“