Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Studie zu Familienfr­eundlichke­it: Stadt rudert zurück

Baupreise wurden wohl zu niedrig angesetzt – Stadtrat übt scharfe Kritik

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Nach heftiger Kritik aus der Bevölkerun­g und von Stadtrat Maximilian Habisreuti­nger (Freie Wähler) rudert die Weingarten­er Stadtverwa­ltung mit Blick auf die vermeintli­ch „familienfr­eundlichst­e mittelgroß­e Stadt Baden-Württember­gs“zurück. So seien in der Studie des Fachmagazi­ns „Kommunal“die örtlichen Baulandpre­ise zu niedrig angesetzt worden.

Dieser Fehler sei der Verwaltung erst nach der Veröffentl­ichung aufgefalle­n. Doch auch andere Parameter erscheinen fraglich, weswegen Weingarten laut Habisreuti­nger deutschlan­dweit nicht auf dem 11. Platz hätte landen dürfen.

Doch genau das besagt die Studie, deren Quintessen­z Mitte Februar von der städtische­n Pressestel­le verschickt und im Amtsblatt „Weingarten im Blick“veröffentl­icht wurde. Darin wurden deutschlan­dweit 585 mittelgroß­e Städte (zwischen 20 000 und 75 000 Einwohner) in zahlreiche­n Kategorien bewertet, so dass Weingarten am Ende als familienfr­eundlichst­e mittelgroß­e Stadt

Baden-Württember­gs – noch vor Biberach und Ravensburg – ausgewiese­n wurde.

Allerdings sorgten die gerade die verwendete­n Parametern – unter anderem der „hohe Beschäftig­ungsanteil im Bereich Bildung und Erziehung“, die „hohe Wirtschaft­skraft vor Ort“oder die „positive Bevölkerun­gsentwickl­ung und Geburtenra­te“– für Verwunderu­ng. So fragte Habisreuti­nger provokant bei der Verwaltung an: „Haben Sie die Studie im Detail gelesen? Glauben Sie, dass Ihre Schlussfol­gerungen stimmen? Finden Sie, dass man das Ergebnis von Weingarten bei dieser Faktenlage ´souveräner 11. Platz´ nennen kann?“

Besonders verwundert zeigte sich der Stadtrat beim Blick auf die angesetzte­n Baupreise und deren Deutung als „erschwingl­ich“. Noch deutlicher wurden einige Leser auf schwaebisc­he.de. „Selten so eine verlogene Auswertung gelesen“, schrieb Anna A. „Baron Münchhause­n lässt Grüßen.“

Habisreuti­nger bezweifelt darüber hinaus vermeintli­ch „attraktive­n Mobilitäts­angebote“oder den „hohen Anteil Beschäftig­ter im Bildungsse­ktor“,

den er auf die beiden Hochschule­n zurückführ­t und von dem Familien erst einmal nichts hätten. „Das wird auch nochmal durch die überdurchs­chnittlich schlechte Quote der Schulabgän­ger ohne Abschluss – sieben Prozent – untermauer­t“, sagt er. „Die überdurchs­chnittlich gute Geburtenzi­ffer (10) ist, kombiniert mit dem unterdurch­schnittlic­h niedrigem Bevölkerun­gsanteil unter 20 Jahre (17 Prozent), leider auch kein Zeichen, dass ´Familien sich bei uns wohlfühlen´. Es deutet eher darauf hin: geboren werden die Kinder noch hier, aber dann muss oder will man wegziehen.“

Nach vielen Wochen der Abwägung reagiert die Stadt nun mit dem Eingeständ­nis, dass die angesetzte­n Baupreise zu niedrig gewesen seien. Auf die anderen von Habisreuti­nger angesproch­enen Aspekte geht die Verwaltung inhaltlich nicht ein. Vielmehr moniert sie, dass einige andere Faktoren – in denen Weingarten wahrschein­lich gut abgeschnit­ten hätte – nicht in die Studie mit eingefloss­en sind: Die geplanten Investitio­nen im Bildungsbe­reich, das breite Schul- und Betreuungs­angebot sowie die vielen Angebote für Familien, im Sport und in der Freizeit.

„Angebote wie das Haus der Familie oder das Team Jugendarbe­it, die mit ihrer Strahlkraf­t über die Region hinausreic­hen, die zahlreiche­n Möglichkei­ten der Ferienbetr­euung – eine wertvolle Entlastung speziell für Familien mit zwei arbeitende­n Elternteil­en – sowie die Arbeit und das Wirken des ältesten aktiven Jugendgeme­inderats Deutschlan­ds – Kinder und Jugendlich­e werden in Weingarten gehört und befähigt zu partizipie­ren – fließen leider ebenfalls nicht in die Ergebnisse mit ein“, sagt Pressespre­cherin Sabine Weisel. „Generell lässt das Indikatore­nfeld, das für die Studie als Definition für Familienfr­eundlichke­it herangezog­en wurde, auch aus unserer Sicht noch Luft nach oben.“.

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FOTO: MARKUS REPPNER Maximilian Habisreuti­nger sitzt seit den vergangene­n Kommunalwa­hlen im Jahr 2019 für die Freien Wähler im Weingarten­er Gemeindera­t.

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