Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Studie zu Familienfreundlichkeit: Stadt rudert zurück
Baupreise wurden wohl zu niedrig angesetzt – Stadtrat übt scharfe Kritik
WEINGARTEN - Nach heftiger Kritik aus der Bevölkerung und von Stadtrat Maximilian Habisreutinger (Freie Wähler) rudert die Weingartener Stadtverwaltung mit Blick auf die vermeintlich „familienfreundlichste mittelgroße Stadt Baden-Württembergs“zurück. So seien in der Studie des Fachmagazins „Kommunal“die örtlichen Baulandpreise zu niedrig angesetzt worden.
Dieser Fehler sei der Verwaltung erst nach der Veröffentlichung aufgefallen. Doch auch andere Parameter erscheinen fraglich, weswegen Weingarten laut Habisreutinger deutschlandweit nicht auf dem 11. Platz hätte landen dürfen.
Doch genau das besagt die Studie, deren Quintessenz Mitte Februar von der städtischen Pressestelle verschickt und im Amtsblatt „Weingarten im Blick“veröffentlicht wurde. Darin wurden deutschlandweit 585 mittelgroße Städte (zwischen 20 000 und 75 000 Einwohner) in zahlreichen Kategorien bewertet, so dass Weingarten am Ende als familienfreundlichste mittelgroße Stadt
Baden-Württembergs – noch vor Biberach und Ravensburg – ausgewiesen wurde.
Allerdings sorgten die gerade die verwendeten Parametern – unter anderem der „hohe Beschäftigungsanteil im Bereich Bildung und Erziehung“, die „hohe Wirtschaftskraft vor Ort“oder die „positive Bevölkerungsentwicklung und Geburtenrate“– für Verwunderung. So fragte Habisreutinger provokant bei der Verwaltung an: „Haben Sie die Studie im Detail gelesen? Glauben Sie, dass Ihre Schlussfolgerungen stimmen? Finden Sie, dass man das Ergebnis von Weingarten bei dieser Faktenlage ´souveräner 11. Platz´ nennen kann?“
Besonders verwundert zeigte sich der Stadtrat beim Blick auf die angesetzten Baupreise und deren Deutung als „erschwinglich“. Noch deutlicher wurden einige Leser auf schwaebische.de. „Selten so eine verlogene Auswertung gelesen“, schrieb Anna A. „Baron Münchhausen lässt Grüßen.“
Habisreutinger bezweifelt darüber hinaus vermeintlich „attraktiven Mobilitätsangebote“oder den „hohen Anteil Beschäftigter im Bildungssektor“,
den er auf die beiden Hochschulen zurückführt und von dem Familien erst einmal nichts hätten. „Das wird auch nochmal durch die überdurchschnittlich schlechte Quote der Schulabgänger ohne Abschluss – sieben Prozent – untermauert“, sagt er. „Die überdurchschnittlich gute Geburtenziffer (10) ist, kombiniert mit dem unterdurchschnittlich niedrigem Bevölkerungsanteil unter 20 Jahre (17 Prozent), leider auch kein Zeichen, dass ´Familien sich bei uns wohlfühlen´. Es deutet eher darauf hin: geboren werden die Kinder noch hier, aber dann muss oder will man wegziehen.“
Nach vielen Wochen der Abwägung reagiert die Stadt nun mit dem Eingeständnis, dass die angesetzten Baupreise zu niedrig gewesen seien. Auf die anderen von Habisreutinger angesprochenen Aspekte geht die Verwaltung inhaltlich nicht ein. Vielmehr moniert sie, dass einige andere Faktoren – in denen Weingarten wahrscheinlich gut abgeschnitten hätte – nicht in die Studie mit eingeflossen sind: Die geplanten Investitionen im Bildungsbereich, das breite Schul- und Betreuungsangebot sowie die vielen Angebote für Familien, im Sport und in der Freizeit.
„Angebote wie das Haus der Familie oder das Team Jugendarbeit, die mit ihrer Strahlkraft über die Region hinausreichen, die zahlreichen Möglichkeiten der Ferienbetreuung – eine wertvolle Entlastung speziell für Familien mit zwei arbeitenden Elternteilen – sowie die Arbeit und das Wirken des ältesten aktiven Jugendgemeinderats Deutschlands – Kinder und Jugendliche werden in Weingarten gehört und befähigt zu partizipieren – fließen leider ebenfalls nicht in die Ergebnisse mit ein“, sagt Pressesprecherin Sabine Weisel. „Generell lässt das Indikatorenfeld, das für die Studie als Definition für Familienfreundlichkeit herangezogen wurde, auch aus unserer Sicht noch Luft nach oben.“.