Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Noch eine Petition gegen den Regionalplan
Dieses Mal richtet sich der Widerstand gegen ein 70 Hektar großes Gewerbegebiet
BAIENFURT/BAINDT - Erneut gibt es eine Petition, die sich gegen die Pläne des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben richtet. Dieses Mal geht es um die Ausweisung eines möglichen 70 Hektar großen Gewerbegebiets an der Bundesstraße 30 zwischen Baienfurt-Niederbiegen und Baindt-Schachen. Angedacht ist es als interkommunales Gewerbegebiet der Gemeinden Baienfurt, Baindt, Berg und den Städten Ravensburg und Weingarten. Mittlerweile ist die Petition auch beim Landtag von Baden-Württemberg eingegangen. Vonseiten der Gemeinden Baienfurt und Baindt ernten die Petenten Verständnis.
Die Pläne für das Gewerbegebiet sind schon alt. Lange schon schielen Planer, die Industrie und auch die Kommunen im Schussental auf die grünen Wiesen zwischen Baienfurt und Baindt. Denn die Wirtschaft im Schussental prosperiert und braucht mehr Platz. Und die Fläche bei Baienfurt und Baindt ist die letzte Möglichkeit, im Schussental große Gewerbeflächen zu entwickeln. Der Platz auf der Gemarkung Ravensburg ist eng, in Weingarten sind die Möglichkeiten nahezu ausgeschöpft. Bleiben also nur noch die Landgemeinden Berg, Baienfurt und Baindt. Und dabei bieten nur Baienfurt und Baindt ausreichend große Möglichkeiten – zumindest theoretisch.
Das hat nun der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben in seinem Entwurf für den neuen Regionalplan festgehalten. Denn der schreibt nicht nur Rohstoffabbauflächen fest, sondern auch Möglichkeiten, wo in der Region in Zukunft theoretisch Bauund Gewerbegebiete entstehen können. Dieser Plan ist Grundlage für alle weiteren Planungen.
Die 70 Hektar bieten ordentlich Platz für Unternehmen aus der Region, sich zu erweitern. Neuansiedlungen wären möglich. Aber es lassen sich auch ganz andere Dinge denken: große Logistikunternehmen, weil das Gebiet direkt an der vierspurigen Bundesstraße liegt oder große Einkaufsmöglichkeiten. Immer mal wieder war in der Vergangenheit von der Ansiedlung eines Ikea-Möbelhauses in Oberschwaben die Rede, was aber an schlechter Anbindung und zu wenig Platz scheiterte.
Doch gegen das geplante Gewerbegebiet regt sich Widerstand. Silvia Frommann aus Niederbiegen gehören Teile der vorgesehenen Fläche und will, dass die landwirtschaftlichen Flächen auch landwirtschaftliche Flächen bleiben. „Diese Pläne sind nicht zukunftsfähig und nachhaltig“, sagt Frommann. Sie kritisiert, dass durch ein solches Gewerbegebiet
Fläche versiegelt werde und wertvolle landwirtschaftliche für immer verloren gehe. „Das Schussental würde so einen wichtigen Grünzug und die Lebensqualität der Bürger würde auch stark eingeschränkt werden“, sagt sie. Außerdem verweist sie auf das Thema Klimawandel. „Ein solcher Plan ist einfach nicht zeitgemäß.“
Mehr Gewerbefläche und mehr Arbeitsplätze bedeute mehr Zuzug, mehr Wohnraum, der benötigt werde und das bedeute wiederum höhere Preise. Zudem werde die ganze Region zugebaut, so Frommann. Es entstehe ein Wohngebiet nach dem anderen. „Die Region ist attraktiv. Aber vielleicht ist sie ja auch so attraktiv, weil es noch ein bisschen Grün gibt und eben nicht alles zugebaut ist. Wir wollen nicht der Fußabtreter von Ravensburg und Weingarten werden, wenn hier ein Industriegebiet entsteht.“
Jetzt hat sich eine lose Gruppe um Silvia Frommann gegründet, die sich „Initiative gegen das Gewerbegebiet Baindt/Baienfurt“nennt. Sie besteht vor allem aus Grundstückseigentümern der Flächen. Mittlerweile stehe man in Kontakt mit weiteren Aktivisten, die gegen den Regionalplan mobil machen. „Wir wollen einfach früh ein Zeichen setzen. Nicht dass es heißt: Ihr habt doch davon gewusst und wieso habt ihr euch nicht früher gemeldet“, sagt sie.
Tatsächlich ist das Gewerbegebiet alles andere als konkret. Erstmal handelt es sich nur um eine rein theoretische Möglichkeit, Gewerbeflächen zu entwickeln. Denn die Grundstücke sind nicht in kommunalem Eigentum. Erst wenn sie das sind, bestünde eine echte Möglichkeit für das große Gewerbegebiet. Verkaufen die Grundstückseigentümer nicht, gibt es auch kein Gewerbegebiet.
Das bestätigt auch Baienfurts Bürgermeister Günter A. Binder. Von den 70 Hektar befinden sich nämlich 40 Hektar auf Baienfurter Gemarkung und 30 Hektar auf Baindter Gemarkung. „Ich kann schon verstehen, dass man das kritisch sieht. Sie müssen aber keine Sorge haben. Wenn sie nicht verkaufen, verkaufen sie nicht“, sagt Binder.
Er habe deswegen auch noch keine Grundstücksverhandlungen geführt. Er erinnert sich, dass es schon vor seiner Amtszeit Bestrebungen gegeben habe, auf dieser Fläche ein Gewerbegebiet auszuweisen. Allerdings habe man diese wieder verworfen, als das Aus der von Stora Enso betriebenen Papierfabrik bekannt wurde. Mittlerweile ist auf der 30 Hektar großen Fläche der ehemaligen Papierfabrik ein Gewerbepark entstanden.
Binder sieht den Platzbedarf des regionalen Gewerbes. Auch Baienfurt benötige in Zukunft mehr Gewerbefläche, jedoch brauche man
Silvia Frommann allein keine 40 Hektar. Dennoch: Falls es je zu diesem Projekt kommen sollte, ist für ihn eines klar: „Die Planungshoheit haben Baienfurt und Baindt und wenn geht es nur mit einer separaten B-30-Ausfahrt, sonst fließt der Verkehr durch die Ortsmitte“, sagt er.
Auch Baindts Bürgermeisterin Simone Rürup kann den Unmut über ein größeres Gewerbegebiet auf dieser Fläche verstehen. „Die Not nach Gewerbeflächen im Schussental ist enorm. Man muss aber durchaus infrage stellen, ob es wirklich 70 Hektar sein müssen. Wir müssen sorgsam mit unseren Flächen umgehen, weil man das Thema Klimaschutz von allen Seiten betrachten muss“, sagt Rürup.
Denn Kaltluftschneisen und Grünzüge seien gerade auch im Schussental wichtig. Ohnehin ist die Not nach Gewerbeflächen in Baindt derzeit nicht sehr groß, weil man gerade erst im Gewerbegebiet Mehlis Möglichkeiten zur Erweiterung geschaffen hat, acht weitere Grundstücke sind dazugekommen.
Die Bürgermeisterin sieht zudem den Bedarf nach landwirtschaftlichen Flächen, weil regionale und biologische Lebensmittel immer gefragter sind. Diesen Punkt spricht auch Silvia Frommann an, die an einen Verkauf ihrer Grundstücke gar nicht denken will. „Das sind extrem gute Böden und ich werde regelmäßig von Landwirten angesprochen, die die Flächen pachten wollen“, sagt sie. Zwar sei sie auch nicht mit allem einverstanden, was in der Landwirtschaft passiere. Aber sie wolle der Produktion von regionalen Lebensmitteln Vorrang geben.
„Vielleicht ist die Region ja so attraktiv, weil es noch ein bisschen Grün gibt und eben nicht alles zugebaut ist.“