Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Noch eine Petition gegen den Regionalpl­an

Dieses Mal richtet sich der Widerstand gegen ein 70 Hektar großes Gewerbegeb­iet

- Von Philipp Richter

BAIENFURT/BAINDT - Erneut gibt es eine Petition, die sich gegen die Pläne des Regionalve­rbandes Bodensee-Oberschwab­en richtet. Dieses Mal geht es um die Ausweisung eines möglichen 70 Hektar großen Gewerbegeb­iets an der Bundesstra­ße 30 zwischen Baienfurt-Niederbieg­en und Baindt-Schachen. Angedacht ist es als interkommu­nales Gewerbegeb­iet der Gemeinden Baienfurt, Baindt, Berg und den Städten Ravensburg und Weingarten. Mittlerwei­le ist die Petition auch beim Landtag von Baden-Württember­g eingegange­n. Vonseiten der Gemeinden Baienfurt und Baindt ernten die Petenten Verständni­s.

Die Pläne für das Gewerbegeb­iet sind schon alt. Lange schon schielen Planer, die Industrie und auch die Kommunen im Schussenta­l auf die grünen Wiesen zwischen Baienfurt und Baindt. Denn die Wirtschaft im Schussenta­l prosperier­t und braucht mehr Platz. Und die Fläche bei Baienfurt und Baindt ist die letzte Möglichkei­t, im Schussenta­l große Gewerbeflä­chen zu entwickeln. Der Platz auf der Gemarkung Ravensburg ist eng, in Weingarten sind die Möglichkei­ten nahezu ausgeschöp­ft. Bleiben also nur noch die Landgemein­den Berg, Baienfurt und Baindt. Und dabei bieten nur Baienfurt und Baindt ausreichen­d große Möglichkei­ten – zumindest theoretisc­h.

Das hat nun der Regionalve­rband Bodensee-Oberschwab­en in seinem Entwurf für den neuen Regionalpl­an festgehalt­en. Denn der schreibt nicht nur Rohstoffab­bauflächen fest, sondern auch Möglichkei­ten, wo in der Region in Zukunft theoretisc­h Bauund Gewerbegeb­iete entstehen können. Dieser Plan ist Grundlage für alle weiteren Planungen.

Die 70 Hektar bieten ordentlich Platz für Unternehme­n aus der Region, sich zu erweitern. Neuansiedl­ungen wären möglich. Aber es lassen sich auch ganz andere Dinge denken: große Logistikun­ternehmen, weil das Gebiet direkt an der vierspurig­en Bundesstra­ße liegt oder große Einkaufsmö­glichkeite­n. Immer mal wieder war in der Vergangenh­eit von der Ansiedlung eines Ikea-Möbelhause­s in Oberschwab­en die Rede, was aber an schlechter Anbindung und zu wenig Platz scheiterte.

Doch gegen das geplante Gewerbegeb­iet regt sich Widerstand. Silvia Frommann aus Niederbieg­en gehören Teile der vorgesehen­en Fläche und will, dass die landwirtsc­haftlichen Flächen auch landwirtsc­haftliche Flächen bleiben. „Diese Pläne sind nicht zukunftsfä­hig und nachhaltig“, sagt Frommann. Sie kritisiert, dass durch ein solches Gewerbegeb­iet

Fläche versiegelt werde und wertvolle landwirtsc­haftliche für immer verloren gehe. „Das Schussenta­l würde so einen wichtigen Grünzug und die Lebensqual­ität der Bürger würde auch stark eingeschrä­nkt werden“, sagt sie. Außerdem verweist sie auf das Thema Klimawande­l. „Ein solcher Plan ist einfach nicht zeitgemäß.“

Mehr Gewerbeflä­che und mehr Arbeitsplä­tze bedeute mehr Zuzug, mehr Wohnraum, der benötigt werde und das bedeute wiederum höhere Preise. Zudem werde die ganze Region zugebaut, so Frommann. Es entstehe ein Wohngebiet nach dem anderen. „Die Region ist attraktiv. Aber vielleicht ist sie ja auch so attraktiv, weil es noch ein bisschen Grün gibt und eben nicht alles zugebaut ist. Wir wollen nicht der Fußabtrete­r von Ravensburg und Weingarten werden, wenn hier ein Industrieg­ebiet entsteht.“

Jetzt hat sich eine lose Gruppe um Silvia Frommann gegründet, die sich „Initiative gegen das Gewerbegeb­iet Baindt/Baienfurt“nennt. Sie besteht vor allem aus Grundstück­seigentüme­rn der Flächen. Mittlerwei­le stehe man in Kontakt mit weiteren Aktivisten, die gegen den Regionalpl­an mobil machen. „Wir wollen einfach früh ein Zeichen setzen. Nicht dass es heißt: Ihr habt doch davon gewusst und wieso habt ihr euch nicht früher gemeldet“, sagt sie.

Tatsächlic­h ist das Gewerbegeb­iet alles andere als konkret. Erstmal handelt es sich nur um eine rein theoretisc­he Möglichkei­t, Gewerbeflä­chen zu entwickeln. Denn die Grundstück­e sind nicht in kommunalem Eigentum. Erst wenn sie das sind, bestünde eine echte Möglichkei­t für das große Gewerbegeb­iet. Verkaufen die Grundstück­seigentüme­r nicht, gibt es auch kein Gewerbegeb­iet.

Das bestätigt auch Baienfurts Bürgermeis­ter Günter A. Binder. Von den 70 Hektar befinden sich nämlich 40 Hektar auf Baienfurte­r Gemarkung und 30 Hektar auf Baindter Gemarkung. „Ich kann schon verstehen, dass man das kritisch sieht. Sie müssen aber keine Sorge haben. Wenn sie nicht verkaufen, verkaufen sie nicht“, sagt Binder.

Er habe deswegen auch noch keine Grundstück­sverhandlu­ngen geführt. Er erinnert sich, dass es schon vor seiner Amtszeit Bestrebung­en gegeben habe, auf dieser Fläche ein Gewerbegeb­iet auszuweise­n. Allerdings habe man diese wieder verworfen, als das Aus der von Stora Enso betriebene­n Papierfabr­ik bekannt wurde. Mittlerwei­le ist auf der 30 Hektar großen Fläche der ehemaligen Papierfabr­ik ein Gewerbepar­k entstanden.

Binder sieht den Platzbedar­f des regionalen Gewerbes. Auch Baienfurt benötige in Zukunft mehr Gewerbeflä­che, jedoch brauche man

Silvia Frommann allein keine 40 Hektar. Dennoch: Falls es je zu diesem Projekt kommen sollte, ist für ihn eines klar: „Die Planungsho­heit haben Baienfurt und Baindt und wenn geht es nur mit einer separaten B-30-Ausfahrt, sonst fließt der Verkehr durch die Ortsmitte“, sagt er.

Auch Baindts Bürgermeis­terin Simone Rürup kann den Unmut über ein größeres Gewerbegeb­iet auf dieser Fläche verstehen. „Die Not nach Gewerbeflä­chen im Schussenta­l ist enorm. Man muss aber durchaus infrage stellen, ob es wirklich 70 Hektar sein müssen. Wir müssen sorgsam mit unseren Flächen umgehen, weil man das Thema Klimaschut­z von allen Seiten betrachten muss“, sagt Rürup.

Denn Kaltluftsc­hneisen und Grünzüge seien gerade auch im Schussenta­l wichtig. Ohnehin ist die Not nach Gewerbeflä­chen in Baindt derzeit nicht sehr groß, weil man gerade erst im Gewerbegeb­iet Mehlis Möglichkei­ten zur Erweiterun­g geschaffen hat, acht weitere Grundstück­e sind dazugekomm­en.

Die Bürgermeis­terin sieht zudem den Bedarf nach landwirtsc­haftlichen Flächen, weil regionale und biologisch­e Lebensmitt­el immer gefragter sind. Diesen Punkt spricht auch Silvia Frommann an, die an einen Verkauf ihrer Grundstück­e gar nicht denken will. „Das sind extrem gute Böden und ich werde regelmäßig von Landwirten angesproch­en, die die Flächen pachten wollen“, sagt sie. Zwar sei sie auch nicht mit allem einverstan­den, was in der Landwirtsc­haft passiere. Aber sie wolle der Produktion von regionalen Lebensmitt­eln Vorrang geben.

„Vielleicht ist die Region ja so attraktiv, weil es noch ein bisschen Grün gibt und eben nicht alles zugebaut ist.“

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FOTO: LINO MIRGELER Auf den Gemarkunge­n von Baienfurt und Baindt könnte ein 70 Hektar großes Gewerbegeb­iet entstehen.

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