Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Solidarität auch in Corona-Zeiten
Mediziner aus der Region haben ein gemeinsames Spendenprojekt zugunsten von „Ärzte ohne Grenzen“gestartet
KREIS RAVENSBURG (sz) - Die gesamte Welt ist derzeit in der allgegenwärtigen Bedrohung durch das Coronavirus gefangen. In Deutschland und auch in der Region Oberschwaben machen sich in vielen Teilen der Gesellschaft zunehmend Unmut, Unverständnis, Politikverdrossenheit und Frust bemerkbar.
„Dabei sollten wir bei allen Widrigkeiten und dem Ärger über vorerst knappen Impfstoff nicht vergessen, dass wir trotz aller CoronaProbleme in unserer westlichen Welt sehr privilegiert sind“, gibt Hans Bürger, Facharzt für Innere Medizin und Allgemeinmedizin in Vogt und Vorsitzender der Kreisärzteschaft Ravensburg, in einer Pressemitteilung zu bedenken.
Solidarität, nicht Egoismus sei daher das Gebot der Stunde. „Auch aus politischen Überlebensgründen sollten wir das bislang knappe Impfgut mit den ärmeren Ländern der Welt teilen.“Aus diesen Überlegungen heraus und „auch aus dem Gefühl der Dankbarkeit trotz bestehender Missstände“hat eine kleine Gruppe von regionalen Ärztinnen und Ärzten aus dem Landkreis Ravensburg im Rahmen ihrer Mitarbeit im Kreisimpfzentrum Ravensburg beschlossen, eine interne Spendenaktion für die Entwicklungsländer dieser Welt zu organisieren. Das Projekt zugunsten der Organisation „Ärzte ohne
Grenzen“, die in mehr als 70 Ländern Menschen im Kampf gegen das Coronavirus unterstützt, läuft bis zum 30. Juni.
„Wir möchten mit unserer Aktion gezielt den Blick auch auf denjenigen Teil der Weltbevölkerung lenken, der von der Corona-Krise deutlich länger und härter betroffen ist als wir“, sagt Brigitte Reuther, Allgemeinmedizinerin in Bad Waldsee. „Und wir möchten die Arbeit von ‚Ärzte ohne Grenzen‘ unterstützen.“
Diese haben beispielsweise in Rio de Janeiro mit den Behörden ein Covid19-Krankenhaus mit 200 Betten aufgebaut sowie medizinisches Personal in der Prävention und Eindämmung von Infektionen geschult. In Sao Paulo werden Obdachlose und die Menschen in den Armenvierteln unterstützt. In dem vom Krieg besonders betroffenen Jemen hat die Ärzte-Hilfsorganisation zwei Covid19-Behandlungszentren aufgebaut. Das gemeinsame Spendenprojekt erfahre eine positive Resonanz und habe bereits rund 20 000 Euro eingebracht, berichtet Dietmar Hawran, Allgemeinarzt in Ravensburg. Ursprünglich sei die Aktion auf Landkreisebene im Impfzentrum Ravensburg
geplant gewesen. Da sie dort aber aus verschiedenen Gründen zurückgestellt werden musste, werde das Spendenprojekt nun in den impfenden Arztpraxen des Landkreises weitergeführt.
„Wir stellen durchsichtige Spendenboxen auf und legen Projektflyer aus, um unsere Patienten zu informieren und zu motivieren. Transparenz und Verlässlichkeit sind uns sehr wichtig“, so die Projekt-Initiatoren. Neben Brigitte Reuther, Bürger und Hawran gehören auch die Allgemeinmediziner Susanne Keller (Baienfurt), Silvia Braun-Biggel (Waldburg), Michael Opfermann (Wangen) sowie der Gynäkologe Eberhard Schneckenburger (Ravensburg) dazu.
Mit ihrem jetzt erfolgenden Schritt an die Öffentlichkeit wollen die Projektverantwortlichen den Solidaritätsgedanken, der dem Spendenprojekt zugrunde liegt, auch mit den übrigen Bürgern teilen. „Wir sind der festen Überzeugung und haben die Erfahrung gemacht, dass es nicht wenige Menschen in unserem Landkreis gibt, die ähnliche Gedanken umtreiben. Die Hilfs- und Spendenbereitschaft ist groß“, so Schneckenburger.
Unter dem Motto „Ein Euro für Entwicklungsländer“, so das Ansinnen, könnten auch viele kleine Spenden Großes bewirken und zur Gesundung der Welt beitragen. OnlineSpenden für das Projekt sind gleichfalls möglich.