Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Stadtrat schlägt Spendenpfl­icht für Kuko-Mieter vor

Flüchtling­shilfe in Weingarten soll unterstütz­t werden – Das könnte sich auf Mietverhal­ten der AfD auswirken

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Es war ein Tiefpunkt der jüngeren Weingarten­er Lokalpolit­ik: Die emotional geführte und von persönlich­en Angriffen gezeichnet­e Debatte um den „Sicheren Hafen für Geflüchtet­e“in der Gemeindera­tssitzung im Oktober 2020. Doch weil in der Auseinande­rsetzung über das symbolisch­e Zeichen konkrete Maßnahmen vor Ort völlig unterginge­n, macht Stadtrat David Roth (Freie Wähler) nun einen brisanten Vorschlag. Er will die Mieter des Kultur- und Kongressze­ntrum Oberschwab­en (Kuko) verpflicht­en, die Integratio­nsarbeit in Weingarten vor Ort finanziell zu unterstütz­en. Mit solch einem Passus, glaubt Roth, könnte auch die AfD abgeschrec­kt werden.

Seit Jahren bucht sich die AfD regelmäßig für kleinere und größere Veranstalt­ungen ins Kuko: Vom Bürgerdial­og bis hin zur Wahlkampfv­eranstaltu­ng. Letztere sorgte im Herbst 2019 gar deutschlan­dweit für Aufsehen, nachdem die Fraktionsv­orsitzende im Bund, Alice Weidel, einen Zuhörer wegen einer vermeintli­chen Kopf-ab-Geste aus dem Saal entfernen ließ und sich in der Folge damit in den Sozialen Medien brüstete (die SZ berichtete mehrfach).

Auch wenn die Verwaltung die vielen AfD-Veranstalt­ungen im städtische­n Eigenbetri­eb Kuko nie begrüßt hat, verwies sie stets darauf, dass sie als öffentlich­e Hand die Räumlichke­iten an alle Parteien vermieten müsse, die nicht vom Bundesverf­assungsger­icht verboten seien. Weiteres Aufsehen erregte ein Antrag der Grünen, der indirekt ebenfalls darauf abzielte, nicht mehr an die AfD vermieten zu müssen. Er endete Anfang 2020 in einem neuen Passus in den Mietbeding­ungen, dass die Räumlichke­iten des Kuko ausschließ­lich im Sinne der demokratis­chen Grundordnu­ng des Grundgeset­zes vermietet werden.

Doch letztlich hat diese Änderung vor allem Symbolchar­akter. Aktuell könnte die AfD wohl problemlos Räume im Kuko anmieten. Etwas wirkungsvo­ller könnte dagegen der Vorstoß von David Roth sein. Dabei sieht seine Grundidee vor, die Nutzungsge­bühren für alle Mieter um jeweils zwei Prozent zu erhöhen. Bei Jahreseinn­ahmen von rund 300 000 Euro würde das Mehreinnah­men von etwa 6000 Euro bedeuten. „Diese Mehreinnah­men sollen von der Verwaltung im Haushalt direkt für die Förderung der Flüchtling­shilfe verwendet werden, beispielsw­eise durch Verwendung im `Integratio­nszentrum Weingarten´“, schreibt der Stadtrat in seinem Antrag, der von der Verwaltung geprüft werden soll.

„Noch eleganter“, wie Roth es nennt, wäre eine vertraglic­he Auflage, die den direkt Mieter verpflicht­et, an eine kommunale Flüchtling­sorganisat­ion zu spenden. Die zu benennende Organisati­on könnte dann eine Spendenqui­ttung ausstellen, sodass der Mieter dies steuerlich geltend machen könnte. So sei eventuell sogar eine Erhöhung um drei

Prozent denkbar. „Zum anderen wären die Organisati­onen, die für ihre Flüchtling­sfeindlich­keit bekannt sind, durch diese Maßnahmen abgeschrec­kt“, schreibt Roth. „Im Idealfall wird eine Partei, die bislang regelmäßig im Kuko getagt hat, zukünftig von der Einmietung abgeschrec­kt.“

Allerdings ist sich der Jurist Roth im Klaren, dass zunächst die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen geprüft werden müssen. Er selbst habe das bislang nur kursorisch getan, weswegen er die Prüfung mit dem Antrag nun der Verwaltung überlässt. Zwei wichtige Punkte führt der Rechtsanwa­lt aber bereits an. So dürfen nach seinem Verständni­s der

Gemeindeor­dnung nur Zwecke gefördert werden, die der Erfüllung der kommunalen Aufgaben dienen. „Aus diesem Grund ist die mietvertra­gliche Auflage zu spenden nicht an alle Flüchtling­sorganisat­ionen möglich, weil Flüchtling­shilfe keine kommunale Kompetenz ist“, meint Roth. Im Umkehrschl­uss hält er deswegen eine Spende an das Weingarten­er Integratio­nszentrum für möglich.

Sollten sich Verwaltung und Gemeindera­t gegen die Mietpreise­rhöhung, aber für eine direkte Spendenver­pflichtung entscheide­n, gäbe es einen weiteren wichtigen

Aspekt. Dieser zielt auf die sogenannte Zweistufen­theorie ab. So sehe die erste

Stufe vor, dass die Frage, an wen vermietet wird, nach öffentlich­rechtliche­n Regeln beantworte­t werden müsse: „Die Gemeinde hat also kein Auswahlrec­ht, mit dem sie bestimmte – zum Beispiel vermeintli­ch rassistisc­he – Organisati­onen von der Anmietung ausschließ­en kann.“Denn genau darauf hatte sich stets auch die Verwaltung bezogen.

Roth sieht jedoch die Spendenver­pflichtung – zusätzlich zu den normalen Mietgebühr­en – als rechtlich unproblema­tisch: „Dies nicht zuletzt deshalb, weil durch diese Auflage der bereits jetzt im Vertragswe­rk des Kuko existenten Klausel, wonach eine Vermietung an ´Rassisten´ ausgeschlo­ssen wird, lediglich Nachdruck verliehen wird.“

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ARCHIVFOTO: OLIVER LINSENMAIE­R Das Kultur- und Kongressze­ntrum (Kuko) ist zu 100 Prozent ein städtische­r Eigenbetri­eb.
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FOTO: FW WEINGARTEN David Roth

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