Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Stadtrat schlägt Spendenpflicht für Kuko-Mieter vor
Flüchtlingshilfe in Weingarten soll unterstützt werden – Das könnte sich auf Mietverhalten der AfD auswirken
WEINGARTEN - Es war ein Tiefpunkt der jüngeren Weingartener Lokalpolitik: Die emotional geführte und von persönlichen Angriffen gezeichnete Debatte um den „Sicheren Hafen für Geflüchtete“in der Gemeinderatssitzung im Oktober 2020. Doch weil in der Auseinandersetzung über das symbolische Zeichen konkrete Maßnahmen vor Ort völlig untergingen, macht Stadtrat David Roth (Freie Wähler) nun einen brisanten Vorschlag. Er will die Mieter des Kultur- und Kongresszentrum Oberschwaben (Kuko) verpflichten, die Integrationsarbeit in Weingarten vor Ort finanziell zu unterstützen. Mit solch einem Passus, glaubt Roth, könnte auch die AfD abgeschreckt werden.
Seit Jahren bucht sich die AfD regelmäßig für kleinere und größere Veranstaltungen ins Kuko: Vom Bürgerdialog bis hin zur Wahlkampfveranstaltung. Letztere sorgte im Herbst 2019 gar deutschlandweit für Aufsehen, nachdem die Fraktionsvorsitzende im Bund, Alice Weidel, einen Zuhörer wegen einer vermeintlichen Kopf-ab-Geste aus dem Saal entfernen ließ und sich in der Folge damit in den Sozialen Medien brüstete (die SZ berichtete mehrfach).
Auch wenn die Verwaltung die vielen AfD-Veranstaltungen im städtischen Eigenbetrieb Kuko nie begrüßt hat, verwies sie stets darauf, dass sie als öffentliche Hand die Räumlichkeiten an alle Parteien vermieten müsse, die nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten seien. Weiteres Aufsehen erregte ein Antrag der Grünen, der indirekt ebenfalls darauf abzielte, nicht mehr an die AfD vermieten zu müssen. Er endete Anfang 2020 in einem neuen Passus in den Mietbedingungen, dass die Räumlichkeiten des Kuko ausschließlich im Sinne der demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes vermietet werden.
Doch letztlich hat diese Änderung vor allem Symbolcharakter. Aktuell könnte die AfD wohl problemlos Räume im Kuko anmieten. Etwas wirkungsvoller könnte dagegen der Vorstoß von David Roth sein. Dabei sieht seine Grundidee vor, die Nutzungsgebühren für alle Mieter um jeweils zwei Prozent zu erhöhen. Bei Jahreseinnahmen von rund 300 000 Euro würde das Mehreinnahmen von etwa 6000 Euro bedeuten. „Diese Mehreinnahmen sollen von der Verwaltung im Haushalt direkt für die Förderung der Flüchtlingshilfe verwendet werden, beispielsweise durch Verwendung im `Integrationszentrum Weingarten´“, schreibt der Stadtrat in seinem Antrag, der von der Verwaltung geprüft werden soll.
„Noch eleganter“, wie Roth es nennt, wäre eine vertragliche Auflage, die den direkt Mieter verpflichtet, an eine kommunale Flüchtlingsorganisation zu spenden. Die zu benennende Organisation könnte dann eine Spendenquittung ausstellen, sodass der Mieter dies steuerlich geltend machen könnte. So sei eventuell sogar eine Erhöhung um drei
Prozent denkbar. „Zum anderen wären die Organisationen, die für ihre Flüchtlingsfeindlichkeit bekannt sind, durch diese Maßnahmen abgeschreckt“, schreibt Roth. „Im Idealfall wird eine Partei, die bislang regelmäßig im Kuko getagt hat, zukünftig von der Einmietung abgeschreckt.“
Allerdings ist sich der Jurist Roth im Klaren, dass zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen geprüft werden müssen. Er selbst habe das bislang nur kursorisch getan, weswegen er die Prüfung mit dem Antrag nun der Verwaltung überlässt. Zwei wichtige Punkte führt der Rechtsanwalt aber bereits an. So dürfen nach seinem Verständnis der
Gemeindeordnung nur Zwecke gefördert werden, die der Erfüllung der kommunalen Aufgaben dienen. „Aus diesem Grund ist die mietvertragliche Auflage zu spenden nicht an alle Flüchtlingsorganisationen möglich, weil Flüchtlingshilfe keine kommunale Kompetenz ist“, meint Roth. Im Umkehrschluss hält er deswegen eine Spende an das Weingartener Integrationszentrum für möglich.
Sollten sich Verwaltung und Gemeinderat gegen die Mietpreiserhöhung, aber für eine direkte Spendenverpflichtung entscheiden, gäbe es einen weiteren wichtigen
Aspekt. Dieser zielt auf die sogenannte Zweistufentheorie ab. So sehe die erste
Stufe vor, dass die Frage, an wen vermietet wird, nach öffentlichrechtlichen Regeln beantwortet werden müsse: „Die Gemeinde hat also kein Auswahlrecht, mit dem sie bestimmte – zum Beispiel vermeintlich rassistische – Organisationen von der Anmietung ausschließen kann.“Denn genau darauf hatte sich stets auch die Verwaltung bezogen.
Roth sieht jedoch die Spendenverpflichtung – zusätzlich zu den normalen Mietgebühren – als rechtlich unproblematisch: „Dies nicht zuletzt deshalb, weil durch diese Auflage der bereits jetzt im Vertragswerk des Kuko existenten Klausel, wonach eine Vermietung an ´Rassisten´ ausgeschlossen wird, lediglich Nachdruck verliehen wird.“