Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Am Anfang stand der große Willi Baumeister
Zum 90. Geburtstag der Malerin und Kuratorin Dorothee Schraube-Löffler
BAIENFURT - Frühjahr 1931, Sophie und Robert Löffler freuen sich über die Geburt ihres ersten und einzigen Kindes. Sie nennen das Mädchen Dorothee, Gottesgeschenk, so wie schon eine fromme, evangelische Großmutter geheißen hat. Der Vater ist Ingenieur, Papiermacher in der Oberlenninger Papierfabrik Scheufelen, heute Landkreis Esslingen. Der Werkstoff Papier sollte im späteren Leben der Künstlerin Dorothee Schraube-Löffler eine prägende Rolle spielen. Papier und die Farbe Gold. Nomen est omen – Dorothee deutet schon darauf hin – oro heißt auf Italienisch Gold. Dieser Tage ist Dorothee Schraube-Löffler, die seit Jahren in Baienfurt lebt, 90 Jahre alt geworden.
Künstlerin zu werden – das war schon von früher Jugend an ihr Traum. Oft, so erinnert sie sich, besuchte sie mit ihren Eltern die Stuttgarter Staatsgalerie. Der Vater pflegte engen Kontakt zu dem großen Maler Willi Baumeister, der im Dritten Reich als sogenannter entarteter Künstler Ausstellungsverbot hatte und vom unsicheren, weil immer wieder bombardierten Stuttgart ins beschauliche Albstädtchen Urach zog.
Robert Löffler versorgte Willi Baumeister und dessen Freund Oskar Schlemmer mit Papier und ermöglichte ihnen so künstlerisches Arbeiten. Willi Baumeister sollte im Leben der jungen Dorothee Löffler eine große Rolle spielen. Von 1950 bis 1955 studierte sie bei ihm an der Stuttgarter Kunstakademie. Baumeister galt und gilt als einer der wichtigsten ungegenständlich arbeitenden Maler des 20. Jahrhunderts und auch als exzellenter Kunsttheoretiker
und Lehrer. Sein Buch „Das Unbekannte in der Kunst“, in den Nazi-Jahren 1943/44 verfasst, ist heute noch ein Standardwerk.
Baumeister pflegte schon seit den 1930er-Jahren enge Kontakte zur Pariser Avantgarde, war Mitglied der Gruppe „Cercle et Carrée“(Kreis und Quadrat), und so war es wohl auch Baumeister, der der jungen Kunststudentin Dorothee Löffler ein einjähriges Studium an der Pariser Kunstakademie ermöglichte. Das sei, so kurz nach dem Krieg, eine schwere Zeit gewesen, erinnert sich Dorothee Schraube-Löffler heute, „man durfte nicht sagen, dass man Deutsche ist“.
Schon damals widmete sich die Künstlerin der Weberei. Ein Webstuhl steht heute noch in ihrem Atelier. Viele Kirchen habe sie mit Teppichen ausgestattet, ganze Altarräume gestaltet. Bei einem Wettbewerb für die Uniklinik Regensburg gewann sie sogar den ersten Preis und den Auftrag für die Gestaltung der Kapelle.
Sie arbeitet seit eh und je abstrakt, genau gesagt: konkret. Neben der Weberei, die sie auch im hohen Alter immer noch pflegt, dominieren in ihrem Riesenwerk vor allem reliefartige, quadratische Bildschöpfungen in Gold, das sie als Blattgold auf den Bildgrund aufträgt, aber auch Arbeiten ganz in Schwarz. Es sind oft dekorative Werke, aber auch solche, die zur Meditation verführen. Gold gilt ja seit jeher als edelstes aller Metalle. Im Christentum war Gold das Symbol für die höchste aller Tugenden, für die Liebe. Der Goldgrund auf Tafelbildern des Mittelalters wurde stets als Symbol des himmlischen Lichts verstanden.
„Baumeister war immer mein Vorbild“, sagt Dorothee SchraubeLöffler, „ich durfte ihn immer besuchen in seinem Atelier“. Der verehrte Meister starb im Jahre 1955 – beim Malen im Atelier.
Ihre erste Ausstellung bestritt die junge Künstlerin beim Kunstverein Dortmund, irgendwann in den 1950er-Jahren. So genau weiß sie es nicht mehr. 1956 heiratete sie den Architekten Max-Walter Schraube. Drei der vier Kinder leben noch, eine Tochter und zwei Söhne. Der Architekt Schraube hat auch in unserer Region tiefe Spuren hinterlassen. So gewann er zusammen mit seinem Partner Gottschlich den ersten Preis im Wettbewerb um die Talschule Weingarten und auch den ersten Preis fürs Landratsamt in Ravensburg. Heute noch exzellente, beispielhafte Architekturen. 2015 ist Max-Walter Schraube verstorben.
Aus Anlass des 90. Geburtstages war eine Ausstellung im Baienfurter Rathaus geplant, zusammen mit der ebenfalls dort lebenden Malerin Maria Niermann-Schubert, die unlängst ebenfalls runden Geburtstag feierte, den 60. Doch coronabedingt wurde die Werkschau auf später verlegt. Dorothee Schraube-Löffler pflegt auch enge Kontakte nach Leipzig, wo sie schon zum vierten Mal Bilder zeigte. Auch an der Biberacher Ausstellung oberschwäbischer Künstlerinnen war sie beteiligt.
Als Helmut Braun, langjähriger Kurator der Baienfurter RathausAusstellungen, Anfang 2018 starb, übernahm die damals schon hochbetagte Dorothee Schraube-Löffler dessen ehrenamtliche Funktion. Ein Glücksgriff für die Gemeinde. Und für die Kunst. So vornehm-zurückhaltend, so damenhaft sie erscheint – wenn’s ums Kuratieren einer Ausstellung geht, ums Präsentieren von Bildern und Skulpturen, wird sogleich klar, wer da die „Herrin“im Ring ist.