Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Rosinenpicken geht nicht“
RAVENSBURG - Europa und die Schweiz sollten ihre Zusammenarbeit weiter vertiefen, findet der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab aus Rottweil (Foto: oh). Warum es dafür das Rahmenabkommen braucht, erklärt der Vorsitzende der Schweiz-Delegation des EU-Parlaments im Gespräch mit Ulrich Mendelin.
Seit 2018 liegt ein eigentlich fertig verhandeltes Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU vor. Drei Jahre später ist es noch immer nicht in Kraft getreten. Droht die Schweiz wegzudriften von Europa?
Die Schweiz wird immer mitten in Europa liegen. Und wir werden immer gezwungen sein, gut miteinander zu arbeiten. Aber eine so enge Beziehung wie zwischen Europa
und der Schweiz muss gepflegt werden, sonst droht eine Zerrüttung. Mit dem Rahmenabkommen können wir die Zusammenarbeit noch viel besser machen.
Auch ein Scheitern der Gespräche würde nicht gleich das Ende der bestehenden Verträge bedeuten. Hätte es überhaupt Auswirkungen auf die Wirtschaft im grenznahen Raum, am Bodensee und in Südbaden?
Es ist nicht so, dass am Tag nach der möglichen Ablehnung eines Rahmenabkommens die Grenzen dichtgemacht würden. Aber in Europa verbessern wir unsere Zusammenarbeit immer weiter, neue Gesetze kommen hinzu, neue Regeln werden geschaffen. Wenn die Schweiz dauerhaft zurückfällt, dann entsteht ein Rückstand, der zu
Frustration führen wird. Die Schweizer wollen doch weiterhin ihre Produkte unkompliziert nach Europa liefern. Wir sehen doch in Großbritannien, dass lange Schlangen an den Grenzen nichts bringen. Um die Zusammenarbeit zu erhalten, müssen wir das in einem Vertrag abbilden, dafür soll das Rahmenabkommen dienen.
Wo verhindert das bislang fehlende Rahmenabkommen eine engere Zusammenarbeit?
Ein aktuelles Beispiel ist der europäische Strom-Binnenmarkt. Da die Schweiz mitten in Europa liegt, gibt es eine ganze Reihe von Stromtrassen, die über Schweizer Gebiet laufen können und damit auch Schweizer Strommarktinteressen berücksichtigen können. Aber solange wir das Rahmenabkommen nicht abschließen, können wir keine neuen Abkommen mehr schließen.
Deswegen tritt alles auf der Stelle. Und wer am Binnenmarkt teilnehmen will, muss auch die dazu notwendige Verantwortung übernehmen. Rosinenpicken geht nicht.
Was steht für Grenzpendler auf dem Spiel?
Die Grenzgänger haben nach jetzigem Kenntnisstand keine wesentlichen Erschwernisse zu befürchten. Aber die Unternehmen, für die sie arbeiten, könnten ihre Produkte in Europa mittelfristig schwerer vertreiben. Bei den Schweizer Maschinenbauern gibt es solche Befürchtungen, genauso wie bei den Herstellern medizinischer Produkte. Insofern könnte sich das allgemeine wirtschaftliche Klima für die Schweiz verschlechtern. Das wollen wir nicht. Wir wollen unsere Zusammenarbeit auf dem heutigen Niveau halten und noch verbessern.