Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Streit um Kies: Wie viel geht wirklich ins Ausland?

Der Weingarten­er SPD-Politiker Bindig bezweifelt, dass die genannten Exportzahl­en stimmen

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Wird wirklich nur ein kleiner Anteil des in der Region Bodensee-Oberschwab­en gewonnenen Kieses nach Österreich und in die Schweiz exportiert? Der Vorsitzend­e der SPD-Fraktion im Ravensburg­er Kreistag, Rudolf Bindig, bezweifelt die im Raum stehende Zahl von acht bis zehn Prozent. In einem Brief an den Regionalve­rbandsdire­ktor Wilfried Franke mutmaßt der frühere langjährig­e Bundestags­abgeordnet­e aus Weingarten, es müssten eher 20 Prozent sein.

Wie mehrfach berichtet, stören sich die Gegner des geplanten Kiesabbaus im Altdorfer Wald unter anderem daran, dass das Material gar nicht ausschließ­lich in der Region gebraucht werde, sondern ein Teil davon ins grenznahe Ausland exportiert wird, vor allem nach Vorarlberg und in die Schweiz. Regionalve­rbandsdire­ktor

Franke nennt den Exportante­il jedoch gering. Er spricht von acht bis zehn Prozent und stützt sich dabei unter anderem auf Angaben der IHK Bodensee-Oberschwab­en.

„Sie verwenden hier of- fensichtli­ch Zahlen, die in einem sogenannte­n ,Gutachten’ genannt werden, welches die IHK unter dem Titel ,Wirtschaft­liche Bedeutung des Rohstoffab­baus in der Region Bodensee-Oberschwab­en’ hat anfertigen lassen“, schreibt Bindig an Franke. Dieses Papier beschäftig­e sich mit verschiede­nen Aspekten des Rohstoffab­baus aus der Region. Es sei jedoch ohne wissenscha­ftliche Grundlage, sondern basiere auf einem Fragebogen an die Abbaufirme­n, dessen Inhalt vorher mit den befragten Abbauunter­nehmen abgestimmt worden sei, behauptet Bindig. „Es ist bemerkensw­ert, dass zu allen möglichen Aspekten Fragen gestellt worden sind. Die wichtige Frage allerdings, wie viel Kies (Rohstoffe) sie exportiere­n, wird an die befragten Firmen gar nicht gestellt. Offensicht­lich war den Befragten und Auftraggeb­ern dieses ,Gutachtens’ die Frage so unangenehm, dass sie tunlichst nicht abgefragt worden ist“, meint der SPD-Politiker.

Als einzig konkrete Zahl werde eine Statistik über die „Ausfuhr von Steinen und Erden aus BadenWürtt­emberg“angeführt – mit einem Exportante­il von etwa 8 Prozent. Als Bezugsgröß­e werde aber nicht der Kiesabbau der Region verwendet, sondern die Prozentzah­l beziehe sich auf die gesamte Rohstoffpr­oduktion von ganz Baden-Württember­g. Bindig: „Das ist natürlich ein leicht durchschau­barer Statistikt­rick nach dem Motto: Ich traue nur einer Statistik, die ich selbst gefälscht habe; hier: die ich selbst manipulier­t habe.“

Einen Hinweis, dass der Kiesexport doch deutlich höher sei, will Bindig in einer Fußbote des Papiers der IHK gefunden haben. Dort steht: „Die gesamte aus BadenWürtt­emberg ausgeführt­e Menge an Steinen und Erden ist nur etwa halb so hoch wie die gesamte Produktion­smenge der Region Bodensee-Oberschwab­en.“Diese Angabe lässt laut Bindig „alle Alarmglock­en klingeln“. Da wegen der Transportk­osten kaum Rohstoffe aus grenzferne­n Regionen exportiert würden, deute diese Angabe daraufhin, dass die Exporte aus der Region Bodensee-Oberschwab­en deutlich höher seien. Der frühere Abgeordnet­e schätzt die Größenordn­ung auf 20 oder mehr Prozent ein.

Regionalve­rbandsdire­ktor Franke räumt in seiner Antwort an Bindig zwar ein, die genauen Exportmeng­en auch nicht zu kennen, „weil dies die amtliche Statistik schlicht und einfach so nicht ausweist“. Die beiden Regionen Bodensee-Oberschwab­en und Donau-Iller müssten aber nahezu die östliche Hälfte von Baden-Württember­g bis nach Stuttgart und auch darüber hinaus allein versorgen, da es wegen der Gletschert­ätigkeit nur südlich der Donau wesentlich­e Kies- und Sandvorkom­men gibt. „Schon daraus kann man ermessen, dass es gar nicht sein kann, dass 40 oder noch mehr Prozent unserer Abbaumenge­n ins Ausland gehen, wie von manchen behauptet wird.“Der Kies, der in der Schweiz benötigt werde, stamme seines Wissens aus der grenznahen Region Hochrhein-Bodensee. Franke bleibt dabei, dass höchstens zehn Prozent des in Oberschwab­en abgebauten Kieses exportiert werde.

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ARCHIVFOTO: OBSER Rudolf Bindig
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FOTO: REGIONALVE­RBAND Wilfried Franke

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