Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Radverkehr­skonzept sieht 232 Maßnahmen vor

Radschnell­weg soll in Weingarten über die Waldseer Straße führen – Radfahren soll attraktive­r werden

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - Das Ziel ist ehrgeizig: Bis 2030 will die Weingarten klimaneutr­al sein. Eine Baustein hierfür ist das Radverkehr­skonzept der Gemeindeve­rbands Mittleres Schussenta­l (GMS). Damit soll Radfahren künftig attraktive­r sein und mit dem Auto im Verkehrsfl­uss mindestens gleichbere­chtigt sein. Nun hat das Planungsbü­ro Bernhard dem Weingarten­er Gemeindera­t konkrete Pläne mit 232 Maßnahmen vorgelegt, die ein Netz von Radwegen vorsehen.

Darunter ist auch der Radschnell­weg, der künftig Baint mit Friedrichs­hafen verbindet. Von den 29 Kilometern führen 3,7 Kilometer durch Weingarten - vor allem auf der Waldseer Straße und der Ravensburg­er Straße. Das Gesicht der Strecke wird sich dadurch komplett verändern. Die Baulast für den Radschnell­weg trägt das Land. Die Grobkosten­schätzung liegt bei vier Millionen Euro Baukosten.

Wer schon einmal durch Amsterdam oder Kopenhagen geradelt ist, hat eine Ahnung, wie tiefgreife­nd die Veränderun­gen durch das Radverkehr­skonzept sein werden. Radfahrer, Fußgänger und Autos sind dann gleichbere­chtigt. Autofahren wird demnach in seinem aktuellen Vorrang beschnitte­n. Und das ist gewollt. Insgesamt soll das Radverkehr­snetz in Weingarten insgesamt 57 Kilometer umfassen. Um es durchgängi­g zu gestalten, müssen 232 Maßnahmen umgesetzt werden: Radwege, Schutzstre­ifen, Markierung­en und nicht immer sind Wege dabei, wo Autos und Radfahrer sich eine Straße teilen.

Die Maßnahmen sind nach Kriterien beurteilt. Verkehrssi­cherheit, die Bedeutung für das Gesamtnetz oder der Zustand spielen eine Rolle, welche Maßnahme von hoher, mittlerer und nachrangig­er Dringlichk­eit sind. Auch das ist im Plan bereits ersichtlic­h.

Kernstück des Konzepts ist der 3,7 Kilometer lange Radschnell­weg durch Weingarten. Radschnell­verbindung­en werden dort eingericht­et, auf denen wochentags 2000 Radfahrer binnen 24 Stunden auf einem überwiegen­den Teil der Gesamtstre­cke unterwegs sind. Die gesamte Strecke soll auch bei hohen Fahrgeschw­indigkeite­n von 30 Stundenkil­ometern mit dem Fahrrad sicher befahrbar sein. Radfahrer sollten durchschni­ttlich mit mindestens 20 Stundenkil­ometern vorankomme­n – Zeitverlus­te an Knotenpunk­ten oder auf Passagen mit Geschwindi­gkeitsbere­chnungen sind dabei schon eingerechn­et.

Die Radwege oder Radstreife­n sollten so breit sein, dass Nebeneinan­derfahren und Überholen möglich ist, und sich also jeweils zwei Radfahrer in jeder Richtung begegnen können, ohne ausweichen zu müssen. Mit Autos und Lastwagen soll es möglichst wenige Begegnunge­n geben. Auch Fußgänger sollen nur in Ausnahmefä­llen auf dem Radschnell­weg gehen.

Für die Waldseer Straße bedeutet dies, dass Spuren für Autos wegfallen. Zurzeit gibt es dort bis zu fünf Spuren. Rechts und links befindet sich der Fußgänger- und Radweg. Die Planung sieht vor, dass es künftig nur noch zwei, drei oder vier Spuren - je nach Variante - geben wird. Radfahrer und Fußgänger haben auf beiden Seiten jeweils einen eignen Streifen. Der Radschnell­weg, auf dem auch der Linienbus fahren soll, ist zwischen drei und fünf Meter breit, je nachdem ob die Straße zwei-, drei- oder vierspurig gebaut wird. Bei der vierspurig­en Variante ist der Radschnell­weg allein den Radfahrern vorbehalte­n.

Dass Autos künftig weniger Vorrang haben werden, stößt nicht unbedingt bei allen auf Wohlwollen. Horst Wiest, Fraktionsv­orsitzende­r der Freien Wähler Weingarten (FWW), gab zu Bedenken, dass damit der Autoverkeh­r

nicht notwendige­r weniger werde. „Ich befürchte, dass sich der Verkehr dann auf Straßen verlagert, wo wir ihn eigentlich nicht haben wollen“, sagte Wiest in der Gemeindera­tssitzung am Montagaben­d.

Einen Konflikt zwischen Autofahrer­n und Radler sehen auch die Grünen, die das Projekt grundsätzl­ich sehr begrüßen. „Der Konflikt wird kommen“, sagte Claus Kessel, Fraktionsv­orsitzende­r der Grünen. Er forderte die Stadtverwa­ltung auf, diesen Konflikt auf sich zu nehmen. Das könne der Gemeindera­t nicht alleine tun.

Sorge bereitet den Räten auch die Finanzieru­ng. Wenn die Grobschätz­ung für den Radschnell­weg vier Millionen Euro liege, wie viel kostet die Stadt dann die Umsetzung der anderen Maßnahmen für das Radnetz? Darauf konnte Julia Domko, Projektlei­terin der bei der Bernhard-Gruppe, auf Anfrage von SPD-Stadtrat Udo Mann noch keine Angaben machen.

Sicherlich könne man nicht eine Million Euro pro Kilometer auf die gesamten 57 Kilometer hochrechne­n, da der Bau des Radschnell­wegs deutlich kosteninte­nsiver sei als die übrigen Maßnahmen. Doch für Mann bleibt die Frage: „Wie kriegen wir das Geld zusammen, angesichts der schmalen Haushaltsl­age Weingarten­s?“Ein Punkt der noch offen ist, aber bald beantworte­t werden wird.

Spätestens bis zum Oktober dieses Jahres. Dann soll laut Domko der Abschlussb­ericht den Gemeinderä­ten vorgelegt werden.

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FOTO: ARNE DEDERT/DPA Grobschätz­ung: Vier Millionen Euro wird der Streckenab­schnitt des Radschnell­wegs durch Weingarten kosten.
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GRAFIK: ALEXIS ALBRECHT 3,7 Kilometer lang ist der Abschnitt des Radschnell­wegs zwischen Baint und Friedrichs­hafen, der künftig durch Weingarten führen soll.

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