Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Radverkehrskonzept sieht 232 Maßnahmen vor
Radschnellweg soll in Weingarten über die Waldseer Straße führen – Radfahren soll attraktiver werden
WEINGARTEN - Das Ziel ist ehrgeizig: Bis 2030 will die Weingarten klimaneutral sein. Eine Baustein hierfür ist das Radverkehrskonzept der Gemeindeverbands Mittleres Schussental (GMS). Damit soll Radfahren künftig attraktiver sein und mit dem Auto im Verkehrsfluss mindestens gleichberechtigt sein. Nun hat das Planungsbüro Bernhard dem Weingartener Gemeinderat konkrete Pläne mit 232 Maßnahmen vorgelegt, die ein Netz von Radwegen vorsehen.
Darunter ist auch der Radschnellweg, der künftig Baint mit Friedrichshafen verbindet. Von den 29 Kilometern führen 3,7 Kilometer durch Weingarten - vor allem auf der Waldseer Straße und der Ravensburger Straße. Das Gesicht der Strecke wird sich dadurch komplett verändern. Die Baulast für den Radschnellweg trägt das Land. Die Grobkostenschätzung liegt bei vier Millionen Euro Baukosten.
Wer schon einmal durch Amsterdam oder Kopenhagen geradelt ist, hat eine Ahnung, wie tiefgreifend die Veränderungen durch das Radverkehrskonzept sein werden. Radfahrer, Fußgänger und Autos sind dann gleichberechtigt. Autofahren wird demnach in seinem aktuellen Vorrang beschnitten. Und das ist gewollt. Insgesamt soll das Radverkehrsnetz in Weingarten insgesamt 57 Kilometer umfassen. Um es durchgängig zu gestalten, müssen 232 Maßnahmen umgesetzt werden: Radwege, Schutzstreifen, Markierungen und nicht immer sind Wege dabei, wo Autos und Radfahrer sich eine Straße teilen.
Die Maßnahmen sind nach Kriterien beurteilt. Verkehrssicherheit, die Bedeutung für das Gesamtnetz oder der Zustand spielen eine Rolle, welche Maßnahme von hoher, mittlerer und nachrangiger Dringlichkeit sind. Auch das ist im Plan bereits ersichtlich.
Kernstück des Konzepts ist der 3,7 Kilometer lange Radschnellweg durch Weingarten. Radschnellverbindungen werden dort eingerichtet, auf denen wochentags 2000 Radfahrer binnen 24 Stunden auf einem überwiegenden Teil der Gesamtstrecke unterwegs sind. Die gesamte Strecke soll auch bei hohen Fahrgeschwindigkeiten von 30 Stundenkilometern mit dem Fahrrad sicher befahrbar sein. Radfahrer sollten durchschnittlich mit mindestens 20 Stundenkilometern vorankommen – Zeitverluste an Knotenpunkten oder auf Passagen mit Geschwindigkeitsberechnungen sind dabei schon eingerechnet.
Die Radwege oder Radstreifen sollten so breit sein, dass Nebeneinanderfahren und Überholen möglich ist, und sich also jeweils zwei Radfahrer in jeder Richtung begegnen können, ohne ausweichen zu müssen. Mit Autos und Lastwagen soll es möglichst wenige Begegnungen geben. Auch Fußgänger sollen nur in Ausnahmefällen auf dem Radschnellweg gehen.
Für die Waldseer Straße bedeutet dies, dass Spuren für Autos wegfallen. Zurzeit gibt es dort bis zu fünf Spuren. Rechts und links befindet sich der Fußgänger- und Radweg. Die Planung sieht vor, dass es künftig nur noch zwei, drei oder vier Spuren - je nach Variante - geben wird. Radfahrer und Fußgänger haben auf beiden Seiten jeweils einen eignen Streifen. Der Radschnellweg, auf dem auch der Linienbus fahren soll, ist zwischen drei und fünf Meter breit, je nachdem ob die Straße zwei-, drei- oder vierspurig gebaut wird. Bei der vierspurigen Variante ist der Radschnellweg allein den Radfahrern vorbehalten.
Dass Autos künftig weniger Vorrang haben werden, stößt nicht unbedingt bei allen auf Wohlwollen. Horst Wiest, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler Weingarten (FWW), gab zu Bedenken, dass damit der Autoverkehr
nicht notwendiger weniger werde. „Ich befürchte, dass sich der Verkehr dann auf Straßen verlagert, wo wir ihn eigentlich nicht haben wollen“, sagte Wiest in der Gemeinderatssitzung am Montagabend.
Einen Konflikt zwischen Autofahrern und Radler sehen auch die Grünen, die das Projekt grundsätzlich sehr begrüßen. „Der Konflikt wird kommen“, sagte Claus Kessel, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Er forderte die Stadtverwaltung auf, diesen Konflikt auf sich zu nehmen. Das könne der Gemeinderat nicht alleine tun.
Sorge bereitet den Räten auch die Finanzierung. Wenn die Grobschätzung für den Radschnellweg vier Millionen Euro liege, wie viel kostet die Stadt dann die Umsetzung der anderen Maßnahmen für das Radnetz? Darauf konnte Julia Domko, Projektleiterin der bei der Bernhard-Gruppe, auf Anfrage von SPD-Stadtrat Udo Mann noch keine Angaben machen.
Sicherlich könne man nicht eine Million Euro pro Kilometer auf die gesamten 57 Kilometer hochrechnen, da der Bau des Radschnellwegs deutlich kostenintensiver sei als die übrigen Maßnahmen. Doch für Mann bleibt die Frage: „Wie kriegen wir das Geld zusammen, angesichts der schmalen Haushaltslage Weingartens?“Ein Punkt der noch offen ist, aber bald beantwortet werden wird.
Spätestens bis zum Oktober dieses Jahres. Dann soll laut Domko der Abschlussbericht den Gemeinderäten vorgelegt werden.