Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kein Frauenandrang bei Blutreitergruppen
Erstmals können Blutreitergruppen Frauen mitreiten lassen – Aber werden sie das auch tun?
KREIS RAVENSBURG - Seit diesem Jahr kann jede Blutreitergruppe selbst entscheiden, ob Frauen in ihrer Gruppe mit Männern gemeinsam am Blutfreitag durch Stadt und Flure reiten, das hat die katholische Kirchengemeinde St. Martin als Veranstalter so bekannt gegeben. Denn bislang galt der Weingartener Blutritt, die größte Reiterprozession Europas, als reine Männerwallfahrt. In diesem Jahr könnte sich das ändern. Aber werden die Blutreitergruppen in der Region tatsächlich Frauen mitreiten lassen? Die SZ hat sich in einigen Blutreitergruppen umgehört.
Alois Sauter ist Gruppenführer der Blutreitergruppe Berg. Er reitet seit 58 Jahren am Tag nach Christi Himmelfahrt durch die Flure. Seiner Meinung nach hätte die Entscheidung, Frauen mitreiten zu lassen, nicht in der Corona-Zeit gefällt werden müssen. Denn ursprünglich, so Sauter, war geplant, die Blutreitergruppen in die Entscheidung mit einzubeziehen. Anfragen von Frauen bezüglich des Blutritts in Weingarten kamen noch nicht bei ihm an. Beim Georgsritt in Bad Wurzach und Limpbach reiten die Frauen jedoch schon seit Jahren mit, berichtet Sauter.
Zur Stimmung in seiner Gruppe befragt meint Sauter, dass sich wohl keiner trauen werde, sich dem Mitreiten von Frauen entgegenzustellen. Schließlich will man nicht als Frauenfeind gelten. Ihm ist wichtig, die Tradition des Blutritts weiter lebendig zu halten. Ob das in diesem besonderen Jahr überhaupt möglich ist, daran möchte Sauter noch nicht denken. Denn: Ist die Sieben-Tage-Inzidenz am 7. Mai nicht unter 100, so wird auch aus der geplanten kleinen Variante nichts.
Am Blutfreitag 2021 sollen aus Pandemiegründen nur insgesamt 200 Reiter über die Flure reiten, damit darf jede teilnehmende Gruppe zwei Personen entsenden. Sauter freut sich auf den Gedenkgottesdienst in der Gruppe mit der Gemeinde in Berg und eventuell einen ganz kleinen Flurritt. Das sei aber momentan nur eine Idee und noch nicht besprochen.
Gruppenführer Roland Frank aus Baienfurt hat kein Problem mit der Entscheidung, Frauen mitreiten zu lassen. Schließlich seien sie in Wurzach schon seit Jahren dabei. Und: Die Blutreitergruppe Baienfurt hatte ihre Satzung schon 2017 dahingehen aufgestellt, dass sie die Gruppe für Frauen öffnete. Allerdings: auch er hat noch keine konkrete Anfrage einer Frau. Frank meint, es sei weitaus schwieriger, die Pferde für die Reiter herzubekommen. Es fehle grundsätzlich schon jetzt für die Männer an geeigneten Pferden – in diesem Jahr jedoch nicht, weil pro Gruppe nur zwei zugelassen sind. Von den 40 Pferden, die seine Gruppe brauche, seien etwa 25 geliehen.
Die Pferde werden aus dem Allgäu oder vom Bodensee hergebracht. „Für den Blutritt brauchen wir ruhige, zuverlässige Pferde“, so Frank, und „Ich werde keinem Mann ein Pferd wegnehmen.“Geeignete Rassen wie die Württemberger werden inzwischen sehr selten gehalten. Frank ist sicher, dass sich langfristig nicht viel ändern wird an der Teilnehmerzahl, unabhängig davon, ob Frauen mitreiten oder nicht.
Schließlich sei das wichtigste, die richtige Einstellung und Motivation. Jemand, der mitreiten möchte, weil es gut aussieht, habe schnell genug, wenn es ein kalter oder regnerischer Morgen sei. Da brauche es schon einen wichtigeren Grund, nämlich der persönliche Glaube und die Bereitschaft, betend und singend Gottes Segen zu erbitten.
Dem stimmt Meinrad Maurer aus Blitzenreute zu. Seit über 40 Jahren ist er dabei beim Blutritt. „Für mich ist die Prozession mein persönlicher Besinnungs- und Wallfahrtstag. Ich habe dann die Möglichkeit, für den Frieden, die Schöpfung und das menschliche Miteinander zu beten.“
Maurer bezweifelt, dass es viele Frauen gibt, die mitreiten möchten. Die Kommunikation zwischen den Prozessionsreitern und den Organisatoren sei sehr schlecht gewesen, was diese Entscheidung angeht, findet Maurer. Dass die Gruppen nun selbst entscheiden sollen, ob sie Frauen in ihre Reihen aufnehmen, bezeichnet er als abgeschobene Verantwortung. Viele Details seien außerdem noch ungeklärt, wie beispielsweise die Frage der Kleiderordnung. „Ziehen die Frauen dann auch einen Gehrock an?“fragt er sich.
Josef Bendel, Gruppenführer der Bergatreuter Blutreiter, berichtet, dass manche vor allem der langjährigen Reiter „verschnupft“seien. Die Entscheidung für Frauen habe „hinter dem Rücken der Reiter stattgefunden“. „Wir sind als Gruppenführer nicht mal vorab informiert worden, ich habe das aus der Zeitung erfahren“, so Bendel. Grundsätzlich begrüßt er die Entscheidung jedoch, denn „wir brauchen die Frauen!“Seine Gruppe werde demokratisch abstimmen, ob Frauen zukünftig mitreiten sollen.