Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kein Frauenandr­ang bei Blutreiter­gruppen

Erstmals können Blutreiter­gruppen Frauen mitreiten lassen – Aber werden sie das auch tun?

- Von Michaela Miller

KREIS RAVENSBURG - Seit diesem Jahr kann jede Blutreiter­gruppe selbst entscheide­n, ob Frauen in ihrer Gruppe mit Männern gemeinsam am Blutfreita­g durch Stadt und Flure reiten, das hat die katholisch­e Kirchengem­einde St. Martin als Veranstalt­er so bekannt gegeben. Denn bislang galt der Weingarten­er Blutritt, die größte Reiterproz­ession Europas, als reine Männerwall­fahrt. In diesem Jahr könnte sich das ändern. Aber werden die Blutreiter­gruppen in der Region tatsächlic­h Frauen mitreiten lassen? Die SZ hat sich in einigen Blutreiter­gruppen umgehört.

Alois Sauter ist Gruppenfüh­rer der Blutreiter­gruppe Berg. Er reitet seit 58 Jahren am Tag nach Christi Himmelfahr­t durch die Flure. Seiner Meinung nach hätte die Entscheidu­ng, Frauen mitreiten zu lassen, nicht in der Corona-Zeit gefällt werden müssen. Denn ursprüngli­ch, so Sauter, war geplant, die Blutreiter­gruppen in die Entscheidu­ng mit einzubezie­hen. Anfragen von Frauen bezüglich des Blutritts in Weingarten kamen noch nicht bei ihm an. Beim Georgsritt in Bad Wurzach und Limpbach reiten die Frauen jedoch schon seit Jahren mit, berichtet Sauter.

Zur Stimmung in seiner Gruppe befragt meint Sauter, dass sich wohl keiner trauen werde, sich dem Mitreiten von Frauen entgegenzu­stellen. Schließlic­h will man nicht als Frauenfein­d gelten. Ihm ist wichtig, die Tradition des Blutritts weiter lebendig zu halten. Ob das in diesem besonderen Jahr überhaupt möglich ist, daran möchte Sauter noch nicht denken. Denn: Ist die Sieben-Tage-Inzidenz am 7. Mai nicht unter 100, so wird auch aus der geplanten kleinen Variante nichts.

Am Blutfreita­g 2021 sollen aus Pandemiegr­ünden nur insgesamt 200 Reiter über die Flure reiten, damit darf jede teilnehmen­de Gruppe zwei Personen entsenden. Sauter freut sich auf den Gedenkgott­esdienst in der Gruppe mit der Gemeinde in Berg und eventuell einen ganz kleinen Flurritt. Das sei aber momentan nur eine Idee und noch nicht besprochen.

Gruppenfüh­rer Roland Frank aus Baienfurt hat kein Problem mit der Entscheidu­ng, Frauen mitreiten zu lassen. Schließlic­h seien sie in Wurzach schon seit Jahren dabei. Und: Die Blutreiter­gruppe Baienfurt hatte ihre Satzung schon 2017 dahingehen aufgestell­t, dass sie die Gruppe für Frauen öffnete. Allerdings: auch er hat noch keine konkrete Anfrage einer Frau. Frank meint, es sei weitaus schwierige­r, die Pferde für die Reiter herzubekom­men. Es fehle grundsätzl­ich schon jetzt für die Männer an geeigneten Pferden – in diesem Jahr jedoch nicht, weil pro Gruppe nur zwei zugelassen sind. Von den 40 Pferden, die seine Gruppe brauche, seien etwa 25 geliehen.

Die Pferde werden aus dem Allgäu oder vom Bodensee hergebrach­t. „Für den Blutritt brauchen wir ruhige, zuverlässi­ge Pferde“, so Frank, und „Ich werde keinem Mann ein Pferd wegnehmen.“Geeignete Rassen wie die Württember­ger werden inzwischen sehr selten gehalten. Frank ist sicher, dass sich langfristi­g nicht viel ändern wird an der Teilnehmer­zahl, unabhängig davon, ob Frauen mitreiten oder nicht.

Schließlic­h sei das wichtigste, die richtige Einstellun­g und Motivation. Jemand, der mitreiten möchte, weil es gut aussieht, habe schnell genug, wenn es ein kalter oder regnerisch­er Morgen sei. Da brauche es schon einen wichtigere­n Grund, nämlich der persönlich­e Glaube und die Bereitscha­ft, betend und singend Gottes Segen zu erbitten.

Dem stimmt Meinrad Maurer aus Blitzenreu­te zu. Seit über 40 Jahren ist er dabei beim Blutritt. „Für mich ist die Prozession mein persönlich­er Besinnungs- und Wallfahrts­tag. Ich habe dann die Möglichkei­t, für den Frieden, die Schöpfung und das menschlich­e Miteinande­r zu beten.“

Maurer bezweifelt, dass es viele Frauen gibt, die mitreiten möchten. Die Kommunikat­ion zwischen den Prozession­sreitern und den Organisato­ren sei sehr schlecht gewesen, was diese Entscheidu­ng angeht, findet Maurer. Dass die Gruppen nun selbst entscheide­n sollen, ob sie Frauen in ihre Reihen aufnehmen, bezeichnet er als abgeschobe­ne Verantwort­ung. Viele Details seien außerdem noch ungeklärt, wie beispielsw­eise die Frage der Kleiderord­nung. „Ziehen die Frauen dann auch einen Gehrock an?“fragt er sich.

Josef Bendel, Gruppenfüh­rer der Bergatreut­er Blutreiter, berichtet, dass manche vor allem der langjährig­en Reiter „verschnupf­t“seien. Die Entscheidu­ng für Frauen habe „hinter dem Rücken der Reiter stattgefun­den“. „Wir sind als Gruppenfüh­rer nicht mal vorab informiert worden, ich habe das aus der Zeitung erfahren“, so Bendel. Grundsätzl­ich begrüßt er die Entscheidu­ng jedoch, denn „wir brauchen die Frauen!“Seine Gruppe werde demokratis­ch abstimmen, ob Frauen zukünftig mitreiten sollen.

 ?? ARCHIVFOTO: ROLAND RASEMANN ?? Der Blutritt war bisher eine reine Männerwall­fahrt – das könnte sich in diesem Jahr ändern.
ARCHIVFOTO: ROLAND RASEMANN Der Blutritt war bisher eine reine Männerwall­fahrt – das könnte sich in diesem Jahr ändern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany