Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Corona-Hänselejuck bleibt ohne Folgen
Stadt Überlingen stellt alle Anzeigen wegen Verstößen gegen die Corona-Verordnung ein
ÜBERLINGEN - Rund 50 Hänsele und 200 Zuschauer sollen am Fasnetsamstag in Überlingen unterwegs gewesen sein und teilweise gegen die Corona-Verordnung verstoßen haben. Die Polizei hatte zehn Verstöße angezeigt. Übrig geblieben ist keiner davon. Alle diese Anzeigen seien eingestellt worden, teilt die Pressestelle der Stadt Überlingen auf Anfrage mit. War es nur viel Lärm um nichts?
„Derzeit sind bei der Stadt Überlingen insgesamt vier Ordnungswidrigkeitsverfahren vom Tag des Hänselejucks anhängig“, heißt es. Keines der Verfahren beziehe sich jedoch auf Verstöße gegen die Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg. „Drei Personen haben die Kontrolle ihrer Personalien verweigert, eine Person hat den Straßenverkehr behindert“, schreibt die Pressestelle.
„Seitens der Polizei sind durchaus auch Verstöße gegen die Corona-Verordnung angezeigt worden“, sagt Oliver Weißflog, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Ravensburg. Insgesamt seien es etwa zehn solcher Verstöße gewesen. Er sagt aber auch: „Es ist nicht die Aufgabe der Polizei, das zu sanktionieren.“Dafür sei die Stadt Überlingen als Bußgeldbehörde zuständig. Sie habe darüber zu entscheiden, ob die Verstöße geahndet oder ob die Verfahren eingestellt werden.
Primäres Ziel bei dem Einsatz am Fasnetsamstag sei auch nicht gewesen, möglichst viele Anzeigen zu erstatten, sagt Weißflog. Vielmehr sei es um die Gefahrenabwehr im Sinne des Infektionsschutzes gegangen. Die Absicht der Polizei sei gewesen, die Leute möglichst dazu zu bewegen, nach Hause zu gehen, damit das Infektionsrisiko entschärft werde. Mittels Kommunikation sei das weitgehend gelungen. Lediglich Einzelne seien uneinsichtig gewesen.
Die Pressestelle der Stadt Überlingen formuliert es ähnlich: „Im Ergebnis handelte es sich an diesem Abend um einen Polizeieinsatz zur Gefahrenabwehr im Sinne des Infektionsschutzes – nach Auflösung der Ansammlungen war der Zweck erfüllt beziehungsweise das angestrebte Ziel erreicht.“Die zehn Anzeigen wegen Verstößen gegen die CoronaVerordnung seien „nach Prüfung und Ausübung pflichtgemäßen Ermessens“eingestellt worden, schreibt die Pressestelle. Grund dafür sei, dass der Vorwurf der „Teilnahme an einer Veranstaltung“nicht beweiskräftig gewesen sei.
Die Pressestelle der Stadt erläutert, dass zwar zahlreiche Einzelpersonen im Hänsele-Häs in der Überlinger Altstadt unterwegs gewesen seien, dass dies für sich genommen jedoch keinen Verstoß gegen die Corona-Verordnung darstelle. Nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten beziehungsweise deren Kommentierung sei von der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit abzusehen, wenn die Verantwortlichkeit des Täters fraglich sei. „Bei den betreffenden Personen, deren Verfahren eingestellt wurden, erfolgte jeweils im Einzelnen eine Belehrung beziehungsweise Ermahnung, welche die Bußgeldstelle im Rahmen der Ermessensausübung als ausreichend erachtet“, teilt die Pressestelle der Stadt außerdem mit.
Unter den Überlinger Narren war die Aufregung über das Auftreten der Polizei nach dem Einsatz am Fasnetsamstag groß. Hänselevater Harald Kirchmaier hatte den Polizeieinsatz am Tag danach als „unverhältnismäßig“
Polizeisprecher Oliver Weißflog
bezeichnet. „Es war garantiert keine offizielle Veranstaltung der Hänselezunft“, sagte er. Der Hänselejuck, der jedes Jahr Tausende Besucher nach Überlingen lockt, sei wegen Corona schon früh komplett abgesagt worden. Dennoch habe die Zunft keinen Einfluss darauf, wenn trotzdem einige der insgesamt 1500 Hänsele ihr Häs anziehen und auf den Straßen unterwegs sind. Darüber hinaus sei es überhaupt nicht sicher, dass alle, die ein Hänsele-Häs tragen, auch Mitglieder der Zunft seien, sagte er.
Den Vorwurf, die Polizei sei in Überlingen unverhältnismäßig vorgegangen, hatte Polizeipräsident Uwe Stürmer nicht hinnehmen wollen. „In 86 Städten und Gemeinden im Gebiet unseres Präsidiums halten sich die Zünfte an die Verordnungen. Da können wir doch jetzt bei denen, die sich nicht an die Regeln halten, nicht einfach wegschauen“, sagte er. Und: „Da verwechseln offenbar manche Ursache und Wirkung.“
Darüber, dass die Stadt Überlingen inzwischen alle zehn Verfahren eingestellt hat, herrscht bei de Polizei aber kein Unmut. „Die Polizei zeigt Fehlverhalten nur an. Ob oder wie Verstöße sanktioniert werden, ist Sache der Behörden“, sagt Oliver Weißflog. Dass Verfahren eingestellt werden, gehöre zum täglichen Geschäft.
„Die Polizei zeigt Fehlverhalten nur an. Ob und wie Verstöße sanktioniert werden, ist Sache der Behörden.“