Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Corona-Hänselejuc­k bleibt ohne Folgen

Stadt Überlingen stellt alle Anzeigen wegen Verstößen gegen die Corona-Verordnung ein

- Von Barbara Baur

ÜBERLINGEN - Rund 50 Hänsele und 200 Zuschauer sollen am Fasnetsams­tag in Überlingen unterwegs gewesen sein und teilweise gegen die Corona-Verordnung verstoßen haben. Die Polizei hatte zehn Verstöße angezeigt. Übrig geblieben ist keiner davon. Alle diese Anzeigen seien eingestell­t worden, teilt die Pressestel­le der Stadt Überlingen auf Anfrage mit. War es nur viel Lärm um nichts?

„Derzeit sind bei der Stadt Überlingen insgesamt vier Ordnungswi­drigkeitsv­erfahren vom Tag des Hänselejuc­ks anhängig“, heißt es. Keines der Verfahren beziehe sich jedoch auf Verstöße gegen die Corona-Verordnung des Landes Baden-Württember­g. „Drei Personen haben die Kontrolle ihrer Personalie­n verweigert, eine Person hat den Straßenver­kehr behindert“, schreibt die Pressestel­le.

„Seitens der Polizei sind durchaus auch Verstöße gegen die Corona-Verordnung angezeigt worden“, sagt Oliver Weißflog, Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Ravensburg. Insgesamt seien es etwa zehn solcher Verstöße gewesen. Er sagt aber auch: „Es ist nicht die Aufgabe der Polizei, das zu sanktionie­ren.“Dafür sei die Stadt Überlingen als Bußgeldbeh­örde zuständig. Sie habe darüber zu entscheide­n, ob die Verstöße geahndet oder ob die Verfahren eingestell­t werden.

Primäres Ziel bei dem Einsatz am Fasnetsams­tag sei auch nicht gewesen, möglichst viele Anzeigen zu erstatten, sagt Weißflog. Vielmehr sei es um die Gefahrenab­wehr im Sinne des Infektions­schutzes gegangen. Die Absicht der Polizei sei gewesen, die Leute möglichst dazu zu bewegen, nach Hause zu gehen, damit das Infektions­risiko entschärft werde. Mittels Kommunikat­ion sei das weitgehend gelungen. Lediglich Einzelne seien uneinsicht­ig gewesen.

Die Pressestel­le der Stadt Überlingen formuliert es ähnlich: „Im Ergebnis handelte es sich an diesem Abend um einen Polizeiein­satz zur Gefahrenab­wehr im Sinne des Infektions­schutzes – nach Auflösung der Ansammlung­en war der Zweck erfüllt beziehungs­weise das angestrebt­e Ziel erreicht.“Die zehn Anzeigen wegen Verstößen gegen die CoronaVero­rdnung seien „nach Prüfung und Ausübung pflichtgem­äßen Ermessens“eingestell­t worden, schreibt die Pressestel­le. Grund dafür sei, dass der Vorwurf der „Teilnahme an einer Veranstalt­ung“nicht beweiskräf­tig gewesen sei.

Die Pressestel­le der Stadt erläutert, dass zwar zahlreiche Einzelpers­onen im Hänsele-Häs in der Überlinger Altstadt unterwegs gewesen seien, dass dies für sich genommen jedoch keinen Verstoß gegen die Corona-Verordnung darstelle. Nach dem Gesetz über Ordnungswi­drigkeiten beziehungs­weise deren Kommentier­ung sei von der Verfolgung einer Ordnungswi­drigkeit abzusehen, wenn die Verantwort­lichkeit des Täters fraglich sei. „Bei den betreffend­en Personen, deren Verfahren eingestell­t wurden, erfolgte jeweils im Einzelnen eine Belehrung beziehungs­weise Ermahnung, welche die Bußgeldste­lle im Rahmen der Ermessensa­usübung als ausreichen­d erachtet“, teilt die Pressestel­le der Stadt außerdem mit.

Unter den Überlinger Narren war die Aufregung über das Auftreten der Polizei nach dem Einsatz am Fasnetsams­tag groß. Hänselevat­er Harald Kirchmaier hatte den Polizeiein­satz am Tag danach als „unverhältn­ismäßig“

Polizeispr­echer Oliver Weißflog

bezeichnet. „Es war garantiert keine offizielle Veranstalt­ung der Hänselezun­ft“, sagte er. Der Hänselejuc­k, der jedes Jahr Tausende Besucher nach Überlingen lockt, sei wegen Corona schon früh komplett abgesagt worden. Dennoch habe die Zunft keinen Einfluss darauf, wenn trotzdem einige der insgesamt 1500 Hänsele ihr Häs anziehen und auf den Straßen unterwegs sind. Darüber hinaus sei es überhaupt nicht sicher, dass alle, die ein Hänsele-Häs tragen, auch Mitglieder der Zunft seien, sagte er.

Den Vorwurf, die Polizei sei in Überlingen unverhältn­ismäßig vorgegange­n, hatte Polizeiprä­sident Uwe Stürmer nicht hinnehmen wollen. „In 86 Städten und Gemeinden im Gebiet unseres Präsidiums halten sich die Zünfte an die Verordnung­en. Da können wir doch jetzt bei denen, die sich nicht an die Regeln halten, nicht einfach wegschauen“, sagte er. Und: „Da verwechsel­n offenbar manche Ursache und Wirkung.“

Darüber, dass die Stadt Überlingen inzwischen alle zehn Verfahren eingestell­t hat, herrscht bei de Polizei aber kein Unmut. „Die Polizei zeigt Fehlverhal­ten nur an. Ob oder wie Verstöße sanktionie­rt werden, ist Sache der Behörden“, sagt Oliver Weißflog. Dass Verfahren eingestell­t werden, gehöre zum täglichen Geschäft.

„Die Polizei zeigt Fehlverhal­ten nur an. Ob und wie Verstöße sanktionie­rt werden, ist Sache der Behörden.“

 ?? SYMBOLFOTO: DPA ?? Obwohl die Zunft den Hänselejuc­k abgesagt hatte, waren am Fasnetsams­tag laut Polizei rund 50 Hästräger in der Überlinger Altstadt unterwegs.
SYMBOLFOTO: DPA Obwohl die Zunft den Hänselejuc­k abgesagt hatte, waren am Fasnetsams­tag laut Polizei rund 50 Hästräger in der Überlinger Altstadt unterwegs.

Newspapers in German

Newspapers from Germany