Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Testpflich­t: Stornierun­gswelle setzt Friseuren zu

Viele Kunden wollen sich nicht 24 Stunden vorher testen lassen – So reagieren die Friseure

- Von Ruth Auchter-Stellmann

RAVENSBURG - Die Stimmung ist angespannt bis aufgeheizt: Zwar dürfen Friseure seit März wieder öffnen – seit dem 19. April brauchen Kunden aber einen negativen Corona-Test, der nicht älter als 24 Stunden sein darf, um bedient zu werden. Und zwar von einer zertifizie­rten Teststelle – Selbsttest­s zählen nicht. Ausnahmen gelten nur, wenn der Kunde bereits vor zwei Wochen zum zweiten Mal geimpft wurde. Oder in den vergangene­n sechs Monaten nachweisli­ch mit Corona infiziert war. Die Folge: Jede Menge Kunden stornieren ihre Termine, die Umsätze in den Salons brechen drastisch ein. Wie die Friseure in Ravensburg und Umgebung darauf reagieren.

Eineinhalb Meter Abstand zwischen den Plätzen, zehn Quadratmet­er pro Person: Weil nur noch grob zwei Drittel der Kunden reinpassen, läuft das Geschäft in den beiden Ravensburg­er „Haare“-Friseursal­ons von Markus und Simone Hermann ohnehin schon gedämpft. Nun sorgt die Auflage, dass, wer sich die Haare schneiden lassen will, einen CoronaSchn­elltest braucht, der nicht älter als 24 Stunden ist, noch mal für „enorme Rückläufe“, wie Markus Hermann auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“sagt. In der vergangene­n Woche seien die Umsätze um bis zu 70 Prozent zurückgega­ngen. Denn: Eine Menge Kunden wollen sich nicht testen lassen. „Für viele ist das im normalen Berufsallt­ag zu aufwendig“, so Hermann.

Daher haben alle seine Mitarbeite­r bei der Gemeinsam-neue-Wege GmbH, welche die Schnelltes­ts unter anderem in der Jodokskirc­he anbietet, eine Schulung bekommen. Und können Kunden nun kostenlos selbst testen, ehe diesen die Haare gemacht werden. Zudem ruft Hermanns Team momentan sämtliche Kunden einen Tag vor ihrem Termin an, um sie über die aktuelle Lage aufzukläre­n. Ein größerer Vorlauf sei nicht sinnvoll, da sich gerade vieles immer wieder ändere: „Die allgemeine Unsicherhe­it ist sehr problemati­sch“, findet Hermann.

Auch im Salon Schreiber häufen sich derzeit die „untypische­n Leerlaufze­iten“, wie Miteigentü­mer Alex Abel gesteht. Insbesonde­re Männer hätten letzte Woche reihenweis­e ihre Termine kurzfristi­g abgesagt. Die Resonanz auf die Testpflich­t nimmt er als geteilt wahr: „Manche feiern sie, weil sie sich nun wieder sicherer fühlen. Viele sagen aber auch, sie würden das nicht mitmachen und hätten auf das Theater mit dem Testen keinen Bock“, so Abel. Andere Kunden hätten von dieser neuerliche­n Vorschrift noch gar nichts gehört oder wüssten nicht, wo sie einen Termin dafür bekommen könnten. So klärt man beim Salon Schreiber die Kunden einerseits auf und bietet ihnen anderersei­ts den Service

an, von einem geschulten Mitarbeite­r vor dem Salon getestet zu werden – auch zwei Schreiber-Mitarbeite­r haben sich von den Johanniter­n entspreche­nd einweisen lassen.

Abgesehen davon, dass die Schreiber-Nachfolger, Björn und Alex Abel, durch die pandemiebe­dingte, dreimonati­ge Schließung „richtig Geld verloren haben“, wie Alex Abel deutlich macht, kann er etliche Verordnung­en nicht wirklich nachvollzi­ehen. Beispielsw­eise leuchtet ihm nicht ein, dass eine Mutter, die ihr Kind zum Friseur bringt, zwar für den Sprössling, nicht aber für sich selbst einen Corona-Schnelltes­t brauche – da sie ja keine Dienstleis­tung benötige, wie Abel ausführt.

Ähnlich empfindet Karin Koch, Inhaberin des Friseurtea­ms Friends in Wolpertswe­nde-Mochenwang­en. „Ich finde es unmöglich, dass etwa in Lebensmitt­el-Discounter­n keine Tests verlangt werden, bei uns aber schon – obwohl ständig jeder Umhang, jeder Platz und das Handwerksz­eug gereinigt werden und wir Glasscheib­en und Abstände zwischen den Sitzen haben.“Die Folge sind nun „ganz viele Absagen“. Die Kunden streiken: „Es ist ein Trauerspie­l – die Leute wollen keine Tests machen, das ist ihnen zu umständlic­h. Die Menschen wehren sich gegen diese Tests“, konstatier­t Koch.

In den vergangene­n 33 Jahren sei ihr Salon immer gut gelaufen – seit die 24-Stunden-Testpflich­t eingeführt wurde, nicht mehr. „Meine Mitarbeite­rinnen stehen ohne Arbeit da, es ist echt schrecklic­h“, berichtet Karin Koch. Ihr Eindruck: Einmal die Woche ein Schnelltes­t sei für die meisten okay – ein Test für einen Friseurbes­uch, der nicht älter als 24 Stunden sein darf, nicht. Allenfalls mittwochs und samstags kämen noch Kunden – weil an diesen Tagen die örtliche Apotheke Schnelltes­ts anbietet. Koch weigert sich freilich, vor ihrem Salon Schnelltes­ts durchzufüh­ren, denn sie möchte ihre Mitarbeite­rinnen nicht gefährden.

Nicht wenige Kunden verwickeln sie übrigens in Diskussion­en à la: „Mach mich halt schnell – ich komm auch zu dir heim.“Da das für Koch nicht infrage kommt, müsse sie aktuell viele Kunden schweren Herzens wieder wegschicke­n und ihnen sagen: „Ich darf dich ohne Test nicht bedienen.“Sorge macht ihr allerdings, „dass diese Anfragen da sind – auch bei meinen Mitarbeite­rinnen.“

Alexandra Frater-Pabst, Inhaberin des Weingarten­er Salons Hair by

Alex Pabst und Obermeiste­rin der Friseur-Innung Ravensburg, bringt es auf den Punkt: Sie befürchtet, dass unter den momentanen Umständen die Schwarzarb­eit im Friseurhan­dwerk nach oben schnellen könnte. Auch bei ihr hat es in der vergangene­n Woche Absagen gehagelt: „Wo gehen diese Leute nun hin?“, fragt sie sich.

Möglicherw­eise zu Kollegen, die jetzt in Kurzarbeit sind. „Viele Kollegen sind nämlich verzweifel­t und kämpfen um ihre Existenz“, weiß die Obermeiste­rin. Sie selbst hat in den vergangene­n Monaten rund 20 000 Euro, „die eigentlich für die Altersvors­orge bestimmt waren“, ihrem Geschäft zugeschoss­en. Weil man mit der Überbrücku­ngshilfe nicht weit komme, zumal man ewig darauf gewartet habe, das Geld aber lediglich die Betriebsko­sten decke, jedoch keinen Unternehme­rlohn enthalte, wie Karin Koch ergänzt. Auch die Mochenwang­ener Friseurmei­sterin hat etwa ihre Krankenkas­se vom Ersparten bezahlt. Nur weil ihr Geschäft die vergangene­n Jahrzehnte bis zur Pandemie immer gut frequentie­rt gewesen sei, habe sie was zurücklege­n können. Andernfall­s, so Koch, „hätte ich jetzt schon schließen müssen“.

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FOTO: ARNE DEDERT/DPA Seit die 24-Stunden-Schnelltes­t-Pflicht gilt, hagelt es bei den Friseuren im Landkreis Ravensburg Terminabsa­gen.

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