Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Klagen über Raser und illegale Autorennen

Hohe Lärmbeläst­igung frustriert die Anwohner in der Waldseer Straße in Weingarten

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Immer wieder und teilweise bis zu 130 Stundenkil­ometer schnell rasen die meist jungen Männer in ihren hochmotori­sierten und teils aufgemotzt­en Autos über die Ravensburg­er und Waldseer Straße durch Weingarten – bei erlaubten 50 km/h. Dabei gefährden sie nicht nur andere Verkehrste­ilnehmer, sondern erzeugen auch jede Menge Lärm. Anwohner können ihre Balkone und Gärten so kaum oder nur mit Einschränk­ungen nutzen. Das sorgt für reichlich Frust, gerade im aufkommend­en Frühling bei den aktuell strikten Corona-Beschränku­ngen.

„Von wegen Urlaub zu Hause in Zeiten der Corona-Pandemie. Schöne Sommeraben­de auf der Terrasse oder im Garten sind reine Nervensach­e für Anwohner und eine Gefahr für beteiligte Verkehrste­ilnehmer“, sagt Reinhold Scheuerer. Seit 1956 wohnt er an der Kreuzung Waldseer Straße/Talstraße, hat die wirklich lauten Zeiten miterlebt, als die Waldseer Straße noch die Bundesstra­ße B 30 war und das Abbremsen und Anfahren der Lastwagen für noch mehr Ärger sorgte. So schlimm sei es aktuell nicht, und auch der normale Verkehrslä­rm sei kein Problem. Daran habe man sich längst gewöhnt. Doch das Aufheulen der Motoren und knallende Auspuffe der Raser- und Poser-Szene machten ihn wahnsinnig, so Scheuerer. „Da wird man selbst aggressiv. Manche Autos fahren fünf-, sechsmal hin und her“, sagt der 73Jährige, der nach eigener Aussage für viele Anwohner spricht. In der Nachbarsch­aft sei die Lärmbeläst­igung das zentrale Gesprächst­hema. Und zwar nicht erst seit der Pandemie.

Schon in den beiden vergangene­n Sommern habe man dieses Problem gehabt. Daher glaubt der pensionier­te Friseur, der seinen zur Straße gewandten Balkon eigentlich nur noch zum Wäscheaufh­ängen benutzt und mit offenen Fenstern kaum mehr telefonier­en kann, dass es mit den steigenden Temperatur­en noch schlimmer werden wird. Denn dann kommen noch die Motorradfa­hrer hinzu. Eine für ihn extrem frustriere­nde Mischung.

„Manipulier­te Auspuffanl­agen knallen bei jedem Gangwechse­l wie Kanonensch­läge. Sollte eine grüne Welle erwischt werden, wird links, rechts überholt, oder auch ausgebrems­t, je nach Verkehrsla­ge“, schildert er die Szenerie. „Auch Motorradfa­hrer beteiligen sich mit Getöse an diesen Wettbewerb­en. Für mich sind dies illegale Autorennen.“

Das sehen auch die Behörden ähnlich. Immer wieder berichtet die Polizei von Rasern und dem Verdacht auf illegale Autorennen, gerade in Weingarten, insbesonde­re auf der Waldseer Straße. Solche Fälle wurden auch schon in erster und zweiter Instanz vor den Ravensburg­er Gerichten verhandelt. Während die Autos bislang nicht dauerhaft eingezogen werden konnten, wurden die Angeklagte­n zu Geldstrafe­n in Höhe von mehreren Tausend Euro verurteilt und ihnen für knapp zwei Jahre der Führersche­in entzogen.

Das begrüßt auch Scheuerer. Denn gerade mit Blick auf das Wochenende nimmt der Lärm konstant zu. „Die rasen manchmal im ZehnMinute­n-Takt auf und ab. Die wollen gehört und gesehen werden“, sagt der 73-Jährige, der glaubt, dass sich die Szene ganz bewusst in der Stadt trifft.

Besonders bitter für ihn persönlich: Seit acht Jahren ist er im Ruhestand und hält sich seitdem viel häufiger im Garten und um das Haus herum auf. „Dementspre­chend nervt es umso mehr. Das trifft den Nerv im Rentenalte­r“, sagt er und fügt süffisant hinzu: „Wir begrüßen jetzt die Ausgangssp­erre.“

Immerhin: Die Polizei kontrollie­rt seit geraumer Zeit viel häufiger, weswegen mittlerwei­le auch regelmäßig Verstöße festgestel­lt werden. Das ist für Scheuerer schon eine gute Entwicklun­g und ein Teilerfolg, schließlic­h hat er sich bereits mehrfach beim Weingarten­er Ordnungsam­t beschwert: „Nur dank der verstärkte­n Kontrollen durch die Polizei kann diesem Unwesen Einhalt geboten werden. Selbstvers­tändlich sind die Ordnungshü­ter mit der aktuellen Situation außerorden­tlich gefordert, doch muss diese maßlose Überschrei­tung der geltenden Regeln überwacht und entspreche­nd geahndet werden.“

Im Übrigen ist es nicht das erste Mal, dass Scheuerer auf diese Problemati­k hinweist und kleine Erfolge erzielt. So sammelte er im Jahr 2014 rund 100 Unterschri­ften und forderte stationäre Radarkontr­ollen auf der viel befahrenen Straße. Und damit hatte er Erfolg. Der Gemeindera­t entschied sich für Blitzer an der Waldseer Straße. Nur die Raser beeindruck­t das offensicht­lich bis heute nicht.

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SYMBOLFOTO: ELKE OBSER Die Lärmbeläst­igung durch Raser ist laut Reinhold Scheuerer in den vergangene­n Monaten erheblich gestiegen.

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