Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Klagen über Raser und illegale Autorennen
Hohe Lärmbelästigung frustriert die Anwohner in der Waldseer Straße in Weingarten
WEINGARTEN - Immer wieder und teilweise bis zu 130 Stundenkilometer schnell rasen die meist jungen Männer in ihren hochmotorisierten und teils aufgemotzten Autos über die Ravensburger und Waldseer Straße durch Weingarten – bei erlaubten 50 km/h. Dabei gefährden sie nicht nur andere Verkehrsteilnehmer, sondern erzeugen auch jede Menge Lärm. Anwohner können ihre Balkone und Gärten so kaum oder nur mit Einschränkungen nutzen. Das sorgt für reichlich Frust, gerade im aufkommenden Frühling bei den aktuell strikten Corona-Beschränkungen.
„Von wegen Urlaub zu Hause in Zeiten der Corona-Pandemie. Schöne Sommerabende auf der Terrasse oder im Garten sind reine Nervensache für Anwohner und eine Gefahr für beteiligte Verkehrsteilnehmer“, sagt Reinhold Scheuerer. Seit 1956 wohnt er an der Kreuzung Waldseer Straße/Talstraße, hat die wirklich lauten Zeiten miterlebt, als die Waldseer Straße noch die Bundesstraße B 30 war und das Abbremsen und Anfahren der Lastwagen für noch mehr Ärger sorgte. So schlimm sei es aktuell nicht, und auch der normale Verkehrslärm sei kein Problem. Daran habe man sich längst gewöhnt. Doch das Aufheulen der Motoren und knallende Auspuffe der Raser- und Poser-Szene machten ihn wahnsinnig, so Scheuerer. „Da wird man selbst aggressiv. Manche Autos fahren fünf-, sechsmal hin und her“, sagt der 73Jährige, der nach eigener Aussage für viele Anwohner spricht. In der Nachbarschaft sei die Lärmbelästigung das zentrale Gesprächsthema. Und zwar nicht erst seit der Pandemie.
Schon in den beiden vergangenen Sommern habe man dieses Problem gehabt. Daher glaubt der pensionierte Friseur, der seinen zur Straße gewandten Balkon eigentlich nur noch zum Wäscheaufhängen benutzt und mit offenen Fenstern kaum mehr telefonieren kann, dass es mit den steigenden Temperaturen noch schlimmer werden wird. Denn dann kommen noch die Motorradfahrer hinzu. Eine für ihn extrem frustrierende Mischung.
„Manipulierte Auspuffanlagen knallen bei jedem Gangwechsel wie Kanonenschläge. Sollte eine grüne Welle erwischt werden, wird links, rechts überholt, oder auch ausgebremst, je nach Verkehrslage“, schildert er die Szenerie. „Auch Motorradfahrer beteiligen sich mit Getöse an diesen Wettbewerben. Für mich sind dies illegale Autorennen.“
Das sehen auch die Behörden ähnlich. Immer wieder berichtet die Polizei von Rasern und dem Verdacht auf illegale Autorennen, gerade in Weingarten, insbesondere auf der Waldseer Straße. Solche Fälle wurden auch schon in erster und zweiter Instanz vor den Ravensburger Gerichten verhandelt. Während die Autos bislang nicht dauerhaft eingezogen werden konnten, wurden die Angeklagten zu Geldstrafen in Höhe von mehreren Tausend Euro verurteilt und ihnen für knapp zwei Jahre der Führerschein entzogen.
Das begrüßt auch Scheuerer. Denn gerade mit Blick auf das Wochenende nimmt der Lärm konstant zu. „Die rasen manchmal im ZehnMinuten-Takt auf und ab. Die wollen gehört und gesehen werden“, sagt der 73-Jährige, der glaubt, dass sich die Szene ganz bewusst in der Stadt trifft.
Besonders bitter für ihn persönlich: Seit acht Jahren ist er im Ruhestand und hält sich seitdem viel häufiger im Garten und um das Haus herum auf. „Dementsprechend nervt es umso mehr. Das trifft den Nerv im Rentenalter“, sagt er und fügt süffisant hinzu: „Wir begrüßen jetzt die Ausgangssperre.“
Immerhin: Die Polizei kontrolliert seit geraumer Zeit viel häufiger, weswegen mittlerweile auch regelmäßig Verstöße festgestellt werden. Das ist für Scheuerer schon eine gute Entwicklung und ein Teilerfolg, schließlich hat er sich bereits mehrfach beim Weingartener Ordnungsamt beschwert: „Nur dank der verstärkten Kontrollen durch die Polizei kann diesem Unwesen Einhalt geboten werden. Selbstverständlich sind die Ordnungshüter mit der aktuellen Situation außerordentlich gefordert, doch muss diese maßlose Überschreitung der geltenden Regeln überwacht und entsprechend geahndet werden.“
Im Übrigen ist es nicht das erste Mal, dass Scheuerer auf diese Problematik hinweist und kleine Erfolge erzielt. So sammelte er im Jahr 2014 rund 100 Unterschriften und forderte stationäre Radarkontrollen auf der viel befahrenen Straße. Und damit hatte er Erfolg. Der Gemeinderat entschied sich für Blitzer an der Waldseer Straße. Nur die Raser beeindruckt das offensichtlich bis heute nicht.