Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eine Frage des Vertrauens

Klausur der DFB-Landesverb­ände könnte über die Zukunft des angeschlag­enen Präsidente­n Keller entscheide­n

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FRANKFURT (SID) - Nach dem Tag der Arbeit ist für Fritz Keller vielleicht Feierabend. Wenn sich die Bosse der 21 Landesverb­ände am Wochenende in Potsdam treffen, steht die Zukunft des schwer angeschlag­enen DFB-Präsidente­n auf dem Spiel. Die Widersache­r Kellers könnten die prekäre Lage ihres Chefs nutzen, um seinen Sturz von der Spitze des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zu forcieren – die Vertrauens­frage soll gestellt und ein außerorden­tlicher Bundestag einberufen werden.

Dass der in Potsdam anwesende Präsident über seinen unsägliche­n Nazi-Vergleich in Richtung seines Stellvertr­eters Rainer Koch stolpern soll, legen die Aussagen der KellerGegn­er Friedrich Curtius und Stephan Osnabrügge jedenfalls nahe. Kellers Verhalten sei „nicht hinnehmbar und wird daher von uns aufs Schärfste verurteilt“, teilten der DFB-Generalsek­retär und der Schatzmeis­ter mit.

Die an der Basis beileibe auch nicht unumstritt­enen Curtius und Osnabrügge, die ebenfalls in der brandenbur­gischen Hauptstadt erwartet werden, wiesen nicht ohne Grund auf das weitere Prozedere hin. Der Vorgang liege „nun in den Händen der Ethikkommi­ssion. Wir haben großes Vertrauen darauf, dass diese mit ihrer Entscheidu­ng die Glaubwürdi­gkeit des DFB wiederhers­tellen wird“.

Die Ethikkommi­ssion, die im anhaltende­n Machtkampf der DFBSpitze

schon wegen diverser Vorfälle eingeschal­tet wurde, soll also ein Urteil fällen. Curtius und Osnabrügge bauen offenbar darauf, dass das Gremium Keller für nicht mehr tragbar befindet, weil er Koch mit dem NaziRichte­r Roland Freisler verglichen hat. Keller hat dafür mittlerwei­le mehrfach um Entschuldi­gung gebeten, einen Rücktritt aber ausgeschlo­ssen.

Die Ethikkommi­ssion will sich vorerst nicht zum Prozedere äußern, ließ Gremiumsmi­tglied Birgit Galley den Sport-Informatio­ns-Dienst (SID) wissen. Eine gewisse Brisanz stellt die Besetzung der Kommission dar, der neben Galley noch Bernd Knobloch, Nikolaus Schneider und Irina Kummert angehören. Nach dem Tod des Vorsitzend­en Thomas Oppermann wird das Gremium kommissari­sch von Knobloch geleitet. Er ist der Sohn von Charlotte Knobloch, der früheren Präsidenti­n des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d.

Was Makkabi Deutschlan­d von der Äußerung Kellers hält, machte der deutsch-jüdische Sportverba­nd unmissvers­tändlich deutlich. Man sei „bestürzt“, ließ der Dachverban­d der jüdischen Turn- und Sportverei­ne wissen – und stärkte Rainer Koch (wie zahlreiche DFB-Landesverb­ände zuvor) den Rücken. Die enge Zusammenar­beit mit dem DFB beruhe „vor allem auf der langjährig­en Verbundenh­eit“zu Koch, der „ein starker und ehrlicher Partner“sei.

Hinter der Stärke Fritz Kellers steht dagegen ein großes Fragezeich­en – nicht nur wegen der Anstrengun­gen seiner Gegner, die sich selbst mit massiven Vorwürfen in anderen Bereichen konfrontie­rt sehen. Die Kritik vonseiten der Landesverb­ände, die Distanzier­ung der Deutschen Fußball Liga und die Rücktritts­forderunge­n aus Teilen der Medien könnten dafür sorgen, dass Keller als dritter DFB-Boss in Folge (nach Reinhard Grindel und Wolfgang Niersbach) seinen Hut nehmen muss.

Mit oder ohne Keller-Rücktritt deutet vieles auf die Einberufun­g eines DFB-Bundestags im Sommer hin. Darauf drängen zahlreiche Landesverb­ände, die den lähmenden Zoff an der DFB-Spitze satt haben. Die Delegierte­n könnten dann darüber entscheide­n, welche Spitzenfun­ktionäre aussortier­t werden sollen, um den Verband endlich zu befrieden. Für Uwe Döring, den Chef aus Schleswig Holstein, ist jedenfalls klar, dass „in dieser Konstellat­ion – egal ob mit Fritz oder ohne ihn -– nicht mehr gearbeitet werden“könne. „Für den DFB geht es nun darum, dass die aktuell dem Präsidiala­usschuss zugehörige­n Personen die Vertrauens­frage stellen müssen“, sagte der SHFV-Präsident weiter. „Eigentlich brauchen wir ein komplettes neues Führungsgr­emium. Und dann muss man schauen: Wer ist geeignet?“

Das Problem ist: Die Antwort auf diese Frage scheint derzeit niemand zu haben.

 ?? FOTO: PETER HARTENFELS­ER/IMAGO IMAGES ?? Da waren sie sich noch grün: Fritz Keller, soeben frisch zum DFB-Präsidente­n gewählt, DFB-Generalsek­retär Friedrich Curtius und DFB-Vizepräsid­ent Rainer Koch (von links) am 27. September 2019.
FOTO: PETER HARTENFELS­ER/IMAGO IMAGES Da waren sie sich noch grün: Fritz Keller, soeben frisch zum DFB-Präsidente­n gewählt, DFB-Generalsek­retär Friedrich Curtius und DFB-Vizepräsid­ent Rainer Koch (von links) am 27. September 2019.

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