Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der Neue ist ein alter Bekannter
Wolfgang Stumpf folgt auf Harald Wanner als stellvertretender Polizeirevierleiter
WEINGARTEN - Weingartens Polizeirevier hat ein neues Gesicht: Wolfgang Stumpf ist seit 1. Mai Nachfolger von Harald Wanner, der in den Ruhestand gegangen ist. Der Neue ist ein alter Bekannter in Weingarten. Jahrelang ist Stumpf in Welfenstadt Streife gegangen. Er kennt die Stadt und seine Bürger in- und auswendig. Für seinen Chef, den Revierleiter Nicolas Riether, ist Stumpf der ideale Nachfolger für den beliebten Wanner.
Es sind große Fußstapfen, in die der 59-Jährige tritt. Doch halt. Nein, ein zweiter Wanner soll Stumpf nicht sein, wie Riether sagt. „Er braucht nicht in diese Fußstapfen treten. Wolfgang Stumpf soll seine eigenen Spuren legen“, sagt der Revierleiter. Der gebürtige Mainzer bringe alles mit, was ein Vize haben muss: Er ist anerkannt, mit der Stadt vertraut, ein Vollblutpolizist, ein Mann, der weiß, wovon er spricht. Und: „Ich kann mich auf ihn verlassen und die Kollegen schätzen ihn“, sagt Riether.
Stumpf wirkt ruhig und gelassen im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Seit 1. Mai hat er den Posten des Stellvertreters kommissarisch übernommen, da die Stelle offiziell von Polizeipräsidium noch nicht besetzt wurde. Das wird erst am 1. September der Fall sein. Solange ist er in einer Art Doppelfunktion tätig. Er ist auch Leiter des Ermittlungsdienstes, ein Amt, das er seit 2015 inne hat.
Warum ist er Polizist geworden? „Ich war damals in der 10. Klasse auf dem Gymnasium in Friedrichshafen“, erzählt Stumpf. „Irgendwann aus irgendwelchen Gründen wollte ich nicht mehr. Da bin ich zu Polizei gegangen und bin dabeigeblieben.“Den typischen Kinderwunsch, Polizist zu werden, habe er nicht gehabt, aber mit der Zeit kam dann die Liebe zum Beruf.
28 Jahre ist der heutige Polizeihauptkommissar Streife gegangen, von 1987 bis 1999 in Weingarten. Ein Knochenjob? „Sicherlich ist es von einer gewissen Aufregung geprägt“, sagt Stumpf etwas zögerlich. „Man weiß nie, was auf einen zukommt, wenn man zum Einsatz gerufen wird.“Klar bekomme man über die Wache und das Führungs- und Lagezentrum ein paar Eckdaten zum Einsatz, aber man weiß in den seltensten Fällen, wie es sich an Ort und Stelle entwickelt.
Gerade durch die Verschiebung der Freizeitaktivitäten, es gibt ja keine „Polizeistunde“mehr wie früher, wo es von ein Uhr nachts bis sechs Uhr früh ruhiger wurde, haben die Einsätze ab drei Uhr morgens an Intensität zugenommen. „Das ist das eigentlich Belastende“, sagt Stumpf. Oft ist dann Alkohol im Spiel, die Hemmschwelle gegenüber den Beamten sinkt.
Gerade Letzteres habe in den vergangen Jahren erheblich zugenommen. Das gehe quer durch alle Bevölkerungsschichten. „Die Konfliktbereitschaft gegenüber der Polizei als Vertreter des Staats ist viel höher als früher“, beobachtet der Polizeihauptkommissar. Das gilt auch für den Rettungsdienst und die Feuerwehr. Oftmals reicht eine Streife nicht aus, um eine Situation zu klären. Da wisse man schon im Voraus, dass es mit gut zureden nicht getan, sondern Gewahrsam
nötig ist. Selbst eine einfache Verkehrskontrolle kann ausarten.
Die Respektlosigkeit hat auch gegenüber Opfern zugenommen. Gaffer bei tödlichen Verkehrsunfällen zögern oft nicht mehr, ihr Handy zu zücken, den Toten zu fotografieren und das Bild in den sozialen Netzwerken zu verbreiten.
Doch der Polizeiberuf habe auch seine schönen Seiten, auch wenn man als Polizist wenig bis gar kein Lob für seine Arbeit bekommt. „Der Beruf ist sehr abwechslungsreich“, sagt Stumpf. „Man lernt unwahrscheinlich viele Leute und die komplette Bandbreite des Menschen kennen. Von super nett bis hoch aggressiv. Alles ist dabei und manchmal auch in ein und derselben Person vereint: eben noch umgänglich und dann plötzlich gefährlich.“
Entwickelt man mit der Zeit einen Sinn dafür, wann eine Situation gefährlich ist? „Das kann man eigentlich nicht lernen,“sagt der 59-Jährige. „Man muss sich sehr auf sein Gefühl und insbesondere auf seinen Streifenpartner verlassen. Aber zu was ein Mensch von einen Augenblick auf den anderen fähig ist, dass er vielleicht urplötzlich ausrastet und zum Messer greift, das könne man nie wissen. „Sie können nicht erahnen, was sich im Kopf des anderen abspielt“, sagt er.
Als Stellvertreter ist Stumpf nun der erste Ansprechpartner für die Weingartener Streifenbeamten. Er ist ganz nah an den Schichten und Beamten. Mit seiner Art, seiner Erfahrung und der Anerkennung, die er unter den Kollegen genießt, ist er der richtige Mann, sagt sein Chef.
Für psychische Belastungen beispielsweise nach schweren Unfällen gibt es für die Polizisten mittlerweile professionelle Hilfe. „Zu meiner Zeit gab es eine posttraumatische Belastungsreaktion nicht. Das war ein Fremdwort. Da hieß es, damit muss ein Polizist umgehen können“, sagt Stumpf. Doch da sei man in den letzten Jahren sehr gut aufgestellt, die angebotene Hilfe wird in Anspruch genommen.
Ein Problem ist sicherlich auch der Nachwuchs. Momentan ist das Revier inklusive Bad Waldsee und Altshausen mit 70 Polizistinnen und Polizisten besetzt. Ideal wären 85. Die Nachfrage sei zwar da, sagt Stumpf, aber es fehle das Geld, um neue Stellen zu schaffen. Für seine neue Aufgabe wünscht er sich, dass alle mit seiner Arbeit zufrieden sind: nach oben und nach unten. Seine Persönlichkeit und Erfahrung werden ihm dabei helfen.