Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Für Familien ist die Situation sehr belastend“
Viele Eltern nehmen die Notbetreuung in Anspruch – Was sie von Tests bei Kindern halten
RAVENSBURG - Voraussichtlich noch mindestens bis Christi Himmelfahrt sind die Kindertageseinrichtungen im Kreis Ravensburg geschlossen. Das bedeutet für Kindertagesstätten: Es wird eine Notbetreuung angeboten, alle anderen Kinder bleiben zu Hause. Ab Mittwoch soll es außerdem eine Änderung geben: Tests für Kinder, die in die Einrichtung kommen, werden zur Pflicht – zumindest so lange die Inzidenz über 100 liegt. Bislang haben verschiedene Modell-Kitas die Tests ausprobiert.
Die Zahl der Kinder, die zurzeit betreut werden, variiere sehr stark in den unterschiedlichen Einrichtungen – mal seien nur ein bis zwei Kinder pro Gruppe da, woanders würde die Notbetreuung bis zu 80 Prozent in Anspruch genommen, erläutert Stefan Goller-Martin, Leiter des Ravensburger Amts für Bildung, Soziales und Sport. Im Schnitt greift seiner Aussage rund die Hälfte der Eltern auf die Notbetreuung zurück. GollerMartin ist als Amtsleiter verantwortlich für das Angebot der Kitas. Man gebe den Eltern einen Vertrauensvorschuss, erklärt er. Die Notbetreuung müsse zwar beantragt beziehungsweise angemeldet, der Bedarf jedoch nicht nachgewiesen werden.
Die Eltern müssten daher selbst abwägen, ob sie sich und ihr Kind dem Infektionsrisiko aussetzen, so Goller-Martin weiter. Nicht nur die Erwerbstätigkeit sei ausschlaggebend, auch das Kindeswohl sei zu beachten. Je länger die Schließung andauere, desto höher die Belastung vor allem für Kinder, die in prekären Verhältnissen zu Hause sind. Das könnten familiäre Schwierigkeiten, enge Wohnungen ohne Garten zum Austoben sein, oder den Kindern fehlte ein Rückzugsort, etwa ein eigenes Zimmer. Beim ersten Lockdown war genau definiert, dass nur Eltern in „systemrelevanten Tätigkeiten“ihre Kinder in die Notbetreuung bringen dürfen. Im Schnitt haben das knapp 25 Prozent der Familien in Anspruch genommen, erinnert sich Goller-Martin.
Das Hygienekonzept der Kinderbetreuungseinrichtungen sieht vor, dass Kinder und Erzieherinnen in ihrer Gruppe keine Masken tragen. Die Erwachsenen ziehen diese auf, sobald sie den Raum verlassen, also in den Fluren, Besprechungsräumen und Toiletten. „So wenig wie möglich mit Maske, so viel Normalität wie möglich“, sagt Goller-Martin. In der Kita gehe es um Spracherwerb und Beziehungsarbeit, da könne nicht mit Maske gearbeitet werden.
Um dabei dennoch Schutz für die Mitarbeiterinnen und Familien zu gewährleisten, wird in mehreren Modell-Kitas ausprobiert, ob Schnelltests mit kleinen Kindern sinnvoll sind. Die Erfahrungen seien insgesamt gut, auch wenn es viel Kritik gebe, so Goller-Martin. Getestet wurde bislang in vier Ravensburger Einrichtungen. Die Kinder testen sich unter Aufsicht selbst, zweimal die Woche gemeinsam in der Gruppe. Ziel sei es, die asymptomatischen Erkrankungen zu entdecken, erläutert Goller-Martin.
Bedenken gab es anfangs auch vonseiten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Erfahrungen zeigten jedoch: Die Testung könne gut und stressfrei in den Kindergartenalltag integriert werden. Wolle ein Kind nicht getestet werden, sei das in Ordnung und habe keine Konsequenzen, erklärt der Amtsleiter. Allerdings gebe jeder durchgeführte Test zusätzliche Sicherheit für Spielkameraden und Personal, so GollerMartin. Verwendet werden dabei die üblichen nasalen Schnelltests. Die Ergebnisse werden gemeinsam im „Forschungslabor“abgewartet. Die Testung sei ein Baustein des gesamten Hygienekonzepts, erläutert die Kindergartenleiterin eines ModellKindergartens. Dort haben 75 Prozent der Eltern ihr Kind derzeit in der Notbetreuung. „Die Mehrheit der Eltern findet es gut und wichtig, dass wir die Kinder testen“, versichert die Leiterin.
Erzieherinnen erleben die Hygienemaßnahmen als zusätzlichen Arbeitsaufwand, das Ganze sei insgesamt eine „große Verantwortung und zusätzliche Aufgabe vor allem für die Kindergartenleitungen“. Die pädagogische Arbeit findet nur gruppenintern statt. In der eigenen Gruppe sei es nicht möglich, Abstand zu halten. Die Angst „man könnte sich anstecken“sei bei den Mitarbeiterinnen durchaus präsent, manche seien „sehr ängstlich“, so die Kindergartenleiterin. „Beim Wickeln tragen wir zwar Masken, aber wir kommen den Kindern natürlich im täglichen Umgang sehr nahe“, erklärt eine langjährige Erzieherin.
Besondere Angebote wie Ausflüge, Aktionen mit den Eltern, Sommerfest – all das kann zurzeit nicht stattfinden. Die Erzieherinnen beobachten bei den Kindern Auffälligkeiten in der Entwicklung, zum Beispiel in der Motorik. „Manche Erfahrungen machen die Kinder momentan wenig oder nicht“, sagt die genannte Leiterin. Entsprechend sei die Sorge auch bei den Eltern groß, dass die Kinder „was verpassen“.
Bei gutem Wetter trifft man auf den Spielplätzen vor allem Mütter mit ihren Kindergartenkindern. „Wir warten sehnsüchtig darauf, dass die Kindergärten wieder öffnen“, sagt eine dreifache Mutter. Die zwei Buben sind vier und fünf Jahre alt, die kleine Tochter zwei. Mit einer Testung der Kinder im Rahmen des Kindergartenalltags wäre sie durchaus einverstanden. „Dann wäre das Risiko einer Infektion kleiner, und die Jungs hätten ihre Spielkameraden wieder.“Die kurzfristigen Änderungen, die den Alltag der Familie durcheinanderbringen, seien schwierig zu organisieren und machten die Kinder rastlos und unruhig, ergänzt sie. Dem stimmt Goller-Martin zu: „Alles, was die Routine durchbricht, ist für die Familie eine Belastung.“Deswegen sei es so wichtig, dass der Inzidenzwert sinke, damit wieder Normalität möglich werde.