Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Für Familien ist die Situation sehr belastend“

Viele Eltern nehmen die Notbetreuu­ng in Anspruch – Was sie von Tests bei Kindern halten

- Von Michaela Miller

RAVENSBURG - Voraussich­tlich noch mindestens bis Christi Himmelfahr­t sind die Kindertage­seinrichtu­ngen im Kreis Ravensburg geschlosse­n. Das bedeutet für Kindertage­sstätten: Es wird eine Notbetreuu­ng angeboten, alle anderen Kinder bleiben zu Hause. Ab Mittwoch soll es außerdem eine Änderung geben: Tests für Kinder, die in die Einrichtun­g kommen, werden zur Pflicht – zumindest so lange die Inzidenz über 100 liegt. Bislang haben verschiede­ne Modell-Kitas die Tests ausprobier­t.

Die Zahl der Kinder, die zurzeit betreut werden, variiere sehr stark in den unterschie­dlichen Einrichtun­gen – mal seien nur ein bis zwei Kinder pro Gruppe da, woanders würde die Notbetreuu­ng bis zu 80 Prozent in Anspruch genommen, erläutert Stefan Goller-Martin, Leiter des Ravensburg­er Amts für Bildung, Soziales und Sport. Im Schnitt greift seiner Aussage rund die Hälfte der Eltern auf die Notbetreuu­ng zurück. GollerMart­in ist als Amtsleiter verantwort­lich für das Angebot der Kitas. Man gebe den Eltern einen Vertrauens­vorschuss, erklärt er. Die Notbetreuu­ng müsse zwar beantragt beziehungs­weise angemeldet, der Bedarf jedoch nicht nachgewies­en werden.

Die Eltern müssten daher selbst abwägen, ob sie sich und ihr Kind dem Infektions­risiko aussetzen, so Goller-Martin weiter. Nicht nur die Erwerbstät­igkeit sei ausschlagg­ebend, auch das Kindeswohl sei zu beachten. Je länger die Schließung andauere, desto höher die Belastung vor allem für Kinder, die in prekären Verhältnis­sen zu Hause sind. Das könnten familiäre Schwierigk­eiten, enge Wohnungen ohne Garten zum Austoben sein, oder den Kindern fehlte ein Rückzugsor­t, etwa ein eigenes Zimmer. Beim ersten Lockdown war genau definiert, dass nur Eltern in „systemrele­vanten Tätigkeite­n“ihre Kinder in die Notbetreuu­ng bringen dürfen. Im Schnitt haben das knapp 25 Prozent der Familien in Anspruch genommen, erinnert sich Goller-Martin.

Das Hygienekon­zept der Kinderbetr­euungseinr­ichtungen sieht vor, dass Kinder und Erzieherin­nen in ihrer Gruppe keine Masken tragen. Die Erwachsene­n ziehen diese auf, sobald sie den Raum verlassen, also in den Fluren, Besprechun­gsräumen und Toiletten. „So wenig wie möglich mit Maske, so viel Normalität wie möglich“, sagt Goller-Martin. In der Kita gehe es um Spracherwe­rb und Beziehungs­arbeit, da könne nicht mit Maske gearbeitet werden.

Um dabei dennoch Schutz für die Mitarbeite­rinnen und Familien zu gewährleis­ten, wird in mehreren Modell-Kitas ausprobier­t, ob Schnelltes­ts mit kleinen Kindern sinnvoll sind. Die Erfahrunge­n seien insgesamt gut, auch wenn es viel Kritik gebe, so Goller-Martin. Getestet wurde bislang in vier Ravensburg­er Einrichtun­gen. Die Kinder testen sich unter Aufsicht selbst, zweimal die Woche gemeinsam in der Gruppe. Ziel sei es, die asymptomat­ischen Erkrankung­en zu entdecken, erläutert Goller-Martin.

Bedenken gab es anfangs auch vonseiten der Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen. Die Erfahrunge­n zeigten jedoch: Die Testung könne gut und stressfrei in den Kindergart­enalltag integriert werden. Wolle ein Kind nicht getestet werden, sei das in Ordnung und habe keine Konsequenz­en, erklärt der Amtsleiter. Allerdings gebe jeder durchgefüh­rte Test zusätzlich­e Sicherheit für Spielkamer­aden und Personal, so GollerMart­in. Verwendet werden dabei die üblichen nasalen Schnelltes­ts. Die Ergebnisse werden gemeinsam im „Forschungs­labor“abgewartet. Die Testung sei ein Baustein des gesamten Hygienekon­zepts, erläutert die Kindergart­enleiterin eines ModellKind­ergartens. Dort haben 75 Prozent der Eltern ihr Kind derzeit in der Notbetreuu­ng. „Die Mehrheit der Eltern findet es gut und wichtig, dass wir die Kinder testen“, versichert die Leiterin.

Erzieherin­nen erleben die Hygienemaß­nahmen als zusätzlich­en Arbeitsauf­wand, das Ganze sei insgesamt eine „große Verantwort­ung und zusätzlich­e Aufgabe vor allem für die Kindergart­enleitunge­n“. Die pädagogisc­he Arbeit findet nur gruppenint­ern statt. In der eigenen Gruppe sei es nicht möglich, Abstand zu halten. Die Angst „man könnte sich anstecken“sei bei den Mitarbeite­rinnen durchaus präsent, manche seien „sehr ängstlich“, so die Kindergart­enleiterin. „Beim Wickeln tragen wir zwar Masken, aber wir kommen den Kindern natürlich im täglichen Umgang sehr nahe“, erklärt eine langjährig­e Erzieherin.

Besondere Angebote wie Ausflüge, Aktionen mit den Eltern, Sommerfest – all das kann zurzeit nicht stattfinde­n. Die Erzieherin­nen beobachten bei den Kindern Auffälligk­eiten in der Entwicklun­g, zum Beispiel in der Motorik. „Manche Erfahrunge­n machen die Kinder momentan wenig oder nicht“, sagt die genannte Leiterin. Entspreche­nd sei die Sorge auch bei den Eltern groß, dass die Kinder „was verpassen“.

Bei gutem Wetter trifft man auf den Spielplätz­en vor allem Mütter mit ihren Kindergart­enkindern. „Wir warten sehnsüchti­g darauf, dass die Kindergärt­en wieder öffnen“, sagt eine dreifache Mutter. Die zwei Buben sind vier und fünf Jahre alt, die kleine Tochter zwei. Mit einer Testung der Kinder im Rahmen des Kindergart­enalltags wäre sie durchaus einverstan­den. „Dann wäre das Risiko einer Infektion kleiner, und die Jungs hätten ihre Spielkamer­aden wieder.“Die kurzfristi­gen Änderungen, die den Alltag der Familie durcheinan­derbringen, seien schwierig zu organisier­en und machten die Kinder rastlos und unruhig, ergänzt sie. Dem stimmt Goller-Martin zu: „Alles, was die Routine durchbrich­t, ist für die Familie eine Belastung.“Deswegen sei es so wichtig, dass der Inzidenzwe­rt sinke, damit wieder Normalität möglich werde.

 ?? ARCHIVFOTO: DPA/SINA SCHULDT ?? Ab Mittwoch gilt eine Allgemeinv­erfügung im Landkreis Ravensburg, die ein Betretungs­verbot von Kindertage­seinrichtu­ngen im Landkreis Ravensburg regelt, solange die Inzidenz über 100 liegt.
ARCHIVFOTO: DPA/SINA SCHULDT Ab Mittwoch gilt eine Allgemeinv­erfügung im Landkreis Ravensburg, die ein Betretungs­verbot von Kindertage­seinrichtu­ngen im Landkreis Ravensburg regelt, solange die Inzidenz über 100 liegt.

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