Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Junge Füchse in Weingarten unterwegs
Immer häufiger zieht es Wildtiere in die Stadt – Gerade bei Füchsen ist Vorsicht geboten
WEINGARTEN - Wahrlich drollig sehen die kleinen, rotbraunen Fuchsjungen aus, wie sie ausgelassen spielen und herumtollen – im Nachbargarten des pensionierten Ehepaars Knittel in der Weingartener Vintschgaustraße. Doch was für den Laien recht ungewöhnlich scheint, ist für Experten längst keine Überraschung mehr. „Das ist schon eine klare Entwicklung. Wir haben zunehmend Wildtiere im Stadtraum“, sagt Marijan Gogic, Leiter des Forstamtes beim Ravensburger Landratsamt. So haben gerade die schlauen Tiere die Vorzüge des urbanen Lebens erkannt. Während in Berlin Wildschweine die Gärten verwüsten und sich Füchse rund um den Reichstag eingelebt haben, sind es im mittleren Schussental vor allem Füchse, Dachse und Rehe. Gerade in der Stadt können Mensch und Wildtier friedlich nebeneinander leben. Doch gibt es einige Dinge zu beachten. Denn gerade Füchse können eine schwere Erkrankung übertragen.
Das wissen auch Marianne und Karl Knittel. Doch überwog vor gut zwei Wochen die Freude und Aufregung über den Überraschungsbesuch. Drei Tage lang ließen sich vier junge Füchse – höchstwahrscheinlich gerade mal ein paar Wochen alt – auf dem Nachbargrundstück in der Vintschgaustraße blicken. Da die Gärten ineinander übergehen, war der Blick für die Knittels frei. Aus großer Entfernung konnte das Ehepaar die Füchse beobachten und fotografieren, die aus dem Bau unter der Garage kamen. „Füchse gibt es ja nicht jeden Tag“, sagt Marianne Knittel, die seit 40 Jahren in der Vintschgaustraße wohnt und froh war, dass es sich nicht um Marder handelte, die in der Gegend auch schon ihr Unwesen getrieben hätten. „Es war ein richtiges Aufatmen und eine große Freude. Aber die Alten hat man nie gesehen.“
Das überrascht Gogic überhaupt nicht. Die erwachsenen Füchse könnten Gefahren viel besser einschätzen und gehen Menschen eigentlich aus dem Weg. „Die Kleinen waren wohl noch etwas gutgläubig“, meint er mit Blick auf den Fuchsnachwuchs in der Vintschgaustraße. Doch ist er sich sicher, dass die Fuchsmutter in der Nähe aufgehalten hat. „Füchse bekommen im März und April ihre Jungen. Nach vier Wochen wagen die sich dann zum ersten Mal aus dem Bau“, sagt Gogic.
Dabei wissen die schlauen Füchsinnen – auch Fähen genannt – ganz genau, worauf sie sich in der Stadt einlassen. Vor allem gibt es mit vielen Mülltonnen und Komposthaufen zahlreiche Futtermöglichkeiten, die beim Aufziehen der Jungen unabdingbar sind. Außerdem werden Füchse in der Stadt nicht bejagt. Zwar dürfen die Tiere eben wegen der Jungen ohnehin im Frühjahr nicht gejagt werden, doch sind Füchse wohl so schlau, dass sie diesen dauerhaften Vorteil in urbanen Gebieten zu schätzen wissen. „Die haben in der Stadt ein recht gutes Habitat. Fähen können sehr gut abschätzen, dass keine Gefahr droht“, sagt Gogic.
Da die Tiere in Deutschland eigentlich keine natürlichen Feinde haben, ist es der Mensch, der den Bestand kontrolliert. Bewusst über das Jagen, unbewusst durch den Autoverkehr. So übersteht wohl ein Großteil der drei bis sechs Jungen pro Wurf das erste Lebensjahr nicht. Oft werden Jungfüchse überfahren. Immer wieder werden tote Tiere in der Region neben den Straßen gefunden. Die „nur“angefahrenen Füchse, die dann an einem anderen Ort verenden, nicht mitgezählt. „Der Fuchs ist bei uns aber überhaupt nicht bedroht“, sagt Gogic auch mit Blick auf das große Nahrungsangebot. So ernähren sie sich von Kleinsäugern, wie Mäuse und Ratten, fressen aber auch Aas oder kleine Amphibien und plündern Vogelnester am Boden. „Um die muss man sich wirklich keine Sorgen machen. Die sind schlau.“
Vielmehr mahnt der Forstamtsleiter zum besonnenen Umgang mit den Tieren. Zwar sei Tollwut im Gegensatz zu früheren Jahren in Deutschland
kaum mehr ein Problem. Allerdings trage fast jeder Fuchs den sogenannten Fuchsbandwurm in sich, den sich die Tiere über das Fressen von Ratten und Mäusen holen. Da die Erkrankung auch recht leicht auf den Mensch überspringen und schwere Schäden an Leber, Milz oder Galle verursachen und bei Nichtbehandlung sogar tödlich verlaufen kann, rät Gogic zur Wachsamkeit.
Zwar werden die Tiere sich – außer sie hätten Tollwut – bewusst kaum Menschen nähern. Problematisch sei aber der Kot der Füchse, in dem sich die mikroskopisch kleinen Eierlarven des Bandwurmes befinden. Geraten diese in den menschlichen Organismus, beispielsweise durch das Essen von Walderdbeeren oder bei der Heuernte der Bauern, wird es problematisch. Auch weil Symptome oft erst nach Jahren auftreten. Daher rät Gogic auch den Anwohnern in der Vintschgaustraße aufmerksam zu bleiben.
Für Marianne Knittel bleibt die Begegnung mit den Fuchsjungen dennoch eine tolle Sache. Schließlich konnte sie so auch ein kleines Mysterium aufklären. Vor vielen Jahren sei ein Schuh von ihrer Terrasse spurlos verschwunden und nicht wieder aufgetaucht. Nun geht sie fest davon aus, dass die Füchse für diesen kleinen Diebstahl verantwortlich waren. „Außer Abfall holen und dem Wegschleppen von Pantoffeln machen die ja nichts“, sagt sie lachend. Nach drei Tagen waren die Füchse dann im übrigen nicht mehr zu sehen: „Die sind einfach ohne Abschied abgezogen.“