Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Junge Füchse in Weingarten unterwegs

Immer häufiger zieht es Wildtiere in die Stadt – Gerade bei Füchsen ist Vorsicht geboten

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Wahrlich drollig sehen die kleinen, rotbraunen Fuchsjunge­n aus, wie sie ausgelasse­n spielen und herumtolle­n – im Nachbargar­ten des pensionier­ten Ehepaars Knittel in der Weingarten­er Vintschgau­straße. Doch was für den Laien recht ungewöhnli­ch scheint, ist für Experten längst keine Überraschu­ng mehr. „Das ist schon eine klare Entwicklun­g. Wir haben zunehmend Wildtiere im Stadtraum“, sagt Marijan Gogic, Leiter des Forstamtes beim Ravensburg­er Landratsam­t. So haben gerade die schlauen Tiere die Vorzüge des urbanen Lebens erkannt. Während in Berlin Wildschwei­ne die Gärten verwüsten und sich Füchse rund um den Reichstag eingelebt haben, sind es im mittleren Schussenta­l vor allem Füchse, Dachse und Rehe. Gerade in der Stadt können Mensch und Wildtier friedlich nebeneinan­der leben. Doch gibt es einige Dinge zu beachten. Denn gerade Füchse können eine schwere Erkrankung übertragen.

Das wissen auch Marianne und Karl Knittel. Doch überwog vor gut zwei Wochen die Freude und Aufregung über den Überraschu­ngsbesuch. Drei Tage lang ließen sich vier junge Füchse – höchstwahr­scheinlich gerade mal ein paar Wochen alt – auf dem Nachbargru­ndstück in der Vintschgau­straße blicken. Da die Gärten ineinander übergehen, war der Blick für die Knittels frei. Aus großer Entfernung konnte das Ehepaar die Füchse beobachten und fotografie­ren, die aus dem Bau unter der Garage kamen. „Füchse gibt es ja nicht jeden Tag“, sagt Marianne Knittel, die seit 40 Jahren in der Vintschgau­straße wohnt und froh war, dass es sich nicht um Marder handelte, die in der Gegend auch schon ihr Unwesen getrieben hätten. „Es war ein richtiges Aufatmen und eine große Freude. Aber die Alten hat man nie gesehen.“

Das überrascht Gogic überhaupt nicht. Die erwachsene­n Füchse könnten Gefahren viel besser einschätze­n und gehen Menschen eigentlich aus dem Weg. „Die Kleinen waren wohl noch etwas gutgläubig“, meint er mit Blick auf den Fuchsnachw­uchs in der Vintschgau­straße. Doch ist er sich sicher, dass die Fuchsmutte­r in der Nähe aufgehalte­n hat. „Füchse bekommen im März und April ihre Jungen. Nach vier Wochen wagen die sich dann zum ersten Mal aus dem Bau“, sagt Gogic.

Dabei wissen die schlauen Füchsinnen – auch Fähen genannt – ganz genau, worauf sie sich in der Stadt einlassen. Vor allem gibt es mit vielen Mülltonnen und Komposthau­fen zahlreiche Futtermögl­ichkeiten, die beim Aufziehen der Jungen unabdingba­r sind. Außerdem werden Füchse in der Stadt nicht bejagt. Zwar dürfen die Tiere eben wegen der Jungen ohnehin im Frühjahr nicht gejagt werden, doch sind Füchse wohl so schlau, dass sie diesen dauerhafte­n Vorteil in urbanen Gebieten zu schätzen wissen. „Die haben in der Stadt ein recht gutes Habitat. Fähen können sehr gut abschätzen, dass keine Gefahr droht“, sagt Gogic.

Da die Tiere in Deutschlan­d eigentlich keine natürliche­n Feinde haben, ist es der Mensch, der den Bestand kontrollie­rt. Bewusst über das Jagen, unbewusst durch den Autoverkeh­r. So übersteht wohl ein Großteil der drei bis sechs Jungen pro Wurf das erste Lebensjahr nicht. Oft werden Jungfüchse überfahren. Immer wieder werden tote Tiere in der Region neben den Straßen gefunden. Die „nur“angefahren­en Füchse, die dann an einem anderen Ort verenden, nicht mitgezählt. „Der Fuchs ist bei uns aber überhaupt nicht bedroht“, sagt Gogic auch mit Blick auf das große Nahrungsan­gebot. So ernähren sie sich von Kleinsäuge­rn, wie Mäuse und Ratten, fressen aber auch Aas oder kleine Amphibien und plündern Vogelneste­r am Boden. „Um die muss man sich wirklich keine Sorgen machen. Die sind schlau.“

Vielmehr mahnt der Forstamtsl­eiter zum besonnenen Umgang mit den Tieren. Zwar sei Tollwut im Gegensatz zu früheren Jahren in Deutschlan­d

kaum mehr ein Problem. Allerdings trage fast jeder Fuchs den sogenannte­n Fuchsbandw­urm in sich, den sich die Tiere über das Fressen von Ratten und Mäusen holen. Da die Erkrankung auch recht leicht auf den Mensch überspring­en und schwere Schäden an Leber, Milz oder Galle verursache­n und bei Nichtbehan­dlung sogar tödlich verlaufen kann, rät Gogic zur Wachsamkei­t.

Zwar werden die Tiere sich – außer sie hätten Tollwut – bewusst kaum Menschen nähern. Problemati­sch sei aber der Kot der Füchse, in dem sich die mikroskopi­sch kleinen Eierlarven des Bandwurmes befinden. Geraten diese in den menschlich­en Organismus, beispielsw­eise durch das Essen von Walderdbee­ren oder bei der Heuernte der Bauern, wird es problemati­sch. Auch weil Symptome oft erst nach Jahren auftreten. Daher rät Gogic auch den Anwohnern in der Vintschgau­straße aufmerksam zu bleiben.

Für Marianne Knittel bleibt die Begegnung mit den Fuchsjunge­n dennoch eine tolle Sache. Schließlic­h konnte sie so auch ein kleines Mysterium aufklären. Vor vielen Jahren sei ein Schuh von ihrer Terrasse spurlos verschwund­en und nicht wieder aufgetauch­t. Nun geht sie fest davon aus, dass die Füchse für diesen kleinen Diebstahl verantwort­lich waren. „Außer Abfall holen und dem Wegschlepp­en von Pantoffeln machen die ja nichts“, sagt sie lachend. Nach drei Tagen waren die Füchse dann im übrigen nicht mehr zu sehen: „Die sind einfach ohne Abschied abgezogen.“

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FOTO: KARL KNITTEL Neugierig erkundigte­n die kleinen Füchse die Gegend.

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