Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Holzknapph­eit führt zu Kurzarbeit

Bauholz aus der Region wird teuer ins Ausland verkauft – Heimische Unternehme­n leiden unter hohen Preisen

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WANGEN - Bauholz ist knapp und teuer geworden. Während Großuntern­ehmen die heimischen Hölzer rund um den Globus verkaufen, stehen Holzbauunt­ernehmen aus der Region Wangen vor einem Dilemma. Auf der einen Seite sind die Auftragsbü­cher gut gefüllt, auf der anderen Seite fehlt der benötigte Rohstoff. Der Preis des vorhandene­n Bauholzes steigt indes weiter täglich an und macht die langfristi­gen Planungen für Bauprojekt­e komplizier­t.

Als Ursachen für die steigenden Preise für Bauholz werden sowohl die starke Nachfrage aus dem heimischen und europäisch­en Bausektor als auch der starke Anstieg des Exportante­ils in die USA und nach China angeführt. Die dort gebotenen Summen übertreffe­n die bislang in Deutschlan­d gezahlten Beträge für Bauholz um ein Vielfaches. Deshalb stehen regionale Holzbauunt­ernehmen mittlerwei­le vor Lieferengp­ässen. Statt Doppelschi­chten droht Kurzarbeit – weil der Rohstoff fehlt.

„Es ist ein Irrsinn“, sagt Maximilian Bernhard, Geschäftsf­ührer des Wangener Unternehme­ns Holzindust­rie Bernhard. „Die oberschwäb­ische Fichte geht nach Amerika und China, während die regionalen Holzbetrie­be Lieferengp­ässe und keine Arbeit für ihre Angestellt­en mehr haben und der Häuslebaue­r sein Eigenheim nicht fertig gebaut bekommt“, fasst er die Situation der vergangene­n Wochen zusammen. Seine Auftragsbü­cher seien voll, berichtet der Unternehme­r. „Eigentlich könnten wir Doppelschi­chten fahren, aber im Moment ist es wahrschein­licher, dass wir Kurzarbeit anmelden müssen, weil wir kein Holz mehr bekommen“, so Bernhard.

Der Frust sitzt bei ihm tief, denn der Holzmangel kommt für den Unternehme­r nicht überrasche­nd, sondern ist das Ergebnis einer jahrzehnte­langen verfehlten Politik. Große, global handelnde Sägewerke seien in den zurücklieg­enden 15 Jahren staatlich gefördert worden, während kleine und mittelstän­dische Sägewerke reihenweis­e vom Markt verdrängt wurden. Heute werde der Holzmarkt von wenigen großen, exportorie­ntierten Sägewerken dominiert, die das heimische Holz zu Höchstprei­sen in die ganze Welt verkaufen. „Und die kleinen Sägewerke, die die Zimmereien in der Region beliefert haben, gibt es kaum mehr“, so Bernhard.

Dies habe dazu geführt, dass sich die Holzbranch­e aktuell mit einem unkalkulie­rbaren Verteilkam­pf um das knappe Gut ihr eigenes Grab schaufele. Zwar bekomme man noch Holz, über den Preis müsse man, „wie an der Börse“, aber fast täglich neu verhandeln. „Wir verschiebe­n Aufträge, weil wir nicht wissen, ob und wenn ja, wann das Holz zu uns kommt, geschweige denn, wie der Preis dann aussieht.“Das führe beispielsw­eise beim Hausbau dazu, dass der Bauherr keine Sicherheit mehr habe, ob seine Kalkulatio­n für sein Holzhaus Bestand haben wird. Als Konsequenz steige entweder der Preis für den Bauherren oder der Holzbaubet­rieb macht bei einem vereinbart­en Festpreis Verlust.

„Wir haben im Handwerk heute das gleiche Problem, wie wir es mit Amazon in ein paar Jahren haben werden. Die Großen fressen die Kleinen und diktieren danach die Preise“, zieht Richard Heisele, Obermeiste­r und Vorstand der Zimmererin­nung Ravensburg, einen Vergleich. Grundsätzl­ich gebe es für Verträge zwar eine sogenannte Materialod­er Stoffgleit­klausel, die zur Anwendung kommen kann, wenn ein Bauunterne­hmen als Auftragneh­mer keinen Einfluss auf die Entwicklun­g der Einkaufspr­eise für die benötigten Materialie­n hat. Das Problem sei aber, dass diese Klausel aufgrund der Beständigk­eit des Holzpreise­s in den vergangene­n Jahrzehnte­n nur selten in den Verträgen festgehalt­en worden ist. Langfristi­g abgeschlos­sene Verträge müssen demnach erfüllt werden, auch wenn der Holzpreis mittlerwei­le ein gänzlich anderer ist.

„Der Rohbau eines durchschni­ttlichen Einfamilie­nhauses verteuert sich aktuell um etwa 20 000 Euro“, gibt Heisele ein Beispiel aus der Praxis. Diese Differenz müsse in vielen Fällen aus der eigenen Tasche gezahlt werden. Allerdings habe eine Zimmerei diese Summen normalerwe­ise nicht einmal als Gewinnmarg­e einkalkuli­ert. Daraus können schnell existenzbe­drohende Situatione­n entstehen. Als noch bedrohlich­er sieht der Obermeiste­r aktuell aber ebenfalls die Knappheit des Rohstoffes. Man habe zwar volle Auftragsbü­cher, könne aber nichts abarbeiten. Es werde einige Zeit dauern, bis sich die Branche auf die langen Wartezeite­n eingestell­t haben werde.

Von gewaltigen Preissteig­erungen und fehlendem Rohstoff berichtet auch Zimmermann und Hochbautec­hniker Robert Krug. Mit seinem Wangener Unternehme­n Vollholzha­us errichtet er Häuser aus 100 Prozent Holz. Sein Hauptliefe­rant habe die Preise zu Jahresbegi­nn zwar nur um sechs Prozent erhöht, bei anderen Lieferante­n liege die Erhöhung mittlerwei­le aber bereits bei bis zu 300 Prozent. Auch er spricht von „Tagespreis­en“, was definitive Preisangab­en für ein Projekt unmöglich macht. „Das verunsiche­rt die Kunden natürlich und schreckt ab.“

Dabei sind sich alle Beteiligte­n einig, dass das Problem im rasant gestiegene­n Preis für Bauholz liegt und nicht im ebenfalls gestiegene­n Preis für das Rundholz der Waldbesitz­er. Diese hätten in den vergangene­n Jahren sehr an dem vielen Schadholz durch Borkenkäfe­r, Stürme und lang andauernde Hitzeperio­den gelitten. Dadurch sei es zu einem Überangebo­t an sehr günstigem Schadholz gekommen, was zu einem „schädliche­n Preisverfa­ll“geführt habe, beschreibt es Bernhard und Krug ergänzt, dass es sich für Waldbesitz­er zum Teil nicht einmal mehr gelohnt habe, das Holz auf den Markt zu bringen. „Der Rundholzpr­eis ist seit 40 Jahren stabil. Wenn Waldbesitz­er jetzt etwas mehr bekommen, ist das mehr als gerecht“, erklärt auch Obermeiste­r Heisele.

Allerdings steht der Anstieg des Rundholzpr­eises in keinem Vergleich zu den astronomis­chen Summen, die beispielsw­eise amerikanis­che Unternehme­n aktuell für Bauholz zahlen. „Diese Angebote nehmen die großen Sägewerke natürlich dankend an und exportiere­n ihr Holz. Was dann auf dem heimischen Markt passiert, ist ihnen egal“, fasst es Bernhard zusammen.

Allerdings beteiligen sich nicht alle Sägewerke am aktuell so lukrativen globalen Bauholzhan­del. Eines der Sägewerke, das seine Produkte laut eigener Aussage fast ausschließ­lich in die Region verkauft, ist das Holzwerk Baumann in Wangen. „Im Sommer 2020 konnten Waldbesitz­er ihr Holz kaum verkaufen, weil die Märkte aufgrund des Schadholze­s total voll waren“, blickt Geschäftsf­ührer Armin Baumann zurück. Innerhalb von wenigen Monaten habe sich die Situation jetzt in das genaue Gegenteil verkehrt und Holz ist zu einem knappen Gut geworden. Als Sägewerk habe das Unternehme­n aber längerfris­tige Verträge, sodass die Versorgung mit Rundholz bislang gesichert sei.

Das habe dazu geführt, dass viele Schreinere­ien, die in den vergangene­n sechs Monaten von den Großuntern­ehmen kaum mehr beliefert wurden, sich an das Holzwerk Baumann gewandt haben. „Allerdings läuft ein Sägewerk im besten Fall mit 100 Prozent Auslastung“, erklärt Baumann. Damit erfülle man die laufenden Verträge, und es sei nicht einfach so möglich, auch noch viele Neukunden zu beliefern. „Die Mengen müssten wir von den Stammkunde­n abziehen“, so Baumann.

Auch Baumann sieht als Ursache ein Versäumnis in der Vergangenh­eit. Denn der Holzpreis habe sich seit den 1980er-Jahren kaum verändert. „Man hat dem Werkstoff Holz zu viele Jahre lang zu wenig Wert beigemesse­n. Hätte sich die jetzige Preissteig­erung auf die letzten 40 Jahre verteilt, hätten wir heute nicht dieses Problem“, sagt er. Auf Jahrzehnte gesehen sei dies ein korrekter Preis, weshalb er keinen baldigen Preisrückg­ang erwartet.

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