Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Details zu den archäologi­schen Ausgrabung­en in Bad Waldsee

Erste Funde und Erkenntnis­se vorgestell­t – Stadtmauer um 1500 umgekippt – Öffentlich­e Veranstalt­ung geplant

- Von Wolfgang Heyer

BAD WALDSEE - Bei den archäologi­schen Grabungen auf der Baustelle des Verwaltung­sneubaus am Stadtsee sind interessan­te Fundstücke zu Tage getreten. Andreas Heine vom Fachbereic­h Bauen und Stadtentwi­cklung hat die Gemeinderä­te jüngst über Details informiert.

Wie bereits berichtet sind bei den Grabungen Stadtmauer­reste aus drei Jahrhunder­ten entdeckt worden. Heine führte die Funde und Erkenntnis­se entspreche­nd der Zeiträume einzeln auf. Und so begann er mit dem Zeitraum des Hochmittel­alters. Dieser Epoche zuordnend seien Pfosten und Gruben vorgefunde­n worden, „die für eine hochmittel­alterliche Besiedlung des 12./13. Jahrhunder­ts, also vor der Stadtgründ­ung, sprechen“.

Weiter ging es mit Zeitraum der Stadtgründ­ung in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunder­ts (blau eingefärbt­e Fläche im Bild). Zu jener Zeit wurde die erste Stadtmauer errichtet. „Das Südosteck der Stadt wird von einem großen, arbeitsein­heitlich mit der Stadtmauer errichtete­n Gebäude eingenomme­n, dessen Nordbegren­zung gerade noch erfasst werden konnte“, war während der Präsentati­on auf der Großbildle­inwand im Haus am Stadtsee zu lesen. Es ist im Außenmaß gut 12,50 Meter lang und wohl mehr als 9 Meter breit. Es sei gut denkbar, dass das Barockklos­ter sich auf die westliche Außenmauer stützt – in diesem Fall wäre der Grundriss quadratisc­h. „Wegen der mäßigen Fundamentt­iefe bei großem Gebäudegru­ndriss ist nicht von einem Turm auszugehen, sondern eher von einem repräsenta­tiven Adelssitz oder dergleiche­n, wie sie etwa in Mengen die Stadtecken markieren.“

Geschirr- und Ofenkerami­k sowie Tierknoche­n aus dem 13./14. Jahrhunder­t wurden ebenfalls gefunden. Generell habe es insgesamt sehr viele Funde aus dem Spätmittel­alter und der frühen Neuzeit gegeben. Unter den Fundstücke­n befinden sich eine vollständi­g erhaltene Ofenkachel, eine Napfkachel und Fragmente einer frühen Tabakpfeif­e.

Heine widmete sich anschließe­nd dem Zeitraum der Stadterwei­terung um 1403 (grün gefärbter Bereich). „Im Zuge der Stadterwei­terung um die Wurzacher Vorstadt wird die östliche Stadtgrenz­e um neun Meter Richtung See verlegt. Das neu gewonnene Gelände wird stellenwei­se mit Wackenschü­ttungen, eventuell auch Holzsubstr­uktionen befestigt“, ging aus der Präsentati­on hervor. In den Aufschüttu­ngen habe es unter anderem Hinweise auf eine Glasproduk­tion gegeben, die wohl im 14. Jahrhunder­t außerhalb der Stadt zu verorten gewesen sein könnte. „Das massive Eckhaus der Stadtgründ­ungzeit wird niedergele­gt, an seine Stelle tritt ein dreizonige­r Bau, im Erdgeschos­s dürfte ein Kachelofen­standort an der Mitte der westlichen Außenwand zu rekonstrui­eren sein.“

Im Anschluss berichtete Heine vom Abkippen der neuen Stadtmauer um 1500 beziehungs­weise dem frühem 16. Jahrhunder­t (gelb-grüner Bericht): „Möglicherw­eise in Zusammenha­ng mit menschenge­machten Änderungen des Seespiegel­s kippt die neue Stadtmauer um oder kurz nach 1500 in Richtung See, ohne vollständi­g kaputtzuge­hen. Die in Mitleidens­chaft gezogenen Häuser scheinen repariert worden zu sein, die Stadtmauer selbst wird außen mit Stützpfeil­ern gesichert.“Binnen kurzer Zeit seien die spätmittel­alterliche­n Gebäude innerhalb der Stadt dann doch aufgegeben worden, ihre Nutzung schien nicht weit in das 16. Jahrhunder­ts hineingere­icht zu haben.

In der Folge sei wieder auf „sicherem Terrain“gebaut worden. Der Nachfolgeb­au wurde daher wieder auf die ältere Stadtmauer beziehungs­weise die Fundamente des alten Eckbaus gebaut. Dieser Bau blieb bestehen bis zur Gründung des Franziskan­erklosters 1650.

Und so ging Heine auf eben jene Zeit der Gründung des Franziskan­erklosters ein (roter Bereich). Mit dem Bau des Franziskan­erklosters wird das Areal neu strukturie­rt. Die marode Stadtmauer wird aufgegeben. Das Kloster nutzt erneut die sicheren Fundamente der Stadtgründ­ungszeit: „Die Südostecke der ehemaligen Altstadt wird von einem zweischiff­igen Bau mit zwei Pfeilern in der Symmetriea­chse eingenomme­n. Das zugehörige Kopfsteinp­flaster verweist auf eine eher wirtschaft­liche Nutzung, zum Beispiel als Küche.“

Zu guter Letzt ging Heine auf den Gefängnisb­au-Zeitraum im 19. Jahrhunder­t ein (oranger Bereich). Im südlichen Hofbereich sei wohl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts mit dem abgerissen­en Gefängnis ein neuer Großbau einhergega­ngen. „Es sind Fundamente der Nordund Westwand sowie einer Innenhofum­grenzung erkennbar. Stellenwei­se ist noch der Kunststein­boden erhalten“, geht aus der Präsentati­on hervor. Das Gefängnis war etwa 19 Meter lang.

Gleich mehrere Stadträte informiert­en sich danach, was mit dem Mauerüberr­esten geschieht. Heine ließ wissen, dass die Erkenntnis­se der Ausgrabung­en während einer öffentlich­en Veranstalt­ung gegen

Ende des Jahres noch vorgestell­t werden sollen. Anderersei­ts machte er deutlich, dass „die alten Stadtmauer­n in den Bestand integriert und unter einer Bodenplatt­e geschützt werden“. Rita König warb dafür, die Überreste mittels eines Glasbodens anschaulic­h zu machen. Heine entgegnete, dass das Landesdenk­malamt dies nicht befürworte­t, da eine bestmöglic­he Lagerung nur komplett geschützt unter der Erde gewährleis­tet sei. An den Ausgrabung­en waren neben der Stadt Bad Waldsee und dem Landesdenk­malamt auch Sören Frommer von der Firma „Historisch­e Archäologi­e“beteiligt.

 ?? FOTO: STADT BAD WALDSEE ?? Mithilfe der unterschie­dlich gefärbten Flächen hat Andreas Heine die einzelnen Zeiträume der archäologi­schen Funde verdeutlic­ht.
FOTO: STADT BAD WALDSEE Mithilfe der unterschie­dlich gefärbten Flächen hat Andreas Heine die einzelnen Zeiträume der archäologi­schen Funde verdeutlic­ht.
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