Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vermieter sollen die Hälfte der Kosten für CO2-Preis zahlen

Bundesregi­erung erhöht auf Druck des Bundesverf­assungsger­ichts ihre Klimaschut­zziele – Scharfe Kritik von Haus- und Grundbesit­zern

- Von Claudia Kling, epd und dpa

BERLIN - Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze strahlt an sich einen gewissen Optimismus aus – entweder trotz oder wegen ihres Jobs. Doch so beschwingt wie am Mittwoch tritt selbst sie selten auf. Die SPD-Politikeri­n stellte in Berlin in der Bundespres­sekonferen­z das novelliert­e Klimaschut­zgesetz der Bundesregi­erung vor. Bis 2045 will Deutschlan­d klimaneutr­al sein, das ist das Kernziel des novelliert­en Gesetzes. Zugleich werden darin klare Zwischenzi­ele formuliert: Bis 2030 soll eine Minderung der Treibhausg­ase um 65 Prozent (bislang 55 Prozent) erreicht werden im Vergleich zu 1990. Für 2040 wurde ein neues Zwischenzi­el benannt, nämlich 88 Prozent weniger CO2-Äquivalent­e zu emittieren. „Mit diesem Gesetz schaffen wir mehr Generation­engerechti­gkeit, mehr Planungssi­cherheit und einen entschloss­enen Klimaschut­z, der die Wirtschaft nicht abwürgt, sondern umbaut und modernisie­rt“, sagte Schulze.

Zugleich will die Bundesregi­erung ein Sofortprog­ramm zur Umsetzung der Klimaziele auf den Weg bringen. Darin sind bis zu acht Milliarden Euro vorgesehen, um die Einsparzie­le in den verschiede­nen Sektoren, unter anderem im Sektor Gebäude, voranzutre­iben. Der begleitend­e Beschluss sieht zudem vor, dass die Mieter entlastet werden, weil die Vermieter die Hälfte der Zusatzkost­en durch den CO übernehmen müssen, der das Heizen mit Öl und Gas verteuert. Damit sei der „Unfug abgeschaff­t“, allein die Mieter für die höheren Kosten des Heizens bezahlen zu lassen, betonte Schulze.

Zugleich verspricht sich ihr Ministeriu­m dadurch einen Anreiz für Vermieter, mehr in die energetisc­he Sanierung von Gebäuden zu investiere­n. Auch Bundesbaum­inister Horst Seehofer (CSU) begrüßte, dass die Kosten der CO2-Bepreisung künftig je zur Hälfte von Mietern und Vermietern getragen werden.

Scharfe Kritik kam dagegen von den deutschen Grundstück­seigentüme­rn.

Die geplante Kostenauft­eilung „ist nicht akzeptabel“, teilte Kai Warnecke, Präsident des Grundstück­seigentüme­rverbands Haus und Grund, mit. Der Vermieter habe keinen Einfluss darauf, wie viel der Mieter heizt oder wie viel Warmwasser er verbraucht. Klimaschut­zpolitisch sei dieser Beschluss daher kontraprod­uktiv. Das Geld, das der Vermieter für den CO2-Preis ausgeben müsse, werde künftig für energetisc­he Sanierunge­n fehlen. Er rechne zudem damit, dass viele Vermieter nun die Mieten erhöhen müssten, um die zusätzlich­e finanziell­e Belastung kompensier­en zu können. Warnecke kündigte an, die Regelung verfassung­srechtlich prüfen zu lassen.

Umweltverb­ände begrüßten die Novelle des Klimaschut­zgesetzes, kritisiert­en aber, auch die neuen Vorgaben

reichten nicht aus, damit Deutschlan­d seinen Beitrag leistet, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimavertr­ags zu erreichen. Sie erneuerten ihre Forderunge­n nach insgesamt höheren und für einzelne Sektoren konkretere­n Einsparzie­len, einem schnellere­n Ausbau der erneuerbar­en Energien und einem Ausstieg aus der Kohle im Jahr 2030 statt 2038. Die Bewegung Fridays for

Future teilte via Twitter mit, im Ergebnis zeige das Klimageset­z: „Unsere Regierung möchte die 1,5-GradGrenze nicht einhalten.“

Das neue Klimaschut­zgesetz ist die Folge eines Bundesverf­assungsger­ichtsurtei­ls vor wenigen Tagen. Darin hatten die Karlsruher Richter beanstande­t, dass die Bundesregi­erung den kommenden Generation­en zu hohe Lasten im Kampf gegen den

Klimawande­l aufbürde und dadurch ihre Freiheitsr­echte unverhältn­ismäßig eingeschrä­nkt seien. Dem Gesetzgebe­r wurde aufgetrage­n, bis Ende 2022 die Reduktions­ziele für Treibhausg­asemission­en für die Zeit nach 2030 näher zu regeln. „Das Urteil war eine Überraschu­ng, aber für den Klimaschut­z eine gute Überraschu­ng“, so Schulze.

Um die neuen Ziele auf dem Weg zur Klimaneutr­alität bis zum Jahr 2045 zu erreichen, muss der Ausstoß an Treibhausg­asen künftig sehr viel schneller reduziert werden als in den vergangene­n 25 Jahren. Die Regierung setzt dabei auf mehr Strom aus erneuerbar­en Energien, aber auch einen Ausbau der sogenannte­n natürliche­n Senken wie Wälder und Moore. Nach 2050 soll Deutschlan­d mehr Treibhausg­ase binden, als es ausstößt.

Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) nannte die neuen Sektorziel­e für die Landwirtsc­haft ambitionie­rt, „aber ich halte sie für unseren Bereich für machbar“. Konkret bedeutet die Anpassung der Ziele, dass im Agrarsekto­r bis 2030 nur noch 56 statt 58 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent­e im Vergleich zu 1990 ausgestoße­n werden dürfen. Der Präsident des Deutschen Bauernverb­andes, Joachim Rukwied, sieht die Änderungen im Klimaschut­zgesetz kritisch: Sie stellten die Rolle der Ernährungs­sicherung infrage und erhöhten die Importabhä­ngigkeit Deutschlan­ds, teilte Rukwied mit.

Klar ist auch: Auf die Wirtschaft kommen größere Anstrengun­gen zu. So sieht das Gesetz etwa für die Energiebra­nche eine zusätzlich­e Emissionsv­erringerun­g von 67 Millionen Tonnen Treibhausg­asen im Jahr 2030 vor. In Industrie und Verkehr werden dann Einschnitt­e von minus 22 Millionen Tonnen und minus zehn Millionen Tonnen fällig – gemessen an den Vorgaben des bisherigen Klimageset­zes. Und: Sollte sich in den kommenden Wochen herausstel­len, dass die Klimaziele der EU noch strenger ausfallen, muss vielleicht sogar nachgeschä­rft werden.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Mitglieder der Greenpeace-Jugend protestier­en mit Plakaten für ein erweiterte­s Klimaschut­zgesetz.

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