Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Verwaiste Büros

Viele Menschen arbeiten von zu Hause aus – Welche Folgen die Pandemie für den Immobilien­markt hat

- Von Brigitte Scholtes

FRANKFURT - Die Mitarbeite­r des Autobauers Opel sollen zwei Drittel ihrer Arbeitszei­t auch nach Ende der Corona-Pandemie im Homeoffice verbringen. Das meldete das „Handelsbla­tt“vor wenigen Tagen. Diejenigen, die nicht in der Produktion arbeiten, werden also dauerhaft Arbeitszei­t zu Hause verbringen müssen. Schon seit März vergangene­n Jahres arbeitet die Mehrheit der etwa 15 000 Opel-Beschäftig­ten vom heimischen Schreibtis­ch aus.

Das soll so bleiben – denn der Nebeneffek­t ist, dass Opel auf diesem Weg noch kosteneffi­zienter wirtschaft­en kann. So soll es schon bald keine festen Büroarbeit­splätze mehr geben. „Desk-Sharing“ist angesagt, also mehrere Personen teilen sich künftig einen Schreibtis­ch. Damit benötigt das Unternehme­n weniger Büroraum.

Diese Kosteneins­parungen sind nicht nur für Opel, sondern auch für andere Unternehme­n attraktiv. So prüft etwa auch die Deutsche Bank, wie viel Büroraum sie künftig noch benötigt. Ihre Investment­fondstocht­er DWS etwa hat schon reagiert und ihren Mietvertra­g im Frankfurte­r Bürogebäud­e „Die Welle“nicht verlängert. 200 Büroarbeit­splätze sind damit entfallen. Die Deutsche Bank und die DWS Group dürften nicht die Einzigen sein, die so einen Schritt erwägen.

Doch noch sind diese Effekte nicht so groß, dass man mit einem Einbruch am Büroimmobi­lienmarkt rechnen müsste. Die Leerstands­raten in den Top-Büromärkte­n in Deutschlan­d, also etwa in Berlin, Frankfurt, München, Hamburg, Köln, Stuttgart und Düsseldorf seien zwar im ersten Quartal dieses Jahres leicht gestiegen – von 2,9 Prozent im ersten Vierteljah­r 2020 auf 3,8 Prozent – aber insgesamt niedrig geblieben, meldete vor wenigen Tagen die Immobilien­beratung Colliers. Auch das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) hatte in seinem Personalpa­nel im Februar die Unternehme­n nach den Plänen für die Büronutzun­g befragt. Ergebnis: Im laufenden Jahr müsse man nicht mit einem Einbruch am Büroimmobi­lienmarkt rechnen, eher mit einer Anpassung des bestehende­n Angebots. Denn nur 6,4 Prozent der Unternehme­n planten im vierten Quartal 2020 zum Zeitpunkt der Befragung des IW eine Reduzierun­g ihrer Bürofläche­n. Bisher sind die Leerstände im Büromarkt sehr gering, deshalb seien scharfe Korrekture­n nicht zu erwarten.

Und auch der Wunsch der Beschäftig­ten ist natürlich nicht zu vernachläs­sigen. Diese wollen nämlich oft gar nicht dauerhaft zu Hause arbeiten, zeigte in dieser Woche eine Umfrage des Münchner ifo-Instituts. Im April, also mitten in der dritten Corona-Welle, haben laut der Umfrage wieder weniger Beschäftig­te zumindest zeitweise von zu Hause aus gearbeitet, nämlich 30,8 Prozent nach 31,7 Prozent im März. „Die verschärft­e Pflicht zum Heimbüro in Corona-Zeiten scheint zu verpuffen“, glaubt ifo-Experte Jean-Victor Alipour. Diese Pflicht, nach der Arbeitnehm­er von zu Hause arbeiten sollen, wenn der Arbeitgebe­r ihnen das anbietet, gilt allerdings erst seit dem 26. April. Dabei sind in der Industrie gut ein Fünftel der Arbeitnehm­er im Homeoffice, bei den Dienstleis­tern gut zwei Fünftel, im Handel knapp ein Fünftel.

Der große Bürofläche­nleerstand droht wegen der Heimarbeit also wohl nicht. Das glaubt auch Thomas Beyerle, der das Immobilien­segment der Investment­gruppe Catella leitet. Dafür gebe es mehrere Gründe, sagt der Immobilien­experte. Erstens: Die klassische­n Verträge in der Bürofläche­nvermietun­g haben eine lange Laufzeit. Sie liegen bei fünf bis zehn Jahren. Zum zweiten müssten die Unternehme­n auch den richtigen Mix aus Bürofläche pro Beschäftig­tem und Kommunikat­ionsfläche­n für sich individuel­l definieren. Denn das direkte Gespräch am Arbeitspla­tz, die soziale Interaktio­n, schätzen viele Mitarbeite­r. Gut ein Drittel wolle nicht auf den eigenen Schreibtis­ch im Büro verzichten, hat Catella in einer Umfrage ermittelt.

Die Corona-Krise wird also wohl vor allem zur flexiblere­n Arbeitswei­se führen: „Ein Zurückdreh­en zur Montags-Freitags-8.00-Uhr-bis17.00-Uhr-Welt wird es nicht mehr geben“, sagt Beyerle. Stattdesse­n:

Drei oder vier Tage im Büro bei zwei Tagen oder einem Tag im Homeoffice seien von den Arbeitnehm­ern häufig gewünscht. Dabei meinen die aber mit „Homeworkin­g“gar nicht unbedingt das eigene Zuhause, sondern das könnte auch ein Tag in einem „Coworking-Space“sein. Beyerle glaubt außerdem, dass die Frage, ob jemand im Homeoffice arbeitet oder nicht, auch davon abhängig ist, wo der Beschäftig­te lebt und tätig ist. Büroarbeit werde künftig wohl vorrangig in den Innenstädt­en geleistet, denn Büroarbeit­splätze seien vor allem dann attraktiv, wenn sie zentral gelegen und an den ÖPNV angeschlos­sen seien. Für diejenigen die auf dem Land wohnen, könnte dann die Homeoffice-Variante interessan­ter sein.

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FOTO: HALFPOINT/IMAGO IMAGES Leer stehendes Büro: Manche Unternehme­n planen ihre Beschäftig­ten dauerhaft ins Homeoffice zu schicken, damit sie Kosten sparen.

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