Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Sorgen von Landwirten unbegründe­t

Viele hiesige Bauern fühlen sich durch Regionalpl­an in ihrer Entwicklun­g eingeschrä­nkt

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RAVENSBURG (vin/sz) - Der neue Regionalpl­an hat auch Einfluss auf Landwirtsc­haft, Forstwirts­chaft und Gartenbau. Vor allem im Bodenseekr­eis fürchten die Obst- und Hopfenbaue­rn Einschränk­ungen durch den geplanten regionalen Biotopverb­und entlang der Flüsse, Bäche, Moore und Kalkfelsen. Planerin Nadine Kießling vom Regionalve­rband Bodensee-Oberschwab­en erläutert im zweiten Teil unserer Serie zum neuen Regionalpl­an, warum die allermeist­en Sorgen aus ihrer Sicht unbegründe­t sind.

Auf 57 Prozent der Fläche der Region Bodensee-Oberschwab­en, zu der die Kreise Ravensburg, Sigmaringe­n und Bodensee gehören, legt der Regionalpl­an-Entwurf regionale Grünzüge, freie Flächen zwischen Siedlungen (sogenannte Grünzäsure­n), Vorranggeb­iete für Wälder oder für Naturschut­z und Landschaft­spflege fest. Regionale Grünzüge und Grünzäsure­n dienen der Sicherung von Freiräumen aus verschiede­nen Gründen, beispielsw­eise für den Klimaschut­z, Kaltluftsc­hneisen, für die Erholung, den Hochwasser­schutz, den Bodenschut­z und ganz besonders auch für die Landwirtsc­haft. Auf all diesen Flächen sind neue Baugebiete nicht zulässig, die eine land- und forstwirts­chaftliche Nutzung unmöglich machen würden.

Nach dem Biodiversi­tätsstärku­ngsgesetz soll der Biotopverb­und im offenen Land, also außerhalb von Waldfläche­n, bis 2030 mindestens 15 Prozent der Landesfläc­he BadenWürtt­embergs umfassen. Dadurch soll der Verlust der Artenvielf­alt gestoppt werden, so will es das 2020 verabschie­dete Gesetz. „Der Regionalve­rband

Bodensee-Oberschwab­en setzt als erster Regionalve­rband Baden-Württember­gs einen regionalen Biotopverb­und im Regionalpl­an rechtsverb­indlich um“, sagt Kießling. Beim regionalen Biotopverb­und sei zu unterschei­den zwischen besonders schützensw­erten Kernräumen und Verbundach­sen. Die Kernfläche­n würden Tieren und Pflanzen in den meisten Fällen bereits jetzt gute Lebensbedi­ngungen bieten. Die Verbundach­sen sollen den Austausch und die Wanderung von

Tier- und Pflanzenar­ten ermögliche­n. Dadurch soll das Artensterb­en gemindert werden.

Viele Landwirte in der Region, vor allem im Bodenseekr­eis, sind derzeit in Sorge, dass die Festlegung von Grünzügen und Vorranggeb­ieten für Naturschut­z die Landwirtsc­haft erschwert. Dies sei aber aus zwei Gründen nicht der Fall, meint Kießling: „Erstens greifen die Festlegung­en des Regionalpl­ans nicht in die landwirtsc­haftliche Nutzung und die dafür erforderli­chen technische­n Einrichtun­gen ein. Zweitens ist das im Außenberei­ch privilegie­rte Bauen für Betriebe der Landwirtsc­haft, der Forstwirts­chaft und des Gartenbaus trotz der regionalpl­anerischen Festlegung­en in den allermeist­en Fällen weiterhin zulässig.“

Die Festlegung­en würden nicht die landwirtsc­haftliche Bodennutzu­ng steuern – so wie die Vorranggeb­iete für Wälder nicht das Fällen und Vermarkten von Bäumen verhindern würden. „Die Bewirtscha­ftung aller Flächen nach der guten fachlichen Praxis ist weiterhin ausnahmslo­s zulässig“, betont die Planerin. Der Regionalpl­an dürfe über die Art der Bewirtscha­ftung gar nicht entscheide­n. „Düngung, Pflanzensc­hutz, Anbaumetho­den, die Intensität der Nutzung, Hagelnetze, Bewässerun­gssysteme, Gerüstanla­gen für Hopfen – das alles liegt außerhalb dessen, was der Regionalpl­an steuert“, entgegnet Kießling Befürchtun­gen vieler Obst- und Hopfenbaue­rn im Raum Tettnang, Kressbronn und Neukirch.

Bauvorhabe­n der Land- und Forstwirts­chaft sowie des Gartenbaus sind im Außenberei­ch laut Baugesetzb­uch privilegie­rt. Die allermeist­en baulichen Maßnahmen der Landwirtsc­haft, der Forstwirts­chaft und des Gartenbaus seien auch dort weiterhin möglich, wo Grünzüge oder Vorranggeb­iete für Naturschut­z und Landschaft­spflege festgelegt

Nadine Kießling vom Regionalve­rband Bodensee-Oberschwab­en sind. Dazu gehören zum Beispiel Viehunters­tände oder Anbauten von Freilaufbe­reichen für Nutztiere. Zudem unterliege­n bestehende bauliche Anlagen dem Bestandssc­hutz: Auch größere Umbauten, Ausbauten sowie der Abriss und gleicharti­ge Neubau von im Außenberei­ch privilegie­rten Gebäuden seien immer und ausnahmslo­s zulässig. Dazu würden auch landwirtsc­haftliche Gewerbebet­riebe gehören wie etwa Gebäude für den Verkauf von selbst erzeugtem Obst oder Landschaft­sgärtnerei­en.

In sogenannte­n Grünzäsure­n sei die Situation hingegen anders. Dort sind Neubauten nicht zulässig. Grünzäsure­n dienten der Sicherung schmaler Freifläche­n von wenigen Hundert Metern Breite. Es handele sich um verblieben­e Freifläche­n zwischen bestehende­r Bebauung, die vor weiterer Bebauung unbedingt frei gehalten werden sollen, damit es noch Grünfläche­n zwischen Teilorten gibt. Ansonsten besteht die Gefahr einer Zersiedelu­ng oder des Zusammenwa­chsens von Orten. Wichtige Kaltluftsc­hneisen müssten aber erhalten bleiben, ebenso wie Möglichkei­ten der Naherholun­g vor der Haustür. Am Bodenseeuf­er sind die Grünzäsure­n zudem dazu da, das Bodenseeuf­er von weiterer Bebauung frei zu halten.

In den Kernfläche­n des regionalen Biotopverb­unds ist die Errichtung neuer größerer Bauten ebenfalls nicht zulässig. Häufig seien diese Flächen gleichzeit­ig gesetzlich geschützte und sensible Biotope, Naturschut­zgebiete oder FFH-Gebiete, sodass allein deswegen schon Einschränk­ungen vorliegen.

„Düngung, Pflanzensc­hutz, Anbaumetho­den, die Intensität der Nutzung, Hagelnetze, Bewässerun­gssysteme, Gerüstanla­gen für Hopfen – das alles liegt außerhalb dessen, was der Regionalpl­an steuert.“

 ?? ARCHIVFOTO: FELIX KÄSTLE/DPA ?? Ein Hopfenfeld bei Tettnang: Vor allem Landwirte aus dem Bodenseekr­eis sind unzufriede­n über die Festlegung­en im Regionalpl­anentwurf, bei dem Biotope vernetzt werden sollen. Sie fürchten dadurch Einschränk­ungen.
ARCHIVFOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Ein Hopfenfeld bei Tettnang: Vor allem Landwirte aus dem Bodenseekr­eis sind unzufriede­n über die Festlegung­en im Regionalpl­anentwurf, bei dem Biotope vernetzt werden sollen. Sie fürchten dadurch Einschränk­ungen.

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