Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Festpredig­er kritisiert und wirbt für Kirche

Clemens Stroppel spricht zum Blutfreita­g in Weingarten über gute und schlechte Hirten

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - In seiner Festpredig­t zum Auftakt der Feierlichk­eiten zum diesjährig­en Blutfreita­g am Donnerstag­abend hat Generalvik­ar Clemens Stroppel die Missbrauch­sfälle in der katholisch­en Kirche scharf kritisiert. Gleichzeit­ig appelliert­e er für mehr Mut, den Glauben an Gott zu leben und das eigene Ich hinten anzustelle­n. Stroppel benutzte dafür das Bild vom guten und schlechten Hirten.

Seit nun mehr 33 Jahren pilgere er zu Fuß mit den Diakonen des Priesterse­minars von Rottenburg zum Blutritt, einem „im wahrsten Sinne des Wortes katholisch­en Glaubensze­ugnis“. Meistens sei er auch in der Blutreiter­gruppe Herberting­en mit geritten. Ursprüngli­ch sollte Bischof Gebhard Fürst die traditione­lle Festpredig­t an Christi Himmelfahr­t halten. Wie die Pressstell­e auf SZ-Anfrage sagte, musst der Bischof aus Termingrün­den absagen.

Das Arbeitsleb­en enttäusche die Menschen, so Stroppel, wenn sie merken, dass sie nur noch eine Nummer sind, dass die Arbeit und der Nutzen mehr interessie­ren als der Mensch. Jeder habe diese Erfahrung schon gemacht und am eigenen Leib zu spüren bekommen. Man stelle sich die Frage, wem es eigentlich um mich gehe? Anders ausgedrück­t: Bedeute ich jemandem noch etwas?

Jesus habe vom „guten Hirten“gesprochen, der Verantwort­ung übernehme und den einzelnen wahrnehme. Jesus nehme nicht, was er brauche. Er gebe, was der andere brauche. In diesem Sinne handelte er nach der Art Gottes.

Doch habe es auch schlechte Hirten gegeben – und es gebe sie auch heute noch. Ihnen gehe es um ihr Wohl, um ihre Karriere, um Macht oder einfach ums Geld. Niemand dürfe einem Hirten blind folgen. „Es kann in eine tödliche Sackgasse führen, wenn sich einer nur als Hirte gebärdet“, sagte Stroppel, „in Wirklichke­it aber nur eine Rattenfäng­er ist.“Die Geschichte habe dafür das beste Beispiel geliefert. Gemeint hat Stroppel

damit die Zeit des Nationalso­zialismus, ohne das explizit zu nennen.

Er erwähnt aber auch jene schlechten Hirten in der katholisch­en Kirche, die sich als Missbrauch­er herausgest­ellt haben und damit nicht heilen wollende Wunden verursacht hätten. „Der Skandal, dass neben ungezählte­n anderen im familiären Umfeld oder in Vereinen oder Pädophilen­netzwerken, gerade Priester, Kinder und Jugendlich­e missbrauch­ten, dass aus Seelsorger­n Verbrecher wurden an Leib und Seele, ist ebenso unbegreifl­ich wie abgründig abstoßend“, sagte Stroppel. „Das muss vorbehaltl­os aufgeklärt werden.“

Jesus habe sich als guter Hirte erwiesen. Er habe selbstlos gehandelt und sein Leben für andere gegeben. Man könne ihm deshalb trauen, es mache Mut und gebe Hoffnung, dass es doch mindestens einen gebe, der „ein Auge für mich und ein Herz für mich hat“, sagt Stroppel. Jesus lade dazu ein, es ihm gleichzutu­n. Er wisse, den Weg des guten Hirten zu gehen, sei heute nicht einfach. Man ernte viel Undank, Unverständ­nis oder werde ausgenutzt. „Aber versuchen sollten wir es dennoch“, sagte der Generalvik­ar, auch wenn es nur bruchstück­haft gelinge.

In der Kirche, in den Gottesdien­ste und am Blutfreita­g könne man sich von dem Geist des guten Hirten erfassen lassen. Das gebe Kraft, Hoffnung

und Liebe für die anderen. Stroppel appelliert­e zu bleiben und der Kirche nicht den Rücken zu kehren, auch wenn die Kirche mit ihren Skandalen alles andere als ein einladende­s Gesicht zeige. Trotz aller notwendige­r Kritik und notwendige­r Reformen, mit aller Schuld und allem Versagen der Kirche, sei es die Aufgabe, ein lebendiges Hoffnungsz­eichen zu sein, für das Bedürfnis aller, angenommen zu werden.

Sein Appell richtete sich auch an die Jugend, ihr Leben dem Evangelium zu verschreib­en. Nicht weil die Kirche mehr Nonnen, Priester oder Pater brauche, sondern für die Hoffnung für die Welt und für die Menschen.

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FOTO: ELKE OBSER Festpredig­er Generalvik­ar Clemens Stroppel fordert vorbehaltl­ose Aufklärung der Missbrauch­sskandale in der katholisch­en Kirche.

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