Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Auch Verbraucher müssen aufpassen
Keine Frage, die Bösen sind die Stromdiscounter, die angesichts gestiegener Energiepreise ihren Kunden kündigen und die Belieferung von heute auf morgen einstellen. Lange haben die Anbieter Gewinne abgeschöpft und den seriösen Unternehmen Marktanteile abgenommen, weil diese mit den Erzeugern langfristig Lieferverträge geschlossen und deshalb wesentlich teurer eingekauft haben. Nun hat sich der Markt gedreht: Strom kurzfristig zu kaufen, ist teuer. Das Geschäftsmodell der Discounter funktioniert nicht mehr, und sie lassen ihre Kunden im Regen stehen.
Die Grundversorger, die die gelackmeierten Verbraucher nun nehmen müssen, haben damit ein Problem: Um die neuen Kunden zu versorgen, müssen sie ihrerseits Strom kurzfristig nachkaufen, der nun aber wesentlich teurer ist als der Strom, den sie sich mit ihren Planungen oft auf Jahre gesichert haben. Deswegen ist es gerechtfertigt, dass die Grundversorger diesen Kunden teurere Tarife anbieten, weil die Unternehmen die Zusatzkosten ansonsten auf alle umlegen müssten. Und warum sollten die Kunden, die sich mit Bedacht für einen konservativ kalkulierenden Anbieter entschieden haben, darunter leiden, dass andere auf unseriöse Billigheimer hereingefallen sind?
Bei aller Empörung sollte der Bund bei der Neuordnung des Marktes aber nicht nur gegen unseriöse Anbieter vorgehen, sondern auch auf den mündigen Verbraucher setzen. Wer seinen Stromanbieter allein nach dem Preis aussucht, agiert nicht weitsichtig – und muss mit möglichen Risiken leben. Es ist das gleiche Prinzip, was in der Geldanlage gang und gäbe ist: Stellt ein Anbieter hohe Renditen in Aussicht, gehen damit immer höhere Risiken einher. Wer damit leben kann und einen möglichen Ausfall – in diesem Fall die Pleite eines Stromdiscounters – aushalten kann, darf gerne in guten Zeiten die billigen Strompreise genießen.
Hinzu kommt, dass die Discounter im Strommarkt als Preisregulativ fungieren. Schließlich müssen auch seriöse Anbieter die Preise der Billiganbieter im Auge haben, um ihr eigenes Angebot danach auszurichten.