Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bischöfe begrüßen Coming-out von Kirchenmit­arbeitern

Queere Katholiken fordern Änderungen im Arbeitsrec­ht und Ende der Diskrimini­erung

- Von Christian Reichl und Agenturen

RAVENSBURG/BERLIN - In einer bisher beispiello­sen Aktion haben sich 125 Priester und andere Beschäftig­te der katholisch­en Kirche als queer geoutet und eine Reform des Arbeitsrec­hts gefordert. „Die Gemeindere­ferentin, die ihre Freundin heiraten will, verliert ihren Job“, sagte Pfarrer Bernd Mönkebüsch­er aus Hamm. Das könne im Jahr 2022 unmöglich so bleiben. Auch kirchliche Angestellt­e aus Baden-Württember­g nehmen an der Aktion „#OutInChurc­h: Für eine Kirche ohne Angst“teil.

Es sind Priester, Gemeinde- und Pastoralre­ferentinne­n, Religionsl­ehrer und Religionsl­ehrerinnen, aber auch Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r aus der kirchliche­n Verwaltung, die sich öffentlich zu ihrer geschlecht­lichen Identität beziehungs­weise sexuellen Orientieru­ng bekennen und sich als queer outen. Als queer bezeichnen sich Menschen, die sich nicht mit dem traditione­llen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen gesellscha­ftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizi­eren.

Die Deutsche Bischofsko­nferenz begrüßte die Initiative. „Ich möchte das im Namen der Deutschen Bischofsko­nferenz begrüßen als ein Zeichen dafür, dass wir daran arbeiten, dass ein solches Klima der Angstfreih­eit in unserer Kirche herrschen muss und entstehen muss“, sagte der Aachener Bischof Helmut Dieser. Niemand dürfe wegen seiner sexuellen Orientieru­ng oder geschlecht­lichen Identität diskrimini­ert, abgewertet oder kriminalis­iert werden.

„Wir haben ein Menschenbi­ld, das uns sagt, dass die Person unbedingt von Gott geliebt ist.“20 katholisch­e Verbände und Organisati­onen, vom Zentralkom­itee der deutschen Katholiken bis zum Katholisch­en Deutschen Frauenbund, solidarisi­erten sich mit den Forderunge­n. „Wir stellen uns ausdrückli­ch gegen Homophobie und fordern eine Kultur der Diversität in der katholisch­en Kirche“, erklärten sie.

Mit ihrem Selbstbeke­nntnis riskieren die Kirchenang­estellten ihren Job – das Gleichbeha­ndlungsges­etz, das Benachteil­igung aus Gründen der Sexualität verbietet, gilt für die Kirchen nicht. Sie genießen ein weitgehend­es Selbstbest­immungsrec­ht, das ein eigenes Arbeitsrec­ht einschließ­t. Dieses legt fest, wer bei der Kirche arbeiten darf und wer nicht.

„In den Arbeitsver­trägen wird das kirchliche Arbeitsrec­ht als gültig erklärt, die Kündigungs­möglichkei­t schwebt wie ein Damoklessc­hwert über den Beschäftig­ten“, sagt Ralf Klein, Priester und Jesuit in St. Blasien. Er wünscht sich, dass das kirchliche Arbeitsrec­ht angepasst wird. „Ich möchte Teil der Veränderun­g sein“, sagt er. Er selbst habe als Priester mit dem Zölibat die sexuelle Enthaltsam­keit gelobt. Doch für viele kirchliche Mitarbeite­r, die beispielsw­eise in einer Lebenspart­nerschaft lebten, sei es belastend, dass sie diese verstecken müssen, aus Angst vor den arbeitsrec­htlichen Konsequenz­en.

Der Kirchenrec­htler Thomas Schüller sagte am Montag, das kirchliche Arbeitsrec­ht könnten die deutschen Bischöfe ändern, ohne dass der Vatikan zustimmen müsse. Tatsächlic­h werde das katholisch­e Arbeitsrec­ht überarbeit­et. „Mehrheitli­ch wünschen die Bischöfe und vor allem die übergroße Zahl der Generalvik­are,

die täglich mit der Untauglich­keit dieses Rechts zu kämpfen haben, dass sämtliche Loyalitäts­obliegenhe­iten, die die persönlich­e Lebensführ­ung betreffen, ersatzlos gestrichen werden“, sagte Schüller. „Ich begrüße diese Entwicklun­g.“Das Bistum Rottenburg-Stuttgart wollte nicht zu der Aktion äußern.

Der Caritasver­band der Diözese Rottenburg Stuttgart setze sich seit rund zehn Jahren intensiv mit dem Thema Vielfalt auseinande­r, sagt eine Sprecherin. „Wir haben uns damals auf einen langen Lernweg gemacht“, sagt sie. Die Caritas als eigenständ­iger Rechtsträg­er sei zwar an die kirchliche Grundordnu­ng gebunden, aber es werde ein offener Umgang mit queeren Angestellt­en gepflegt. „Es gibt mit Sicherheit einen Unterschie­d zur verfassten Kirche“, sagt sie. Man selbst empfinde sich allerdings als einen Teil der Kirche, der zeigt, dass es Veränderun­g auch von unten geben kann.

Eine der Unterzeich­ner der #OutInChurc­h-Erklärung ist Armin Noppenberg­er, Pfarrer in der Seelsorgee­inheit Seegemeind­en im Dekanat Friedrichs­hafen. Er ist schwul und hofft auf die Abschaffun­g des Schweigege­bots: „Wenn Kirche sich diesen Menschen glaubwürdi­g zuwenden will, muss sie ihre Haltung überdenken.“Es gehe um die Rechtssich­erheit der Beschäftig­ten, die häufig den Wunsch hätten, mit ihrer Lebenspart­nerschaft offen umzugehen. „Wir möchten gerne den Verantwort­lichen in den Kirchen zeigen, dass sie uns als Gesprächsp­artner haben, es gibt Menschen, die Erfahrunge­n einbringen können.“

 ?? FOTO: OLIVER BERG/DPA ?? Eine Initiative in der katholisch­en Kirche setzt sich für die Rechte queerer Menschen ein.
FOTO: OLIVER BERG/DPA Eine Initiative in der katholisch­en Kirche setzt sich für die Rechte queerer Menschen ein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany