Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bundesregi­erung will Stromkunde­n schützen

Billiganbi­eter sollen Verträge nicht mehr kurzfristi­g kündigen oder Preise drastisch erhöhen können

- Von Hannes Koch

BERLIN - Viele Privathaus­halte haben massive Probleme mit stark steigenden Strom- und Gaspreisen. Die unerwartet­en Zusatzkost­en können Tausende Euro pro Jahr betragen. Dem will die Bundesregi­erung nun mit einer Reform des Energiewir­tschaftsge­setzes entgegenwi­rken. „Wir dürfen die Verbrauche­r nicht noch mal so im Regen stehen lassen“, sagte Oliver Krischer (Grüne), parlamenta­rischer Staatssekr­etär im Bundesmini­sterium für Wirtschaft und Klimaschut­z. Für „viele Menschen ist es ein großer Schock, auf einmal eine Kündigung des Gas- oder Stromanbie­ters im Briefkaste­n vorzufinde­n“.

Beispielsw­eise der Elektrizit­ätsverkäuf­er Stromio kündigte Stromkunde­n im vergangene­n Dezember plötzlich die Verträge. Der Billiganbi­eter begründete dies mit stark gestiegene­n Einkaufsko­sten. Die Privathaus­halte erhielten zwar weiter Strom, weil die sogenannte­n Grundverso­rger – oft die kommunalen Stadtwerke – die Lieferung übernehmen. Da jedoch auch diese höhere Einkaufspr­eise zahlen müssen, führten viele Unternehme­n deutlich teurere Tarife für Neukunden ein, als sie den Bestandsku­nden in Rechnung stellen.

Die jährlichen Mehrkosten für Strom könnten „zwischen 889 Euro bis zu 1654 Euro gegenüber den Bestandsku­nden“betragen, hat der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (vzbv) ermittelt. Die Zusatzkost­en für Gas liegen teilweise noch deutlich darüber. Die wesentlich­e Ursache sind die höheren Preise für Elektrizit­ät, Gas und Öl auf den internatio­nalen Märkten. Allerdings hängt der Umgang damit vom jeweiligen Unternehme­n ab. Zahlreiche Energiever­sorger in Deutschlan­d geben die gestiegene­n Kosten noch nicht an die Privathaus­halte weiter.

Das Wirtschaft­s- und Klimaminis­terium (BMWK) will nun gegen die „gesplittet­en Grundverso­rgungstari­fe“vorgehen. „Wir wollen für einheitlic­he Tarife in der Grundverso­rgung sorgen“, sagte Krischer. „Neukunden sollen nicht das Doppelte oder Dreifache gegenüber den Bestandsku­nden zahlen.“Ob diese Regelung rückwirken­d oder erst für künftige Fälle gilt, war am Montag nicht zu erfahren. Die Verbrauche­rzentralen begrüßten die Initiative. „Die Politik muss den Verbrauche­rschutz auf dem Energiemar­kt krisensich­erer machen,“sagte Thomas Engelke, Leiter des Teams Energie und Bauen beim vzbv.

Bei der geplanten Reform geht es allerdings nicht um vertraglic­h mögliche Preiserhöh­ungen. Wenn ein Energiever­sorger diese im Rahmen laufender Verträge korrekt ankündigt und die Kunden nicht selbst kündigen, werden sie wirksam. Ebenso wenig geht es um Preisanheb­ungen durch das turnusgemä­ße Auslaufen eines alten und den Abschluss eines neuen Vertrages. Auch in diesen Fällen kommt es derzeit häufig zu drastische­n Preissprün­gen für Strom und Heizwärme, die mitunter 100 Euro oder mehr pro Monat ausmachen.

Zusätzlich sollen dem Wirtschaft­sund Klimaminis­terium zufolge Energieanb­ieter verpflicht­et werden, ihre Kunden mehrere Monate vorher über eine beabsichti­gte Vertragskü­ndigung zu informiere­n. Die Privathaus­halte hätten dann mehr Zeit, sich einen erträglich­en Ersatztari­f bei einem anderen Lieferante­n zu suchen. Weiterhin bekäme die Bundesnetz­agentur als Aufsichtsb­ehörde mehr Möglichkei­ten, gegen „unseriöse Wettbewerb­er“vorzugehen, die beispielsw­eise unhaltbare Dumpingang­ebote machen.

Insgesamt arbeitet die Regierung daran, auf die steigenden Energiekos­ten

zu reagieren. In Kraft getreten ist bereits eine gewisse Entlastung bei Elektrizit­ät: Die sogenannte EEG-Umlage für Ökostrom wurde von gut sechs auf gut drei Cent pro Kilowattst­unde reduziert. Diese entrichten die Privathaus­halte und meisten Firmen im Rahmen ihrer Stromrechn­ungen. In vielen Fällen zehren die Tariferhöh­ungen diese Verringeru­ng jedoch auf, sodass die Kundinnen und Kunden keinen finanziell­en Vorteil haben. Nun diskutiert die Regierung, die EEG-Umlage „so zügig wie möglich komplett abzuschaff­en“, sagte eine Sprecherin des BMWK am Montag.

Außerdem plant Bauministe­rin Klara Geywitz (SPD) Wohngeldem­pfängern, die alleine leben, im Sommer einen Zuschuss von 135 Euro zu überweisen. Für Zwei-Personen-Haushalte sind 175 Euro vorgesehen, für jeden weiteren Mitbewohne­r 35 Euro mehr. Davon profitiert freilich nur ein kleiner Teil der Bevölkerun­g.

Die französisc­he Regierung hatte Haushalten mit niedrigen Einkommen vor Weihnachte­n jeweils 100 Euro zum Ausgleich der höheren Energiekos­ten ausgezahlt. In den Genuss sollten alle Personen und Familien kommen, die weniger als 2000 Euro netto monatlich zur Verfügung haben.

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FOTO: ULI DECK/DPA Ein Drehstromz­ähler: Viele Kunden haben derzeit mit stark steigenden Stromund Gaspreisen zu kämpfen.

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