Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
CDU-Politiker kritisieren Regierung
Grundsätzlich Zustimmung zur Impfpflicht – Klage über fehlende Informationen
RAVENSBURG (bua) - Die Ravensburger CDU-Abgeordneten auf Bundesund Landesebene unterstützen eine Impfpflicht gegen das Coronavirus. Allerdings haben sie auch Bedenken. Und äußern deutliche Kritik am Kurs der Bundesregierung.
Axel Müller ist 58 Jahre alt, wohnt in Weingarten und sitzt seit 2017 als Direktkandidat des Wahlkreises 294 Ravensburg im Deutschen Bundestag. Für die CDU. Vor seinem Einzug in das Berliner Reichstagsgebäude war er Vorsitzender Richter am Ravensburger Landgericht.
Natürlich klingt es daher sehr juristisch, was er im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“zum Umgang mit der Corona-Lage und der Politik der neuen Bundesregierung sagt. Maßnahmen müssten, so lernt man das in der Rechtswissenschaft, stets „geeignet, erforderlich, verhältnismäßig“sein. Aber was heißt das konkret? Aus medizinischer Sicht seien die Corona-Schutzmaßnahmen von Bund und Ländern richtig, sagt Axel Müller. Im juristischen Sinne blieben aber Fragen offen im Hinblick auf eine angedachte Impfung für alle Bürgerinnen und Bürger: „Die Omikron-Mutation ist eine weniger starke Belastung für die Intensivstationen, aber es ist unklar, ob die aktuell vorhandenen Impfstoffe zur Ausrottung des Virus führen können. Wir wissen im Moment einfach zu wenig.“Das liege auch daran, dass die neue Bundesregierung zu wenige
Informationen teile – wenn sie die überhaupt hat. „Geeignet“seien die Idee einer Impfpflicht und die Schutzmaßnahmen, um im Juristendeutsch zu bleiben, im Moment schon. Müller: „Aber ist eine Impfpflicht erforderlich? Dafür ist eine weitere Prüfung notwendig.“
Der Weingartener CDU-Politiker ist kein Impfgegner, aber er ist auch Jurist. Er sagt: „Eine allgemeine Impfpflicht für Menschen ab 18 Jahren? Ich bin skeptisch, ob so ein Gesetz standhalten und verfassungskonform begründet werden könnte.“
Daher müsse die Bundesregierung jetzt verlässliche Informationen liefern und Haltung zeigen, anstatt die Debatte mehrere Wochen später „ins Parlament zu kicken“und das dort diskutieren zu lassen.
Fehlende Transparenz beklagen auch andere CDU-Abgeordnete aus Bund und Land. Zum Beispiel Josef Rief, seit 2009 im Bundestag für den Wahlkreis Biberach, zu dem auch Teile des Altlandkreises Wangen gehören: „Die Bundesregierung macht keine Vorarbeit, die Kriterien für eine Impfpflicht sind nach wie vor nicht festgelegt.“Im Umgang mit der Corona-Pandemie sehe er bei der Ampel in Berlin „Arbeitsverweigerung“. Und: Er habe, ohne das dramatisieren zu wollen, eine „Riesenangst“, dass jetzt nur diskutiert werde und nichts geschehe, aber im nächsten Herbst mit Corona neue Probleme auf die Menschen zukommen könnten.
Zwar sieht der Ravensburger Landtagsabgeordnete August Schuler in Bezug auf die „Spaziergänger“und „Querdenker“-Szene eine „gewisse Gefährdung unserer Demokratie, auch tiefe Gräben, teilweise in Hass übergehend, wie ich sie in meinem politischen Leben noch nicht erlebt habe“.
Lautstark gegen die sogenannten Demonstranten vorzugehen, hat die CDU im Kreis Ravensburg aber offenbar nicht vor, im Gegensatz zum Bodenseekreis, wo sich in der „Friedrichshafener Erklärung“Bürgermeister, Stadträtinnen und Vertreter verschiedenster Fraktionen und Institutionen laut gegen demokratiefeindliches Verhalten im Rahmen von Anti-Corona-Demonstrationen äußerten.
CDU-Kreisverbandschef Christian Natterer sagt dazu: „Im vergangenen Jahr gab es im Landkreis lokal begrenzte Aktionen, die sich gegen Extremisten stellten und auf die demokratischen Grundwerte hinwiesen. Von der CDU wird da jetzt wieder was kommen.“