Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Hochschule bekommt Klimamanager
Stelle für die RWU ausgeschrieben – Professor Ertel sieht sich in seinem Protest bestätigt
WEINGARTEN - Mit seinem öffentlichkeitswirksamen Klimaprotest machte der Weingartener Professor Wolfgang Ertel im Mai vergangenen Jahres bundesweit Schlagzeilen. Die Besetzung eines Baumes auf dem Campus der Hochschule Ravensburg-Weingarten (RWU) brachte ihm zwar einen Strafbefehl wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein, sorgte aber auch dafür, dass sich Wissenschaftsministerin Theresia Bauer höchstpersönlich in den Fall einschaltete. Ein dreiviertel Jahr später wird nun tatsächlich ein weiterer Teil seiner Forderungen erfüllt: Die RWU bekommt einen Klimamanager. Zwar dürfen sich auch acht weitere Hochschulen im Land über solche Posten freuen. Dennoch fühlt sich Professor Ertel in seiner Protestaktion bestätigt.
„Ich bin glücklich, dass diese kleine Baumaktion mit großem Presseecho nun zu einem echten Erfolg geführt hat. Die neun in Baden-Württemberg zu besetzenden Stellen werden an den Hochschulen zu echtem, messbarem Klimaschutz führen“, ist sich Ertel sicher. Nach eigener Aussage hatte er sich zehn Jahre vergeblich dafür eingesetzt, dass die Heizungen in den Hörsälen nicht durchgängig – gerade in der vorlesungsfreien Zeit und während der Corona-Pandemie – laufen, sondern intelligent gesteuert werden. Auch forderte er, die RWU mit mehr Personal für den Klimaschutz auszustatten. Doch intern und beim Ministerium sei er mit seinen Forderungen nie wirklich weit gekommen, sagte Ertel. Erst mit der Baumbesetzung habe sich das geändert. „Was dieser Vorgang aber auch zeigt, ist, dass ziviler Ungehorsam gerade beim Klimawandel manchmal viel mehr bewirken kann als jahrelange Bemühungen auf dem Dienstweg“, sagt er. Tatsächlich hatte die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer Professor Ertel nach dessen Protest persönlich angerufen. Überliefert wurde aus diesem Gespräch ein einprägsames Zitat von ihr: „Wenn ein Professor auf Bäume steigt, dann muss da was dran sein.“In der Folge relativierte Bauer zwar die Bedeutung des Protestes, dennoch wurde das Thema in den Ministerien weiter vorangetrieben. „Die Aktion von Herrn Professor Ertel war sicher ein Impuls für den Standort Ravensburg und hat dort die Diskussion nochmals vertieft“, teilte Bauer im Herbst 2021 auf SZ-Anfrage mit. Allerdings stehe das Thema Klimaschutz landesweit auf der Agenda. „Daher binden wir an den Hochschulen alle Unterstützer ein – auch wenn sie nicht auf Bäume klettern.“
Letztlich wurden nun – neben der RWU – auch den Hochschulen in Offenburg, Mannheim, Karlsruhe, Furtwangen, Esslingen und Pforzheim sowie der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch-Gmünd und der Hochschule der Medien in Stuttgart die Stellen für sogenannte Klimamanager bewilligt. Diese sollen eine wichtige Schnittstelle zu den Bauverwaltungen bilden und dabei helfen, die Landesverwaltung bis 2030 treibhausgasneutral zu machen, teilt das Wissenschaftsministerium in einer Pressemitteilung mit. Schließlich sieht die Landesregierung gerade im technisch-baulichen Bereich große Einsparpotenziale. Darüber hinaus empfiehlt das Ministerium, einen Hochschulbeauftragten für das Thema zu benennen und ein Koordinierungsgremium – den sogenannten Energiezirkel – zu bilden.
An der RWU selbst wird bereits an einem Energie- und Klimaschutzkonzept gearbeitet. Außerdem wurde ein Pilotprojekt ins Leben gerufen, bei dem mehrere Hörsäle mit intelligenten Sensoren ausgestattet werden, um herauszufinden, wie viel Energie man tatsächlich einsparen könnte. Auch die Heizungen sollten über Weihnachten heruntergedreht worden sein, womit eine weitere zentrale Forderung von Ertel erfüllt wurde. Die zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu besetzende Stelle des Klimamanagers ist bereits auf der Webseite der RWU ausgeschrieben. Bis zum 13. Februar läuft die Bewerbungsfrist.
Für Ertel sind das durchweg gute Nachrichten. Allerdings weitet er bereits wieder seinen Blick: „Vielleicht kann dieses positive Signal im Hochschulbereich als Motivation für die Stadt Ravensburg dienen, beim Klimaschutz endlich das dazu notwendige Tempo aufzunehmen. Der Ravensburger Gemeinderat hat vor eineinhalb Jahren beschlossenen, den CO2-Ausstoß pro Jahr um 13 Prozent zu reduzieren. Bis heute wurde nicht ein Prozent Reduktion erreicht.“