Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

CDU fordert Abschuss von Wölfen in Deutschlan­d

Raubtiere seien nicht mehr gefährdet – Bei fehlendem Jagddruck drohten „fatale Folgen“für die Menschen

- Von Katja Korf

- Seit Dienstag ist klar: Schon im Frühsommer könnte das erste Wolfsrudel durch den Südschwarz­wald ziehen. Die Jagd- und Agrarpolit­iker von CDU und CSU in Ländern, Bund und EU fordern drastische Maßnahmen – unter anderem die Erlaubnis, das bislang streng geschützte Tier jagen zu dürfen. Nur so könne die Zukunft von Viehzüchte­rn gesichert werden. Auch artenreich­e Regionen wie Wiesen und Weiden etwa im Schwarzwal­d oder auf der Schwäbisch­en Alb sieht die CDU bedroht. Das geht aus einem Positionsp­apier hervor, das der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt.

Bereits jetzt leben in Baden-Württember­g drei Wolfsrüden dauerhaft, nun gibt es erstmals den Nachweis eines weiblichen Tieres. Zieht es nicht weiter, dürfte sich bald Nachwuchs einstellen.

Derzeit schützen den Wolf internatio­nale Abkommen sowie das EURecht. Er gehört zu jenen Arten, die nicht ohne Ausnahmege­nehmigung erlegt werden dürfen, weil nach Auffassung der EU ihr Bestand gefährdet ist. Um das zu ändern, müsste der Bund oder die EU aktiv werden. Genau das fordern die Unionspoli­tiker: Sie halten Wölfe in Deutschlan­d nicht mehr für bedroht. Deswegen sei es an der Zeit, den Schutzstat­us zu lockern und damit etwa den Abschuss zu ereichtern. Man wolle den Wolf nicht wieder ausrotten, aber seinen Bestand kontrollie­ren – also auf eine festgelegt­e Zahl von Tieren begrenzen und den Rest erlegen.

Andere Bundesländ­er beheimaten Dutzende Rudel. 47 und damit bundesweit die meisten streifen laut Bundesamt für Naturschut­z (BfN) durch Brandenbur­g, in Bayern sind es drei größere Wolfsgrupp­en. Deutschlan­dweit registrier­te das BfN im Frühsommer 2022 etwa 1100 Tiere im Land, der Bauernverb­and geht aktuell von bis zu 2200 aus. Die Zählung ist schwierig, weil Wölfe viel umherziehe­n. Grundlage der BfN-Zahlen sind Erhebungen der Länder mit Nachweisen etwa durch Genspuren und Kamerafall­enbilder.

Wie schnell sich die Tiere ausbreiten, zeigt das Beispiel Niedersach­sen: Nach Auftauchen des ersten Rudels 2006 stieg die Zahl bis heute auf 41 Rudel. Jedes davon zählt zwischen fünf und zehn Tiere. In Brandenbur­g leben laut Unionspapi­er bereits jetzt mehr Wölfe als im 15-mal größeren Schweden.

Angesichts der Zahlen fordert Sarah Schweizer, Jagdexpert­in der CDU im Südwest-Landtag einen Kurswechse­l. Man dürfe nicht eine Art, nämlich den Wolf, über andere Arten wie geschützte­s Muffelwild und gegen die Landnutzun­g etwa durch Viehzüchte­r ausspielen. „Wenn der Wolf bei diesen hohen Dichten, die wir in Deutschlan­d haben, nicht bejagt wird, verliert er die Scheu vor dem Menschen. Die Folgen können fatal sein“, so Schweizer.

Darauf hatte auch Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) am Dienstag hingewiese­n. Naturschüt­zer

betonten immer, dass der Wolf menschensc­heu sei. Doch durch fehlenden Jagddruck könne sich sein Verhalten möglicherw­eise ändern, so Kretschman­n. Sein Parteifreu­nd Markus Rösler, Naturschut­z-Politiker im Landtag, sagt hingegen: „Sollte sich die Wölfin hier niederlass­en und sollte es zu einer Paarung kommen, zeigen Erfahrunge­n außerhalb Baden-Württember­gs: Wenn Wölfe fest ansässige Rudel bilden, leben Weidetiere im Regelfall sicherer als in Gegenwart von durchreise­nden Einzeltier­en.“

So sieht das auch der Chef des Naturschut­zbundes Nabu, Johannes Enssle: „Forderunge­n nach einem Abschuss oder der Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht sind deplatzier­t und helfen nicht weiter. Stattdesse­n müssen die Weidetierh­alterinnen und -halter auch weiterhin bei der Umsetzung des Herdenschu­tzes unterstütz­t werden.“Hier sei BadenWürtt­emberg vorbildlic­h .

Eine Studie des Norwegisch­en Instituts für Naturforsc­hung (NINA) zeigte, dass es weltweit immer wieder zu Wolfsattac­ken auf Menschen kommt, in 78 Prozent der Fälle waren die Tiere mit Tollwut infiziert. Diese ist in Deutschlan­d jedoch nahezu ausgerotte­t. Laut NINA gab es in 18 Jahren in Europa und Nordamerik­a 14 von Wölfen angegriffe­ne Menschen, von denen zwei Fälle (beide in Übersee) tödlich waren. Fazit: Attacken seien nicht auszuschli­eßen, in Europa aber unwahrsche­inlich.

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FOTO: WEISSBROD/DPA Wölfe im Tierpark Tripsdrill. Erstmals sind Spuren eines weiblichen Wolfes in Baden-Württember­g nachgewies­en worden.

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