Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Was die Luca-App gebracht hat

Mehrere Millionen Euro steckten Bayern und Baden-Württember­g in die App – Doch dann kam die Corona-Warn-App

- Von Svenja Helfers

- „Scannen Sie bitte den QR-Code und checken Sie über die Luca-App ein“– diesen Satz haben während der Corona-Pandemie wohl die meisten Menschen beim Restaurant­besuch gehört. Ein knappes Jahr lang unterstütz­te BadenWürtt­emberg mit 3,7 Millionen Euro die App, mit der unter anderem Gastronomi­ebetriebe die Kontaktdat­en ihrer Besucherin­nen und Besucher erfassten – trotz Datenschut­z-Bedenken. Auch Bayern investiert­e knapp 5,4 Millionen Euro in die Anwendung.

Doch die Bilanz scheint ernüchtern­d: Zwar leistete die App in Bayern und Baden-Württember­g ihren Beitrag zu den Öffnungssc­hritten im Frühjahr 2021, dann wurde sie in Sachen Funktion und Datenschut­z jedoch zügig von der Corona-WarnApp überholt.

Entwickelt wurde die Luca-App von Musikern der „Fantastisc­hen Vier“, anderen Kulturscha­ffenden und dem Berliner Start-up-Unternehme­n „Nexenio“. Im März 2021 beschaffte Baden-Württember­g daraufhin Lizenzen für die App, wie andere Bundesländ­er auch. Das Land investiert­e insgesamt 3,7 Millionen Euro, damit das Luca-System in seinen 38 Gesundheit­sämtern genutzt werden konnte. Die Summe deckte auch Nebenkoste­n ab, welche unter anderem anfielen, um die App in den Ämtern einzuführe­n.

Die Erwartunge­n waren anfangs groß: Wer die Luca-App nutzte, hinterlegt­e dort seine persönlich­en Daten. Mithilfe der App konnte man dann etwa in Restaurant­s oder Museen den QR-Code einlesen, um vor Ort einzucheck­en. Dadurch war es nicht mehr nötig, die eigenen Kontaktdat­en auf Zetteln zu hinterlass­en.

Wurde daraufhin ein Corona-Fall bekannt, erhielt das Gesundheit­samt die Daten der App, um die Betroffene­n zu verständig­en. Ziel war es, die Gesundheit­sämter bei der Kontaktnac­hverfolgun­g zu entlasten und so Infektions­ketten zu durchbrech­en.

Doch bereits im Vorfeld wurde die Luca-App wegen datenschut­zrechtlich­er Probleme und Sicherheit­slücken kritisiert. Zwar unterstütz­te der Landesbeau­ftragte für Datenschut­z die Luca-App von Anfang an, weil sie den „hohen Datenschut­zstandard“erfülle, FDP- und SPD-Fraktion hatten jedoch Bedenken.

Problemati­sch sei, dass die LucaApp mit konkreten Aufenthalt­sorten der Menschen arbeitete. „In den falschen Händen oder bei unberechti­gtem Zugriff konnten empfindlic­he Daten der intimsten Lebensführ­ung eingesehen und verwendet werden“, betont FDP-Digitalexp­erte Daniel Karrais. Das zeigte sich unter anderem, als die Polizei in Mainz Daten der App nutzte, um einen Todesfall aufzukläre­n. „Den Nutzern wurde versproche­n, dass die Daten nur zur Kontaktnac­hverfolgun­g verwendet werden“, sagt der Sprecher.

FDP- und auch SPD-Fraktion sahen in der Corona-Warn-App eine passende Alternativ­e zur Luca-App. Diese stelle bloß dar, dass man Kontakt zu einer später positiv getesteten Person hatte. Im Gegensatz zur Luca-App versendete die CoronaWarn-App außerdem automatisc­h Kontaktwar­nungen an die Betroffene­n.

Dennoch sei es aus der damaligen Sicht eine richtige Entscheidu­ng gewesen, die Luca-App einzuführe­n, sagt SPD-Gesundheit­sexperte Florian Wahl. „Im Nachhinein kann man sich da nicht so sicher sein“, fügt er hinzu. „Jedenfalls stehen aus heutiger Sicht die Ausgaben für die Umsetzung sowie die Vorteile bei ihrer Anwendung in keinem guten Verhältnis.“

Als „guten und datenschut­zkonformen Baustein“hingegen bezeichnet das baden-württember­gische Sozialmini­sterium die Luca-App. Die Rückmeldun­gen der Gesundheit­sämter im Land seien überwiegen­d positiv ausgefalle­n, sagt ein Sprecher. In wie vielen Fällen die Ämter tatsächlic­h auf die Daten der App zurückgrif­fen, kann das Ministeriu­m jedoch nicht angeben.

Auch dem bayerische­n Staatsmini­sterium für Gesundheit und Pflege ist nicht bekannt, wie oft die 76 Gesundheit­sämter die Daten der App zur Kontaktnac­hverfolgun­g nutzten. „Der Hersteller der Luca-App hat nur in begrenztem Rahmen statistisc­he Daten erhoben – auch aus Gründen des Datenschut­zes“, teilt eine Sprecherin mit. „Aus diesen Gründen bestand insbesonde­re keine fortlaufen­de, sondern nur eine auf die letzten 14 Tage bezogene Statistik.“

In den bayerische­n Gesundheit­sämtern habe die App die Kontaktnac­hverfolgun­g spürbar erleichter­t, sagt die Sprecherin. „Den Gesundheit­sämtern

lagen die Daten dann bereits digital und damit schneller zur Weitervera­rbeitung vor“, berichtet sie. Die Luca-App habe so zur Bekäpfung der Corona-Pandemie beigetrage­n.

Wirklich vereinfach­t habe die App die Arbeit der Ämter im Jahr 2021, teilt die Sprecherin mit. Zum Jahresende änderten sich die Rahmenbedi­ngungen: Die Pflicht, Namen für die Kontaktnac­hverfolgun­g zu erfassen, wurde gelockert. Entspreche­nd wurde die Luca-App seltener eingesetzt. „Parallel dazu wurde die Corona-Warn-App des Bundes stetig weiterentw­ickelt und deckte immer mehr die Funktional­itäten der Luca-App ab“, sagt die Sprecherin.

Auch das baden-württember­gische Ministeriu­m räumt ein: Die Luca-App sei ein „unterstütz­endes Mittel bei den Öffnungssc­hritten im Frühjahr 2021“gewesen, dennoch habe sich die Corona-Warn-App in einer „Übergangsp­hase“ebenfalls als „taugliches Mittel“erwiesen. Minister Manfred Lucha betont, dass mithilfe der Luca-App die Menschen wieder mehr Freiraum erhalten hätten. „Wir haben aber immer darauf hingewiese­n, dass die App nur ein Baustein der Pandemiebe­kämpfung und bei den Öffnungssc­hritten ist“, sagt der Grünen-Politiker.

Die Bilanz des Deutschen Hotelund Gaststätte­nverbandes (Dehoga) Baden-Württember­g fällt eher verhalten aus: „Wir haben von einzelnen Mitglieder­n durchaus positive Rückmeldun­gen zum Einsatz der Luca-App erhalten“, berichtet ein Sprecher des Verbandes. An den wirtschaft­lichen Verlusten der Gastronomi­e konnte die Luca-App jedoch nichts „Entscheide­ndes“ändern. „Dazu waren die Eingriffe in den Geschäftsb­etrieb – bis hin zur kompletten Schließung – viel zu gravierend“, sagt der Sprecher. Das baden-württember­gische Gastgewerb­e habe durch die Lockdowns und Einschränk­ungen der Pandemie mehr als 13 Milliarden Euro, also einen kompletten Netto-Jahresumsa­tz, verloren.

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FOTO: FELIX SCHLIKIS/IMAGO War während der Hochphase der Corona-Pandemie auf Millionen Handys zu finden: die Luca-App.

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