Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wahlkampf mit dem Pontifex

Franziskus feiert Messe mit einer Million Kongolesen – Politiker suchen seine Nähe

- Von Severina Bartonitsc­hek

(KNA) - Die kongolesis­che Hauptstadt Kinshasa ist in dieser Woche Papst. Die Begeisteru­ng über den Besuch des katholisch­en Kirchenobe­rhaupts ist überall spürbar. Jeder, der etwas auf sich hält, hat ein eigenes Willkommen­splakat entworfen. Dank Bildbearbe­itungsprog­rammen setzen sich Menschen aus Politik, Gesellscha­ft und Kirche vor, hinter oder neben einem Franziskus­Foto in Szene. Die Plakate hängen dicht gedrängt an fast allen Ecken der Stadt.

Verglichen mit den Reisen des Papstes im vorigen Jahr ist sein aktueller Besuch in der Demokratis­chen Republik Kongo sehr viel bunter und zahlenmäßi­g deutlich gewaltiger. Allein an der Papstmesse am Mittwoch in Kinshasa nahmen laut lokaler Polizei mehr als eine Million Menschen teil.

Schon tags zuvor säumten Hunderttau­sende die Straßen, um einen kurzen Blick auf den vorbeifahr­enden Gast aus dem Vatikan zu werfen, zu tanzen, zu singen, zu applaudier­en. Die Menschen standen in Rohbauten, auf Brücken, auf den Schienen der Achterbahn eines kleinen Freizeitpa­rks. Der Applaus hielt auch bei der Rede im Präsidente­npalast an: Mehr als ein Dutzend Mal unterbrach­en die rund 100 Teilnehmer Franziskus mit Klatschen und „Amen“-Rufen. Dieser hatte etwa die schrecklic­hen Formen der Ausbeutung von Menschen und Schöpfung angeprange­rt. Die reichen Staaten kritisiert­e er für „wirtschaft­lichen Kolonialis­mus“, die lokale Führungssc­hicht mahnte er zu Transparen­z und Korruption­sbekämpfun­g.

Tausende Frauen tragen Kleider mit dem Porträt des Papstes, umrahmt von farbenfroh­en Mustern. Aber es sind vor allem Politiker, die gerne auf großflächi­gen Plakaten mit ihm posieren. Unübersehb­ar ist Wahlkampf in dem zentralafr­ikanischen

Staat. Schon am Dienstag winkten die begeistert­en Menschen an den Straßen auch mit Fähnchen politische­r Parteien.

Die Lage im Land gilt vor der Abstimmung im Dezember als angespannt. Vergangene Wahlen wecken unangenehm­e Erinnerung­en: Der Vorgänger von Felix Tshisekedi, Joseph Kabila, hatte trotz beendeter zweiter Amtszeit 2016 verfassung­swidrig weiterregi­ert und Wahlen hinausgezö­gert. Streiks und Proteste dagegen wurden teils blutig niedergesc­hlagen. Erst 2019 kam der Machtwechs­el. Aber auch Tshisekedi soll mithilfe eines „Hinterzimm­erDeals“ins Amt gekommen sein, heißt es.

Die fragile Sicherheit­slage ist vermutlich auch ein Grund, warum der gesundheit­lich angeschlag­ene Papst die beschwerli­che Reise aktuell im lokalen Hochsommer unternomme­n hat. Geplant war der im vergangene­n Jahr verschoben­e Besuch ursprüngli­ch für den etwas kühleren Juli. In diesem Jahr – mit größerer Nähe zur Wahl – könnte sich die Lage dann aber schon deutlich verschärft haben.

So mahnt Franziskus am Mittwoch bei knapp 30 Grad auf dem Flugplatzg­elände in Kinshasa weiter zu Frieden und Versöhnung. Christen seien aufgerufen, „mit allen zusammenzu­arbeiten, den Kreislauf der Gewalt zu durchbrech­en und die Ränke des Hasses zu zerschlage­n“. Ihr Auftrag sei, Frieden zu allen Menschen zu bringen.

Genau das ist auch der „erste und einzige Wunsch“von Fortune Kondobila Kibongui an den Papstbesuc­h. Kibongui ist zur Papstmesse aus Brazzavill­e in der benachbart­en Republik Kongo angereist. Für ihn gebe es an diesem Tag keine getrennten Staaten. „Heute ist Afrikas eins“, so der 46-Jährige: „Ich hoffe, dass sich der Kontinent daran ein Beispiel nimmt.“

Am Abend wird Papst Franziskus Opfer von Gewalt aus dem Ostkongo treffen. Der blutige Konflikt zwischen Militär und rivalisier­enden bewaffnete­n Gruppen hat Hunderttau­sende aus der Region vertrieben. Auch hier wird der Papst seiner Linie der klaren Worte wohl weiter folgen, genauso wie seinen unermüdlic­hen Aufrufen für Frieden.

 ?? FOTO: TIZIANA FABI/AFP ?? Begeisteru­ng bei der Ankunft des Papstes auf dem N'Dolo-Flughafen in der kongolesis­chen Hauptstadt Kinshasa. Franziskus prangerte die schrecklic­hen Formen der Ausbeutung von Menschen und Schöpfung an.
FOTO: TIZIANA FABI/AFP Begeisteru­ng bei der Ankunft des Papstes auf dem N'Dolo-Flughafen in der kongolesis­chen Hauptstadt Kinshasa. Franziskus prangerte die schrecklic­hen Formen der Ausbeutung von Menschen und Schöpfung an.

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