Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Energieverschwendung in den Energiesparferien?
Stadt hatte Beschäftigte zwischen den Jahren beurlaubt, doch Lichter im Neuen Rathaus brannten trotzdem
- Heizung runter, Licht aus – infolge des Ukraine-Kriegs hat Russland bekanntlich seine Gaslieferungen an Deutschland eingestellt, und Privatleute, Unternehmen sowie Behörden sind angehalten, Energie zu sparen, wann immer es geht. Die Ravensburger Stadtverwaltung wollte mit gutem Beispiel vorangehen und schickte ihre Mitarbeiter zwischen den Jahren in „Energiesparferien“. Die Beschäftigten sollten in dieser Zeit, also von Heiligabend bis Neujahr, Überstunden abbauen oder noch verbliebene Urlaubstage nehmen, damit Lampen und Computer in den Rathäusern aus bleiben und die Heizungen heruntergedreht werden konnten. Aber hat das funkioniert? „Nein“, meint Jochen Fischinger. Der Stadtrat der Freien Wähler sagte der „Schwäbischen Zeitung“, zumindest im Neuen Rathaus an der Seestraße habe die ganze Zeit über das Licht gebrannt – „egal, wann ich da vorbeigefahren bin“. Eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung habe ihm zudem erzählt, dass es im Gebäude auch recht warm gewesen sein soll.
Schon in der jüngsten Sitzung des Technischen Ausschusses hatte sich der Geschäftsmann darüber aufgeregt, dass die selbst auferlegte Energieeinsparung zwischen den Jahren offenbar nicht richtig funktioniert habe. „Das Neue Rathaus war beleuchtet und beheizt“, sagte Fischinger im Gremium. „Ich finde es kontraproduktiv, dass uns das als Energieeinsparung verkauft wird und dann in Wahrheit nichts gemacht wird.“
Erzählt habe ihm davon zunächst eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung, die während ihres „Energiesparurlaubs“an ihrem Arbeitsplatz im Neuen Rathaus etwas holen wollte, einen Tag nach Weihnachten. „Sie hat sich ziemlich darüber aufgeregt, dass es dort warm war und viele Lichter brannten.“Er selbst sei dann noch an einem anderen Tag am Gebäude vorbeigefahren und habe genauer hingesehen. Und siehe da: Alles sei hell erleuchtet gewesen, obwohl das Rathaus (vermutlich) menschenleer war.
Baubürgermeister Dirk Bastin war das in der Sitzung offenbar ein wenig peinlich. „Wir werden der Sache nachgehen“, versprach er. Es sei nicht überall möglich, die Heizungen oder die Lichter oder gar die Rechner, die ebenfalls viel Strom verbrauchen, zentral auszuschalten. „Eigentlich hatten wir es auf die Amtsleitungen in den jeweiligen Gebäuden übertragen, darauf zu achten“, meinte der Baubürgermeister. Im Neuen Rathaus befinden sich das Ordnungsamt und das Amt für Bildung, Soziales und Sport.
Auf eine Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“hin streitet die Stadtverwaltung den Sachverhalt jedoch ab. „Wir haben zentral in den Verwaltungsgebäuden die Vorlauftemperatur der Heizungen reduziert“, schreibt Pressesprecher Timo Hartmann in einer Mail. Jedes Amt habe sichergestellt, dass dort, wo einzelne Heizkörper hängen, diese auch abgeschaltet worden seien. „Das wurde auch stichprobenhaft durch unsere Hausmeister überprüft.“
Im Neuen Rathaus sei die Heizung für die einzelnen Räume zentral reguliert worden. „Hier geht das, weil es ein recht neues Gebäude ist.“Selbstverständlich seien in der Schließzeit die Hausmeister regelmäßig in allen Gebäuden unterwegs gewesen, um die Betriebssicherheit, also zum Beispiel Schutz vor Frostschäden, Wasserschäden oder Vandalismus sicherzustellen. „Dadurch kann es auch sein, dass in den Gebäuden auch mal das Licht für kurze Zeit an war“, erklärt sich Hartmann die Sichtungen
Fischingers. Im historischen Rathaus am Marienplatz hätten zwischen den Jahren außerdem Stadtführungen stattgefunden. Diese seien schon länger im Vorfeld gebucht worden. „Die Heizung war aber deswegen nicht eingeschaltet. Es waren in dem Zusammenhang aber sicher auch mal Lichter an, die aber nach jeder Führung auch gleich wieder ausgeschaltet wurden. So kann es sein, dass außen an unseren Verwaltungsgebäuden vorbeilaufende Personen den Eindruck gewonnen haben, dass normaler Betrieb herrscht. Den gab es aber nicht“, so Hartmann.
Ziel der Betriebsferien sei die Energieeinsparung gewesen. „Dieses Ziel haben wir erreicht. Wir konnten im Ergebnis rund 20 Prozent Energie einsparen im Vergleich zu einem normalen Betrieb.“