Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Lebensbegleitendes Lernen an Hochschulen
Wie drei junge Menschen ihre Erfahrungen mit dem Weiterbildungsstudium bewerten
- „Ein Leben lang lernen“– was für die einen nicht gerade erstrebenswert klingt, ist für viele heutzutage Realität und Chance zugleich. Lifelong Learning, also lebensbegleitendes Lernen, rückt derzeit auch immer mehr in den Fokus der Politik – nicht zuletzt aus einer volkswirtschaftlichen Notwendigkeit heraus: Transformationsprozesse bringen für die Industrienation Deutschland, aber insbesondere für den Wirtschaftsstandort Süddeutschland einen tiefgreifenden Wandel mit sich.
Im Kontext dieser Entwicklungen sehen sich sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber zunehmend mit neuen Anforderungen und wandelnden Berufsbiografien konfrontiert.
Das haben auch die Hochschulen in der Region Bodensee-Oberschwaben erkannt und bieten seit einigen Jahren gezielt Weiterbildungsangebote an, die neben dem Beruf oder Studium absolviert werden können. Das bietet die Chance, auf eigene Interessen, aber auch auf neue Anforderungen seitens der Arbeitgeber zu reagieren.
Diese Möglichkeit hat auch Simon Müller (Foto: Tobias Holzinger) genutzt. Der gebürtige Laupheimer entschied sich 2015 für das berufsbegleitende Studium „International Business Management“an der Hochschule Ravensburg-Weingarten.
Nach erfolgreichem Abschluss seines Bachelors- und Masterstudiums im Fachbereich Maschinenbau war er zunächst als Process Engineer bei der Firma Uhlmann PacSysteme tätig. Später wechselte der 33-Jährige in die Assistentenstelle des technischen Geschäftsführers.
Aufgrund der neuen Anforderungen seines Stellenprofils entschied er sich, einen berufsbegleitenden Weiterbildungsmaster aufzusatteln: „Das hat für mich als ausgebildeter Ingenieur den Grund gehabt, noch die strategische, betriebswirtschaftliche und die Führungsseite kennenzulernen. Wir haben relativ viele Informationen bekommen – Umsatz-EBIT und Auftragseingang, Bilanzen und GuV-Rechnung – und das war mir als Maschinenbauer nicht präsent.“Zwischenzeitlich besetzt Simon Müller unternehmensintern eine neue Position: Er verantwortet nun seit drei Jahren das Produktportfoliomanagement für die Entwicklung.
Tobias Herre (Foto: Tobias Holzinger) hat von 2018 bis 2020 den weiterbildenden Master „Wirtschaftsrecht (Bau & Immobilien)“an der Hochschule Biberach studiert: „Nach meinem Bachelorstudium in Bauingenieurwesen war mir relativ früh klar, dass ich nicht in die Statik oder Geotechnik gehe. Deshalb habe ich mich mit dem Master ,Projektmanagement
(Bau)‘ der Hochschule Biberach schon etwas breiter aufgestellt. Dadurch, dass mir im Berufsalltag immer wieder die rechtliche Komponente begegnet ist, wollte ich dann hinten raus doch noch mal eine Spezialisierung dazu packen.“Während des Masters wechselte der 31-Jährige zu Merz Objektbau in Aalen, wo er aktuell Geschäftsführer in der Projektentwicklung ist: „Da kommt mein Wissen über die rechtlichen Aspekte bei Bauvorhaben voll zum Tragen.“
Auch in sozialen Berufen sind vielfältige Kompetenzen gefragt: So hat die 23-jährige Marie-Christine Tomerl (Foto: Tomerl) aus Stuttgart bereits während ihres Studiums des Grundschullehramts an der PH Weingarten den
Zertifikatskurs „Montessori-Pädagogik“belegt. In insgesamt acht Modulen lernen die Teilnehmer über eineinhalb Jahre die Grundlagen des Lehrens und Lernens nach Montessori. Danach kann ein Hochschulzertifikat sowie ein von der Deutschen Montessori-Vereinigung (DMV) ausgestelltes „Montessori Diplom“erworben werden. Das Zertifikat ist Voraussetzung, um später als Lehrer an einer Montessori-Schule zu unterrichten. Es ist auch für bereits berufstätige Lehrer aller Schulformen, Studenten, Referendare sowie pädagogisch Interessierte offen.
Ganz mühelos ist die Entscheidung für ein berufsbegleitendes Studiums nicht. Viele Weiterbildungsangebote finden am Wochenende statt, was bei einer Fünf-TageWoche herausfordernd sein kann, merkt etwa Simon Müller an. Auch der finanzielle Faktor spielt eine Rolle. Hier bietet der Staat sowie Stiftungen unterschiedliche Fördermöglichkeiten an, etwa Stipendien oder die Freistellung zu Zwecken der Weiterbildung („Bildungszeit“).
Insgesamt bewerten die drei ihre Erfahrungen mit dem Weiterbildungsstudium positiv: Marie-Christine Tomerl haben insbesondere die Praxisphasen gefallen, in denen der Einsatz der Materialien nach Montessori konkret im Schulalltag behandelt
wurde. Simon Müller schätzt die fachlichen Impulse sowie persönlichen Kontakte zu den Mitstudierenden, die teils über das Studium hinaus bestehen bleiben. Als entscheidend für den Erfolg einer berufsbegleitenden Weiterbildung sieht er die Einstellung des Vorgesetzten: „Man braucht eine gute Organisation mit guten Vorgesetzten, die Potential sehen und dieses dann auch fördern.“
Wer sich für eine Weiterbildung interessiert, findet alle Weiterbildungsangebote der landesweiten Hochschulen auf der Plattform „Südwissen“. Dort können die Angebote systematisch gesucht und gefiltert werden, etwa nach Themenbereichen, dem angestrebten Abschluss oder dem Veranstaltungsort. Daneben gibt es seit 2021 an den hiesigen Hochschulen sogenannte Regional- und Fachvernetzungsstellen, die Unternehmen und Privatpersonen darin beraten und unterstützen, ein für sie passendes Angebot zu finden.
„Hinten raus doch noch mal eine Spezialisierung dazu packen.“Tobias Herre