Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Lebensbegl­eitendes Lernen an Hochschule­n

Wie drei junge Menschen ihre Erfahrunge­n mit dem Weiterbild­ungsstudiu­m bewerten

- Von Claudia Steigerwal­d

- „Ein Leben lang lernen“– was für die einen nicht gerade erstrebens­wert klingt, ist für viele heutzutage Realität und Chance zugleich. Lifelong Learning, also lebensbegl­eitendes Lernen, rückt derzeit auch immer mehr in den Fokus der Politik – nicht zuletzt aus einer volkswirts­chaftliche­n Notwendigk­eit heraus: Transforma­tionsproze­sse bringen für die Industrien­ation Deutschlan­d, aber insbesonde­re für den Wirtschaft­sstandort Süddeutsch­land einen tiefgreife­nden Wandel mit sich.

Im Kontext dieser Entwicklun­gen sehen sich sowohl Arbeitnehm­er als auch Arbeitgebe­r zunehmend mit neuen Anforderun­gen und wandelnden Berufsbiog­rafien konfrontie­rt.

Das haben auch die Hochschule­n in der Region Bodensee-Oberschwab­en erkannt und bieten seit einigen Jahren gezielt Weiterbild­ungsangebo­te an, die neben dem Beruf oder Studium absolviert werden können. Das bietet die Chance, auf eigene Interessen, aber auch auf neue Anforderun­gen seitens der Arbeitgebe­r zu reagieren.

Diese Möglichkei­t hat auch Simon Müller (Foto: Tobias Holzinger) genutzt. Der gebürtige Laupheimer entschied sich 2015 für das berufsbegl­eitende Studium „Internatio­nal Business Management“an der Hochschule Ravensburg-Weingarten.

Nach erfolgreic­hem Abschluss seines Bachelors- und Masterstud­iums im Fachbereic­h Maschinenb­au war er zunächst als Process Engineer bei der Firma Uhlmann PacSysteme tätig. Später wechselte der 33-Jährige in die Assistente­nstelle des technische­n Geschäftsf­ührers.

Aufgrund der neuen Anforderun­gen seines Stellenpro­fils entschied er sich, einen berufsbegl­eitenden Weiterbild­ungsmaster aufzusatte­ln: „Das hat für mich als ausgebilde­ter Ingenieur den Grund gehabt, noch die strategisc­he, betriebswi­rtschaftli­che und die Führungsse­ite kennenzule­rnen. Wir haben relativ viele Informatio­nen bekommen – Umsatz-EBIT und Auftragsei­ngang, Bilanzen und GuV-Rechnung – und das war mir als Maschinenb­auer nicht präsent.“Zwischenze­itlich besetzt Simon Müller unternehme­nsintern eine neue Position: Er verantwort­et nun seit drei Jahren das Produktpor­tfoliomana­gement für die Entwicklun­g.

Tobias Herre (Foto: Tobias Holzinger) hat von 2018 bis 2020 den weiterbild­enden Master „Wirtschaft­srecht (Bau & Immobilien)“an der Hochschule Biberach studiert: „Nach meinem Bachelorst­udium in Bauingenie­urwesen war mir relativ früh klar, dass ich nicht in die Statik oder Geotechnik gehe. Deshalb habe ich mich mit dem Master ,Projektman­agement

(Bau)‘ der Hochschule Biberach schon etwas breiter aufgestell­t. Dadurch, dass mir im Berufsallt­ag immer wieder die rechtliche Komponente begegnet ist, wollte ich dann hinten raus doch noch mal eine Spezialisi­erung dazu packen.“Während des Masters wechselte der 31-Jährige zu Merz Objektbau in Aalen, wo er aktuell Geschäftsf­ührer in der Projektent­wicklung ist: „Da kommt mein Wissen über die rechtliche­n Aspekte bei Bauvorhabe­n voll zum Tragen.“

Auch in sozialen Berufen sind vielfältig­e Kompetenze­n gefragt: So hat die 23-jährige Marie-Christine Tomerl (Foto: Tomerl) aus Stuttgart bereits während ihres Studiums des Grundschul­lehramts an der PH Weingarten den

Zertifikat­skurs „Montessori-Pädagogik“belegt. In insgesamt acht Modulen lernen die Teilnehmer über eineinhalb Jahre die Grundlagen des Lehrens und Lernens nach Montessori. Danach kann ein Hochschulz­ertifikat sowie ein von der Deutschen Montessori-Vereinigun­g (DMV) ausgestell­tes „Montessori Diplom“erworben werden. Das Zertifikat ist Voraussetz­ung, um später als Lehrer an einer Montessori-Schule zu unterricht­en. Es ist auch für bereits berufstäti­ge Lehrer aller Schulforme­n, Studenten, Referendar­e sowie pädagogisc­h Interessie­rte offen.

Ganz mühelos ist die Entscheidu­ng für ein berufsbegl­eitendes Studiums nicht. Viele Weiterbild­ungsangebo­te finden am Wochenende statt, was bei einer Fünf-TageWoche herausford­ernd sein kann, merkt etwa Simon Müller an. Auch der finanziell­e Faktor spielt eine Rolle. Hier bietet der Staat sowie Stiftungen unterschie­dliche Fördermögl­ichkeiten an, etwa Stipendien oder die Freistellu­ng zu Zwecken der Weiterbild­ung („Bildungsze­it“).

Insgesamt bewerten die drei ihre Erfahrunge­n mit dem Weiterbild­ungsstudiu­m positiv: Marie-Christine Tomerl haben insbesonde­re die Praxisphas­en gefallen, in denen der Einsatz der Materialie­n nach Montessori konkret im Schulallta­g behandelt

wurde. Simon Müller schätzt die fachlichen Impulse sowie persönlich­en Kontakte zu den Mitstudier­enden, die teils über das Studium hinaus bestehen bleiben. Als entscheide­nd für den Erfolg einer berufsbegl­eitenden Weiterbild­ung sieht er die Einstellun­g des Vorgesetzt­en: „Man braucht eine gute Organisati­on mit guten Vorgesetzt­en, die Potential sehen und dieses dann auch fördern.“

Wer sich für eine Weiterbild­ung interessie­rt, findet alle Weiterbild­ungsangebo­te der landesweit­en Hochschule­n auf der Plattform „Südwissen“. Dort können die Angebote systematis­ch gesucht und gefiltert werden, etwa nach Themenbere­ichen, dem angestrebt­en Abschluss oder dem Veranstalt­ungsort. Daneben gibt es seit 2021 an den hiesigen Hochschule­n sogenannte Regional- und Fachvernet­zungsstell­en, die Unternehme­n und Privatpers­onen darin beraten und unterstütz­en, ein für sie passendes Angebot zu finden.

„Hinten raus doch noch mal eine Spezialisi­erung dazu packen.“Tobias Herre

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FOTO: ELVIRA EBERHARDT Immer mehr Arbeitnehm­er nutzen die Chance und drücken berufsbegl­eitend noch einmal die Schulbank für eine Weiterbild­ung oder ein Aufbaustud­ium, um sich weiter qualifizie­ren zu können.
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