Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Frauen haben heute mehr Mut“
Serie „Unsere Chefinnen“: Nathalie Brandes leitet das Technische Hilfswerk Weingarten
- Die Serie „Unsere Chefinnen“wird mit Nathalie Brandes (Foto: Technisches Hilfswerk) fortgeführt. Noch immer gibt es laut Experten zu wenig Führungspositionen, die von Frauen besetzt werden. Dazu gehört auch der Vorsitz wichtiger Ehrenämter. Die Leiterin des Technischen Hilfswerks (THW) Weingarten erzählt in der „Schwäbischen Zeitung“, mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen hat.
Die Chefin: Nathalie Brandes ist 35 Jahre alt, lebt seit ihrer Kindheit in Horgenzell, ist verheiratet und hat eine sechs Monate alte Tochter. Seit Mai 2021 leitet sie das THW in Weingarten mit rund 80 Ehrenamtlichen.
Die Karriere: Nach der Ausbildung beim Finanzamt hat Nathalie Brandes in unterschiedlichen mittelständischen Unternehmen gearbeitet und sich zur Wirtschaftsfachwirtin IHK weitergebildet. Seit 2018 ist sie in der Teamleitung im Rechnungswesen der Zieglerschen in Wilhelmsdorf tätig.
Vor zehn Jahren hat sie die Grundausbildung im THW absolviert und war auch im aktiven Einsatzdienst. Gerufen wird das Team, wenn es um den Katastrophenschutz geht, wenn es also beispielsweise Hochwasser oder Brände gibt oder Vermisste gesucht werden. Fünf Jahre war Brandes bereits die stellvertretende Leiterin des Hilfswerks in Weingarten und habe so in das Amt hineinwachsen können.
Die Herausforderungen: Seit ihre kleine Tochter da ist, muss Nathalie Brandes viel organisieren, denn auch ihr Mann arbeitet ehrenamtlich im THW. „Wir wechseln uns da aber ganz gut ab, das geht auch mit Kind“, sagt sie. Im Einsatzgeschehen sei sie durch die Leitungsposition nur noch wenig. Als Dienststellenleiterin sei die Einsatzbereitschaft der acht Einheiten des technischen Zuges sowie des
Ortsverbands-Stabes ihr oberstes Ziel.
Eine weitere Herausforderung sei es, das Ehrenamt mehr Frauen schmackhaft zu machen, da die Werbung eher auf die Zielgruppe der Männer gerichtet sei. In diesem Vorhaben ist Nathalie Brandes sehr erfolgreich, denn seit sie die Leitung übernommen hat, ist die Anzahl der Frauen von zwei auf elf gestiegen. „Viele sagten mir, dass sie sich eine Teilnahme erst vorstellen können, seit eine Frau die Leiterin ist. Das freut mich sehr“, so Brandes.
Denn: Ehrenamtliche werden weiterhin gebraucht, egal welchen Geschlechts, denn es gebe die unterschiedlichsten Aufgaben. Brandes: „Grundsätzlich gibt es keine Grenzen“. Gerade das THW Weingarten sei mit einem Vermessungsteam und einer Bergungsgruppe breit aufgestellt – ist das Team doch für den ganzen Alt-Landkreis Ravensburg zuständig.
Das Thema Kinder: In den vergangenen Jahren hat sich viel getan, was die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf oder Ehrenamt angeht, sagt Brandes. Das THW für seinen Teil biete etwa HomeofficeMöglichkeiten und Flexibilität. Für sie sei immer klar gewesen, dass sie Kind, Beruf und Ehrenamt verbinden werde. Allerdings habe sie auch einen Ehemann, der genauso viel Zeit mit dem Kind verbringen wolle wie sie selbst. „In meinem Beruf arbeite ich Teilzeit und wir haben beide Elternzeit genommen. Einige wissen gar nicht, wie viele Möglichkeiten und Modelle existieren, um Beruf und Familie zu vereinen“, sagt Nathalie Brandes.
Frauen in Führungspositionen: Dass sich hinsichtlich Frauen in Führungspositionen etwas in der Arbeitswelt bewege, das ist für Brandes unumstritten: „Die Frauen qualifizieren sich besser als früher. Sie merken, dass sie genauso viel können wie Männer und haben damit auch mehr Mut.“Ihre Kolleginnen im THW stünden ihren Mann und sie versuche, das zu unterstützen und zu fördern.
Zudem: Man müsse die Vorurteile ablegen und jedem eine Chance geben. Das gelte für beide Seiten. Die meisten fänden es ja auch gut, wenn Männer einen frauenlastigen Beruf ergreifen.
Dass irgendwann genauso viel Frauen wie Männer in Führungspositionen sind, das hält Nathalie Brandes jedoch für unwahrscheinlich. Es sei schließlich immer noch so, dass die Frau die Kinder erzieht, wodurch ihnen weniger Karrierechancen offenständen. Es gibt auch nach wie vor viele Frauen, die im Muttersein aufgehen, sagt Brandes, und aus eigener Erfahrung weiß sie, dass auch das ein „toller Job“ist.