Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mit dem Papst an die Grenzen gehen

- Von Ludger Möllers l.moellers@schwaebisc­he.de

Papst Franziskus bleibt sich treu: Er ruft die Gläubigen dazu auf, „bis an die Grenzen der Erde, zu allen Peripherie­n“zu gehen – und er geht voran. In Gefängniss­en spendet er Trost, in Krankenhäu­sern besucht er Patienten, in Flüchtling­slagern spricht er mit Migranten. Daher liegen auch die Ziele seiner Reisen an der Peripherie: Franziskus’ erste Reise überhaupt führte ihn 2013 nach Lampedusa. Die Mittelmeer­insel war zum Sinnbild für das Flüchtling­selend an den Toren Europas geworden.

Auch auf seiner fünften Afrikareis­e, die am Sonntag zu Ende ging, setzte Franziskus deutliche Zeichen, als er im Südsudan Versöhnung predigte: einem Krisenherd mit zwölf Millionen Einwohnern und 2,2 Millionen Binnenvert­riebenen. Zwei Drittel der Bevölkerun­g leiden Hunger.

Als historisch dürfen die Besuche in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten (2019) und Bahrain (2022) gelten. Es waren die ersten eines Papstes auf der Arabischen Halbinsel. Er ermutigte die Christen im Irak (2021).

Weiter sucht der Papst das interrelig­iöse Gespräch: Als starkes Symbol des päpstliche­n Dialogwill­ens mit dem Islam gilt die Freundscha­ft zwischen Franziskus und dem Kairoer Großimam Ahmed al-Tayyeb.

Vor diesem Hintergrun­d wirkt die Kritik am Papst, die deutsche Katholiken bis in höchste Kirchenkre­ise hinein äußern, unangemess­en. Sicher: Franziskus bremst den deutschen Reformproz­ess des Synodalen Wegs aus. Das Projekt sei „von Eliten gemacht“und nicht vom ganzen Volk Gottes. Er mahnt zur Fokussieru­ng auf Wesentlich­es. Recht hat er.

Der Synodale Weg muss, sollte er nicht als Synodale Sackgasse enden, die zweifelsfr­ei wichtigen Themen im Rahmen weltkirchl­icher Möglichkei­ten abräumen. Die Verantwort­lichen sollten dann ihre Kraft, ihren Glauben und ihren Einfluss den Fragen zuwenden, zu denen die Kirche wirklich gefragt ist, aber derzeit stumm bleibt. Wo bleiben relevante Beiträge zu Krieg und Frieden, Energiekri­se und Klimawande­l? Wo sind Debatten um Fragen, die die ganze Menschheit an die Grenzen ihrer Existenz bringen könnten?

Die frühere Bundesbild­ungsminist­erin Annette Schavan wirbt dafür, in Kirche und Gesellscha­ft nach Lösungen für Probleme zu suchen: „Ob wir uns in unserer Kirche wohlfühlen, ist vielleicht weniger wichtig als deren Dienst am Frieden in einer Welt des Unfriedens, als deren Dienst an der Barmherzig­keit und Solidaritä­t.“Recht hat sie.

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