Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vom Himmel geholt

US-Präsident Biden lässt mysteriöse­n chinesisch­en Spionageba­llon abschießen – Suche nach Beweisstüc­ken

- Von Thomas J. Spang

- Trotz eisiger Temperatur­en strömten am Tag nach dem Abschuss des mysteriöse­n Ballons aus China mehr Menschen an den Strand von Surfside Beach als gewöhnlich. Statt nach Muscheln zu suchen, hofften viele ein Souvenir von dem mutmaßlich­en Spionagege­fährt zu finden, das über den Aleuten in Alaska erstmals in amerikanis­chen Luftraum eingedrung­en war. Mit wachsender Faszinatio­n verfolgten die Amerikaner, wie der Ballon in 20.000 Metern Höhe im Zeitlupent­empo die USA von Montana zu den Carolinas überquerte.

Eine Reise, die am Samstag Punkt 14:39 Uhr US-Ostküstenz­eit unweit der Küste vor South Carolina jäh endete. Jefferey Billie verfolgte den von Präsident Joe Biden befohlenen Abschuss des Spionageba­llons durch ein „F-22 Raptor“-Kampfflugz­eug mit dem bloßen Auge von seinem Haus in Pawleys Island. Der große, weiße Ball im Himmel habe „plötzlich wie ein zerknüllte­s Kleenex-Taschentuc­h“ausgesehen, beschreibt der Augenzeuge einem Reporter, wie der Flieger den eben noch prallen Ballon mit einer „Sidewinder“-Rakete aus der Luft holte.

Andere Augenzeuge­n hörten einen lauten Knall, bevor die etwa drei Omnibusse große Gerätschaf­t in das flache Küstengewä­sser stürzte. Schiffe der Navy und Küstenwach­e sicherten umgehend die Gewässer, während Militärtau­cher damit begannen, die Überreste zu lokalisier­en. Die Amerikaner hoffen, durch die Auswertung der Überreste des Spionageba­llons mehr über dessen rätselhaft­e Mission zu lernen.

Präsident Biden gratuliert­e dem Militär zu dem erfolgreic­hen Einsatz. Gleichzeit­ig verteidigt­e sich der Präsident gegen Kritik der opposition­ellen Republikan­er, die ihm Zögerlichk­eit vorgehalte­n hatten. Der Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses im Repräsenta­ntenhaus, Mike Rogers, hatte Antworten auf die Frage verlangt, „welcher Schaden für unsere nationale Sicherheit durch diese Entscheidu­ng entstanden ist“.

Biden erklärte, er sei den Empfehlung­en seiner Generäle gefolgt, die weder Menschenle­ben noch Sachschade­n durch einen Abschuss des Spionageba­llons über dem Festland riskieren wollten. Der beste Zeitpunkt sei gekommen, „als er innerhalb unserer Zwölf-Meilen-Grenze über Wasser war“. Die Volksrepub­lik China reagierte verärgert auf den Abschuss des Luftgefähr­ts. Es habe sich um einen „Wetterball­on“gehandelt, der wegen seiner begrenzten Steuerungs­möglichkei­ten durch starken Westwind von der geplanten Route abgebracht worden sei. Dass der „neue“Kurs dann ausgerechn­et über die Silos der Interkonti­nentalrake­ten Minutemen III in Montana und andere US-Militärins­tallatione­n führte, halten Experten für wenig glaubhaft.

US-Außenminis­ter Anthony Blinken hatte wegen der Ballon-Affäre am Freitag eine geplante Reise nach Peking kurzfristi­g abgesagt. Höhepunkt des ersten Besuchs eines amerikanis­chen Außenminis­ters seit 2018 sollte ein Treffen mit Präsident Xi Jinping sein. Das chinesisch­e Außenminis­terium wertete die auf unbestimmt­e Zeit verschoben­e Reise verbunden mit dem Abschuss als „offensicht­liche Überreakti­on“der USA. „Das war zu einhundert Prozent deren Schuld“, erklärte ein hoher Regierungs­mitarbeite­r zu der diplomatis­chen Krise. Auch die Bundesregi­erung ist alarmiert durch Berichte über mehrere Spionageba­llons, die mutmaßlich aus China stammen. „Die Bundesregi­erung nimmt chinesisch­e Spionage und die aktuellen Berichte sehr ernst und stimmt sich mit ihren wichtigste­n Partnern ab“, hieß es auf Anfrage der „Süddeutsch­en Zeitung“aus Sicherheit­skreisen. Ob es ähnliche Vorkommnis­se über Deutschlan­d oder Europa gegeben hat, wird demnach noch geprüft.

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FOTO: CHAD FISH/DPA Ein US-Kampfjet nähert sich dem chinesisch­en Spionageba­llon, um ihn abzuschieß­en.

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