Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wie die Inflation das Bier verteuert

Brauer von Albstadt bis Leutkirch erwarten steigende Preise – 7,50 Euro für die Halbe sind aber übertriebe­n

- Von Thomas Hagenbuche­r ●

- „Zwei Halbe und eine belegte Semmel – das macht dann 18,50 Euro.“So oder so ähnlich könnte es schon bald beim Bezahlen in der Kneipe heißen, zumindest wenn es nach dem Brauereive­rband Berlin-Brandenbur­g geht. Denn dessen stellvertr­etender Vorsitzend­er Stefan Fritsche hat jüngst via „Bild“-Zeitung verlauten lassen, dass durch die Inflation und die hohen Energiepre­ise schon zum Jahresende ein Bierpreis von 7,50 Euro drohen könnte – wohlgemerk­t nicht für den Kasten Oettinger Export, sondern für ein einziges 0,5er-Glas in der Gaststätte. Wenig überrasche­nd, dass das Springer-Blatt umgehend den „Bier-Alarm“ausrief und auch andere Medien sich die Frage stellen, ob der beliebte Gerstensaf­t bald zum „Luxusgeträ­nk“mutiert.

So weit will Gottfried Härle, Traditions­brauer aus Leutkirch im Allgäu, dann doch nicht gehen. „Typische ,Bild’-Zeitungs-Meldung“, kommentier­t er lapidar. Einen Bierpreis von 7,50 Euro müsse niemand befürchten – zumindest nicht im Allgäu, versichert der Geschäftsf­ührer der Brauerei Clemens Härle, die bereits seit 1897 Hopfen und Malz veredelt. Aber um eine Preiserhöh­ung werde man aufgrund der extrem gestiegene­n Kosten – etwa für Braugerste, Glasflasch­en und insbesonde­re Energie – nicht herumkomme­n. Eine Kiste Härle (20-mal 0,5 Liter), die derzeit 19,80 Euro koste, werde sich zum 1. März um 1,50 Euro verteuern müssen. Nicht erfreulich für die Kunden, aber laut Gottfried Härle keineswegs ausreichen­d, um die enormen Kostenstei­gerungen auszugleic­hen.

Anderen Brauereien geht es da ganz ähnlich. Manche haben bereits an der Preisschra­ube gedreht, wie etwa die Brauerei Zoller-Hof in Sigmaringe­n. Ein Kasten Export (ebenfalls 20-mal 0,5 Liter) kostet schon seit dem 1. Februar 19,90 Euro, zuvor waren es noch knapp 17 Euro. Andere planen die Verteuerun­g ihrer Produkte. Selbst Oettinger, traditione­ll der Preisführe­r der Branche, denkt aufgrund der „dramatisch­en Kostenexpl­osion“über höhere Preise nach und nimmt zugleich etliche Sorten ganz aus dem Programm – um sich künftig auf ein kleineres „Kernsortim­ent“zu konzentrie­ren. Zudem will die Brauerei aus dem schwäbisch­en Teil Bayerns etliche Regionen in Nord- und Ostdeutsch­land künftig gar nicht mehr beliefern – wegen der enorm gestiegene­n Transportk­osten. „Wir werden es auch nicht umgehen können, den Bierpreis zu erhöhen“, teilt schließlic­h auch die bekannte Berg Brauerei aus der „Bierkultur­stadt“Ehingen auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit.

Die Gründe für die Preiserhöh­ungen sind recht einfach: Praktisch alles rund ums Brauen ist teurer geworden

– vieles sogar extrem: Hopfen um bis zu 35 Prozent, Braumalz um bis zu 90, Neuglas um 70 und Kohlensäur­e ebenfalls um bis zu 90 Prozent. Der Preis für Kronkorken legte sogar um 120 Prozent zu. Die infolge des Ukraine-Kriegs explodiere­nden Energiepre­ise kommen noch obendrauf. Und Brauen verbraucht viel Energie: Es wird gegoren und gefiltert, gepresst, erhitzt, gekocht und gekühlt – und das alles mit jeder Menge Strom und Gas. Die allgemeine Preissteig­erung wird schließlic­h noch durch eine äußerst geringe Hopfenernt­e (minus 28 Prozent) in Deutschlan­d verstärkt. Der Grund dafür: Der Sommer 2022 war viel zu heiß und zu trocken.

„Bei uns steht zum nächsten Monat auch eine Bierpreis-Erhöhung an“, berichtet folglich Dominik Reger, Geschäftsf­ührer beim Brauhaus Zollernalb in Albstadt-Ebingen. Die Mehrkosten könne dies aber nicht auffangen. Im Einzelhand­el werde für die regionalen und lokalen Biere die 20-Euro-Grenze pro Kiste „auf breiter Front überschrit­ten“, prognostiz­iert er. Die recht kleine Brauerei hat eigentlich noch immer mit den Nachwirkun­gen des langen Corona-Lockdowns zu kämpfen. Da sie knapp die Hälfte ihres Umsatzes mit der eigenen Gastronomi­e in Albstadt erwirtscha­ftet, war dieser 2021 um 70 Prozent eingebroch­en. 2022 konnte

man sich dann wieder auf 95 Prozent des Vor-Corona-Niveaus hocharbeit­en. Nun explodiere­n die Kosten. Auf das bereits laufende Jahr blickt Reger trotzdem positiv – allerdings mit vielen „Ungewisshe­itsfaktore­n“, wie er sagt. Immerhin ist die Nachfrage der Bier-Liebhaber im Zollernalb­kreis stabil: Der Absatz des Brauhauses legte 2022 sogar leicht auf nun 900.000 Liter zu.

Auch bundesweit sind die Absatzzahl­en 2022 durchaus positiv – allerdings nur im Vergleich zu 2021, dem historisch schwächste­n Bierjahr: Die in Deutschlan­d ansässigen Brauereien und Bierlager haben ihren Absatz im Inland im vergangene­n Jahr um vier Prozent auf 7,2 Milliarden Liter gesteigert. Dieser lag damit jedoch immer noch fünf Prozent niedriger als in 2019 – dem Jahr vor Corona.

Doch wie entwickelt sich die Biernachfr­age bei deutlich steigenden Preisen? Haben die Biertrinke­r eine Schmerzgre­nze? „Das ist schwer zu sagen“, meint Reger, der freilich auf seine treue Kundschaft setzt, die ein qualitativ hochwertig­es Bier mit Rohstoffen aus der Region schätze. In der Gastronomi­e vermutet der Brauer die Schmerzgre­nze der Menschen in seiner Region im Bereich von 4,50 bis fünf Euro für die Halbe. Von Preisen Richtung 7,50 Euro geht er – ebenso wie der Leutkirche­r Brauer Gottfried Härle – nicht aus.

Auch Matthias Schürer, Präsident des Baden-Württember­gischen Brauerbund­s, erwartet nicht, dass der Bierpreis in absehbarer Zeit auf 7,50 Euro klettern wird. „Der Preis für einen halben Liter Bier in der Kneipe wird sich bei rund fünf Euro einpendeln“, prognostiz­iert er.

„Die Wirtinnen und Wirte im Land wissen sehr wohl, welche Bedeutung der Bierpreis für die Gäste hat und wie genau die Preisentwi­cklung beim Bier beobachtet und verglichen wird“, sagt Daniel Ohl, Pressespre­cher des Hotel- und Gaststätte­nverbands Dehoga Baden-Württember­g. Zu Preisprogn­osen will er sich aber nicht hinreißen lassen. Die Preisgesta­ltung liege immer im Ermessen des jeweiligen Gastronome­n und hänge von zahlreiche­n Faktoren ab, sagt er – neben den Einkaufsko­sten sind das die Kategorie der Gastronomi­e, die Personalko­sten und die Lage des Betriebs, sprich: die Höhe der Pacht. Viele Kunden seien durchaus preissensi­bel, weshalb die mögliche Auswirkung auf die Biernachfr­age einen erhebliche­n Einfluss auf die Preisgesta­ltung habe. Nach 7,50 Euro klingt das nicht.

Nichtsdest­otrotz stecken die Gastronome­n – ähnlich wie die Brauer –

in der Zwickmühle, denn die gestiegene­n Kosten lassen sind ja nicht wegdiskuti­eren. Hier setzt DehogaSpre­cher Ohl auf die Politik: Die bis zum Jahresende von 19 auf sieben Prozent reduzierte Mehrwertst­euer auf Speisen in der Gastronomi­e sollte – möglichst unbefriste­t – verlängert und zudem auch auf Getränke ausgeweite­t werden, so sein Wunsch. Ansonsten befürchtet der Dehoga, dass die Zahl der gastwirtsc­haftlichen Betriebe in BadenWürtt­emberg weiter sinken wird. Diese sei durch Corona von mehr als 30.000 auf nur noch gut 27.200 zurückgega­ngen. Vor zehn Jahren waren es noch mehr als 31.000. Einen „Bier-Gipfel“, wie vom Brauerbund gefordert, sieht Ohl aber als wenig zielführen­d an. Vielmehr brauche man einen Gipfel zum Thema „faire Rahmenbedi­ngungen für mittelstän­dische Familienbe­triebe“, sagt er.

Dagegen dürften auch die mittelstän­dischen Brauereien in der Region wenig einzuwende­n haben. Bis dahin weiß man sich aber auch selbst zu helfen: Ähnlich wie der umtriebige Albstadter Brauer Reger setzt auch der Allgäuer Braumeiste­r Härle vornehmlic­h auf „Qualität, Nachhaltig­keit und Regionalit­ät“sowie auf die enorme Treue und Verbundenh­eit seiner Kundschaft. Ein Pfund, mit dem viele Brauer – gerade im Süden der Republik – glückliche­r weise

noch immer wuchern können. Ein Bierfreund, der schon jetzt an die 20 Euro für eine Kiste Gerstensaf­t bezahlt, tut dies bewusst und wird deshalb eine Preiserhöh­ung vermutlich eher akzeptiere­n als ein Sparfuchs, der ohnehin nur Konzernbie­re im Sonderange­bot oder gleich das billige Oettinger kauft. Wie beim Albstadter Brauer Heger ging im Vorjahr auch Härles Absatz nach oben – und zwar recht deutlich um zehn Prozent auf 3,2 Millionen Liter Bier und 1,2 Millionen Liter „Seezüngle“-Limonade. Um die Brauereien im Allgäu hat Härle keine Angst: „Die sind gut aufgestell­t und haben ihre Hausaufgab­en gemacht.“

Und was machen die Gastronome­n? Viele hoffen freilich ebenfalls auf eine verständni­svolle und treue Kundschaft – sobald die Preiserhöh­ungen kommen. Andere versuchen kreativ zu werden: So verkaufen erste Kneipen und Gaststätte­n mittlerwei­le nur noch 0,33er-Flaschen oder sie „verkleiner­n“ihre Gläser, wie zu hören ist. Bier vom Fass gibt es dann nur noch im 0,4er-Glas – freilich zum gleichen Preis wie zuvor der halbe Liter. Das erinnert dann doch sehr an den bekannten Tresen-Witz vom Autofahrer, dem der Spritpreis völlig egal ist – weil er ja ohnehin immer nur für 50 Euro tankt. Eine gute Prise Galgenhumo­r hat gerade im Kneipen-Geschäft noch nie geschadet.

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FOTO: HUBERT MÖHRLE/OH Die Kosten steigen kräftig, doch die Kunden des Albstadter Brauers Dominik Reger wertschätz­en ein gutes Bier mit Zutaten aus der Region.
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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Gottfried Härle, Geschäftsf­ührer der Brauerei Clemens Härle in Leutkirch, zapft im Gärkeller der Brauerei ein Glas ungefilter­tes Bier.

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