Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Weingarten hängt Ravensburg bei Digitalisierung ab
Städte arbeiten am Angebot, erfüllen aber die Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes noch nicht
- Das Rathaus, das an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr geöffnet hat, ist in vielen Kommunen längst Realität. Ein Gewerbe anmelden, einen Fischereischein beantragen oder sich zum Knöllchen äußern – all das können auch Ravensburger und Weingartener online bequem von zu Hause aus erledigen. Wie viele Bürger das Angebot aber wirklich schon nutzen, wissen die Kommunen nicht so genau. Und bei der Digitalisierung der Verwaltungen ist an einigen Stellen auch noch Luft nach oben.
Den Kommunen und Kreisen in Baden-Württemberg liegt aktuell eine Liste vor, mit deren Hilfe sie einschätzen können, wo sie bei der Digitalisierung im Vergleich mit anderen stehen. Nicht alle machen die Ergebnisse öffentlich. Die Stadt Tuttlingen freute sich vor Kurzem über einen vierten Platz im Ranking des Landes. 50 Amtsgänge kann man in Tuttlingen komplett digital von zu Hause aus erledigen. Zudem gibt es noch 140 weitere Vorgänge, bei denen man die erforderlichen Unterlagen bereits zu Hause ausdrucken und ausfüllen kann, um sie im Amt abzugeben.
Was digital eigentlich funktionieren müsste, ist in Deutschland sogar in einem Gesetz geregelt, dem Onlinezugangsgesetz, kurz OZG. Darin heißt es, dass 575 Leistungen digital in den Kommunen angeboten werden sollen. Nur: Die Städte und Gemeinden im Land hängen am Portal „Service.bw“– und das hat längst noch nicht alle Möglichkeiten im Angebot. Die Frist zur Umsetzung wurde deshalb verlängert.
Schaut man auf den Vergleich, fällt aber auf, dass insbesondere Weingarten beim Thema Digitalisierung recht dynamisch unterwegs ist. Die aktuellen Daten aus der OZGStatistik mit Stand vom 19. Januar sagen, dass die Stadt 63 Leistungen anbietet, zählt man unterschiedliche Prozesse, kommt man auf 53 komplett digitale Möglichkeiten. Sprecherin Sabine Weisel: „Wir sind in Baden-Württemberg damit auf Platz 80 von insgesamt 1160 Behörden. Wir sind also in den oberen 10 Prozent.“Im Landkreis Ravensburg bedeutet das den Spitzenplatz.
Wer in Weingarten lebt, kann online einen Sterbefall anzeigen, eine Baugenehmigung beantragen oder auch die Erlaubnis einholen, eine Gaststätte zu betreiben. Die Verwaltung registriert laut Sabine Weisel „einen konstanten Anstieg von Bürgerinnen und Bürgern, die die digitalen Prozesse in Anspruch nehmen. Leider erlaubt uns das Programm aber keine Übersicht, welche Prozesse am meisten abgefragt werden.“
2019 hat die Stadt Weingarten eine neue Stelle mit Aufgabenschwerpunkt „Digitalisierung“geschaffen. Ziel sei es, Einwohnern Leistungen so „medienbruchfrei“wie möglich zur Verfügung zu stellen; also zu vermeiden, dass der Bürger zu Hause den Antrag ausdrucken, unterschreiben und wieder einscannen muss. Sabine Weisel: „Allerdings bedarf es bei einigen Leistungen der digitalen Unterschrift. Und die hierfür benötigte digitale Signaturkarte hat bislang wohl nur in den wenigsten Privathaushalten Einzug gehalten.“
In Ravensburg kann man laut Sprecher Timo Hartmann inzwischen 31 Amtsgänge komplett digital erledigen. Hartmann: „Es gibt eine Vielzahl von Dienstleistungen, die wir online oder teilweise online anbieten.“Auf der Website der Stadt findet man diese übersichtlich zusammengefasst. Bei insgesamt 86 Vorgängen kann man sich in Ravensburg die Unterlagen vorher zu Hause ausdrucken. Die Mehrheit der Formulare könne dabei bereits online ausgefüllt werden und müsse nur noch zum Unterschreiben ausgedruckt werden.
Für die nächsten vier Jahre habe sich die Stadt viel vorgenommen, sagt Hartmann auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Allerdings bestätigt auch der Ravensburger Sprecher, dass das die Kommunen nicht im Alleingang bewältigen können: „Wir brauchen für die Umsetzung das Land und IT-Dienstleister. Deshalb hat Ravensburg zusammen mit anderen Städten die OZG-Taskforce ins Leben gerufen, um das Land hierbei zu unterstützen.“
Wie in Weingarten verweist man auch in Ravensburg auf das Problem mit den Unterschriften: „ Wegen der gesetzlichen Vorgaben ist teilweise eine Unterschrift und eine postalische Zusendung erforderlich. Mit der Weiterentwicklung im Bereich E-Government-Gesetze ergibt sich hoffentlich ein weitgehender Verzicht.“
Sollten sich die Rahmenbedingungen auf Landesebene verbessern, gehe die Stadt Ravensburg derzeit davon aus, dass sie in den nächsten zwei Jahren deutlich mehr als die 150.000 Euro der letzten beiden Jahre in die Digitalisierung investieren wird. Nicht hinzugerechnet sind dabei allerdings die eigenen Personalkosten.
Gewissermaßen bleibt die Nutzung des Angebotes bislang ein Dunkelfeld: „Wir haben bisher zum größten Teil leider keine Möglichkeit zur Auswertung der online erledigten Vorgänge“, sagt Hartmann. „Allein bei der Onlineanhörung im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten können wir sagen, dass bisher der Anteil der Onlinevorgänge bei 30 Prozent stehen bleibt.“