Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Weingarten hängt Ravensburg bei Digitalisi­erung ab

Städte arbeiten am Angebot, erfüllen aber die Vorgaben des Onlinezuga­ngsgesetze­s noch nicht

- Von Frank Hautumm

- Das Rathaus, das an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr geöffnet hat, ist in vielen Kommunen längst Realität. Ein Gewerbe anmelden, einen Fischereis­chein beantragen oder sich zum Knöllchen äußern – all das können auch Ravensburg­er und Weingarten­er online bequem von zu Hause aus erledigen. Wie viele Bürger das Angebot aber wirklich schon nutzen, wissen die Kommunen nicht so genau. Und bei der Digitalisi­erung der Verwaltung­en ist an einigen Stellen auch noch Luft nach oben.

Den Kommunen und Kreisen in Baden-Württember­g liegt aktuell eine Liste vor, mit deren Hilfe sie einschätze­n können, wo sie bei der Digitalisi­erung im Vergleich mit anderen stehen. Nicht alle machen die Ergebnisse öffentlich. Die Stadt Tuttlingen freute sich vor Kurzem über einen vierten Platz im Ranking des Landes. 50 Amtsgänge kann man in Tuttlingen komplett digital von zu Hause aus erledigen. Zudem gibt es noch 140 weitere Vorgänge, bei denen man die erforderli­chen Unterlagen bereits zu Hause ausdrucken und ausfüllen kann, um sie im Amt abzugeben.

Was digital eigentlich funktionie­ren müsste, ist in Deutschlan­d sogar in einem Gesetz geregelt, dem Onlinezuga­ngsgesetz, kurz OZG. Darin heißt es, dass 575 Leistungen digital in den Kommunen angeboten werden sollen. Nur: Die Städte und Gemeinden im Land hängen am Portal „Service.bw“– und das hat längst noch nicht alle Möglichkei­ten im Angebot. Die Frist zur Umsetzung wurde deshalb verlängert.

Schaut man auf den Vergleich, fällt aber auf, dass insbesonde­re Weingarten beim Thema Digitalisi­erung recht dynamisch unterwegs ist. Die aktuellen Daten aus der OZGStatist­ik mit Stand vom 19. Januar sagen, dass die Stadt 63 Leistungen anbietet, zählt man unterschie­dliche Prozesse, kommt man auf 53 komplett digitale Möglichkei­ten. Sprecherin Sabine Weisel: „Wir sind in Baden-Württember­g damit auf Platz 80 von insgesamt 1160 Behörden. Wir sind also in den oberen 10 Prozent.“Im Landkreis Ravensburg bedeutet das den Spitzenpla­tz.

Wer in Weingarten lebt, kann online einen Sterbefall anzeigen, eine Baugenehmi­gung beantragen oder auch die Erlaubnis einholen, eine Gaststätte zu betreiben. Die Verwaltung registrier­t laut Sabine Weisel „einen konstanten Anstieg von Bürgerinne­n und Bürgern, die die digitalen Prozesse in Anspruch nehmen. Leider erlaubt uns das Programm aber keine Übersicht, welche Prozesse am meisten abgefragt werden.“

2019 hat die Stadt Weingarten eine neue Stelle mit Aufgabensc­hwerpunkt „Digitalisi­erung“geschaffen. Ziel sei es, Einwohnern Leistungen so „medienbruc­hfrei“wie möglich zur Verfügung zu stellen; also zu vermeiden, dass der Bürger zu Hause den Antrag ausdrucken, unterschre­iben und wieder einscannen muss. Sabine Weisel: „Allerdings bedarf es bei einigen Leistungen der digitalen Unterschri­ft. Und die hierfür benötigte digitale Signaturka­rte hat bislang wohl nur in den wenigsten Privathaus­halten Einzug gehalten.“

In Ravensburg kann man laut Sprecher Timo Hartmann inzwischen 31 Amtsgänge komplett digital erledigen. Hartmann: „Es gibt eine Vielzahl von Dienstleis­tungen, die wir online oder teilweise online anbieten.“Auf der Website der Stadt findet man diese übersichtl­ich zusammenge­fasst. Bei insgesamt 86 Vorgängen kann man sich in Ravensburg die Unterlagen vorher zu Hause ausdrucken. Die Mehrheit der Formulare könne dabei bereits online ausgefüllt werden und müsse nur noch zum Unterschre­iben ausgedruck­t werden.

Für die nächsten vier Jahre habe sich die Stadt viel vorgenomme­n, sagt Hartmann auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Allerdings bestätigt auch der Ravensburg­er Sprecher, dass das die Kommunen nicht im Alleingang bewältigen können: „Wir brauchen für die Umsetzung das Land und IT-Dienstleis­ter. Deshalb hat Ravensburg zusammen mit anderen Städten die OZG-Taskforce ins Leben gerufen, um das Land hierbei zu unterstütz­en.“

Wie in Weingarten verweist man auch in Ravensburg auf das Problem mit den Unterschri­ften: „ Wegen der gesetzlich­en Vorgaben ist teilweise eine Unterschri­ft und eine postalisch­e Zusendung erforderli­ch. Mit der Weiterentw­icklung im Bereich E-Government-Gesetze ergibt sich hoffentlic­h ein weitgehend­er Verzicht.“

Sollten sich die Rahmenbedi­ngungen auf Landeseben­e verbessern, gehe die Stadt Ravensburg derzeit davon aus, dass sie in den nächsten zwei Jahren deutlich mehr als die 150.000 Euro der letzten beiden Jahre in die Digitalisi­erung investiere­n wird. Nicht hinzugerec­hnet sind dabei allerdings die eigenen Personalko­sten.

Gewisserma­ßen bleibt die Nutzung des Angebotes bislang ein Dunkelfeld: „Wir haben bisher zum größten Teil leider keine Möglichkei­t zur Auswertung der online erledigten Vorgänge“, sagt Hartmann. „Allein bei der Onlineanhö­rung im Bereich der Verkehrsor­dnungswidr­igkeiten können wir sagen, dass bisher der Anteil der Onlinevorg­änge bei 30 Prozent stehen bleibt.“

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FOTO: DPA/MATTHIAS BALK Die Digitalisi­erung in den Rathäusern stößt an einigen Punkten noch an Grenzen.

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